Ich bin Politikwissenschaftler mit einem Hintergrund in Physik und Informatik [als Teenager war ich Hacker auf dem Commodore 64]. An der Uni und in verschiedenen friedenspolitischen Projekten habe ich zuerst einge Jahre zu NATO/WEU und Bundeswehr gearbeitet, bis es mir zu langweilig wurde, immer wieder ueber die Probleme der NATO-Osterweiterung zu schreiben.
Etwa zur Mitte der neunziger Jahre habe ich dann angefangen, mich fuer Kriegs- und Gewaltformen der Zukunft zu interessieren. Das ergab dann unter anderem eine kleine Studie zu >Soeldnerfirmen in Afrika< oder einen Essay zum Wandel der Sicherheitspolitik in der neoliberalen Globalisierung. Ende der neunziger Jahre stiess ich dann auf die Transformation der Streitkraefte durch Informationstechnologie. Ich merkte, dass in den USA schon eine breite Debatte dazu im Gange war, die aber in Deutschland noch kaum wahrgenommen wurde. Zum Thema >Informationskrieg und Wandel der zivil-militaerischen Beziehungen in den USA< schreibe ich nun seit drei Jahren meine Doktorarbeit. Zu Beginn meiner Doktorarbeit stand ich schon laenger mit einigen KollegInnen im Kontakt, die ebenfalls zu Infowar und verwandten Themen wie Weltraumruestung oder Automatisierung des Krieges arbeiten. Die Gruendung einer Mailingliste sollte zunaechst lediglich eine technische Erleichterung des Austausches untereinander darstellen. Natuerlich stand auch die Idee dahinter, die recht neue deutschsprachige Debatte zu Infowar praegen zu koennen. Viele der Meldungen aus den USA sind ja grober Unfug, etwa die Angstmacherei vor Cyberterrorismus mit Szenarien eines >elektronischen Pearl Harbor<. Dies fundierter und kritischer zu begleiten und zu diskutieren, war von Anfang an mein Anliegen mit der Infowar-Mailingliste und auch der kurz danach gemeinsam mit KollegInnen aus Deutschland und Oesterreich gegruendeten >Forschungsgruppe Informationsgesellschaft und Sicherheitspolitik< [FoG:IS]. Die Infowar-Liste befasst sich inhaltlich mit allem, was mit dem Zusammenhang von Sicherheitspolitik, Informationstechnologie und Medien zu tun hat. Das geht von Medienzensur in Kriegsgebieten ueber die politische Regulation von IT-Sicherheit bis zu autonomen Kampfrobotern und Krieg im Cyberspace. Die Mehrzahl der Mails sind aktuelle Pressemeldungen und Dokumente sowie Veranstaltungsankuendigungen aus diesem Bereich, dazu gibt es hin und wieder kleinere Diskussionen. Aufgrund der Vorreiterfunktion der USA sind wir leider sehr stark auf die amerikanischen - und begrenzt auch auf die deutschen - Entwicklungen konzentriert. Ich wuerde mich freuen, wenn die Listenmitglieder auch mal mehr Informationen ueber Russland, Israel oder Frankreich verteilen wuerden. Die inhaltliche Ausrichtung der Infowar-Liste, die mit inzwischen mehr als 300 Mitgleidern die weltweit groesste Mailingliste zum Thema Infowar ist, hat sich natuerlich zum Teil nach dem 11.9. geaendert. Entwicklungen wie die elektronische Vernetzung der US-Truppen in Afghanistan oder das neue >Homeland Security Office< in Washington sind an uns keineswegs vorbeigegangen. Allerdings sind die aktiven Mitglieder der Infowar-Liste schon soweit hype-resistent, dass sie auf >Bin Laden plant Cyberterror<-Meldungen nicht hereinfallen. Vielmehr diskutieren wir solche Meldungen aus der kritischen Distanz. Seit Beginn des Krieges in Afghanistan kann man darueberhinaus eine vermehrte Diskussion ueber die Rolle und Kontrolle der Massenmedien in Kriegszeiten feststellen. Ich vermute, dass die Folgen des 11.9. uns noch eine Weile beschaeftigen werden. Al-Qaeda und andere islamistische Gruppen werden wahrscheinlich noch weitere Anschlaege durchfuehren, aber diese werden verglichen mit der Aufruestung der USA eher laecherlich wirken. Auch die Anschlaege vom 11.9. hatten ja ihre Hauptwirkung im symbolischen Bereich, nicht etwa oekonomisch oder gar militaerisch. Die Politik des Westens darauf, vor allem der Regierung Bush, laeuft aber auf eine politisch-militaerische Umwaelzung in verschiedenen Regionen der Welt hinaus, mit allen Auswirkungen, die so etwas mit sich zieht: Politisch, oekonomisch, aber vor allem ideologisch. Ich fuerchte, wir bewegen uns genau auf den von Antonio Negri und Michael Hardt in ihrem Buch >Empire< prognostizierten permanenten Kriegszustand zu.