Prekäre Archive: Westliche Bilder von Rumänien und die Politik der dokumentarischen Fotografie

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem offiziellen Ende des Kalten Krieges leiteten westliche Mächte eine neue Phase des “ethischen Imperialismus” ein: die “Probleme” der “kommunistischen” Gesellschaften sollten durch den Kapitalismus gelöst werden. Im Zuge dessen wurde auch das Bild Rumäniens (und Osteuropas im Allgemeinen) mit Stereotypen des Rückständigen und Vormodernen neu modelliert, wie der Fotograf Petrut Calinescu in diesem Interview zeigt.

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Stefan Candea: Der “ethische Imperialismus” beruht auf einer Doppelmoral. Bezeichnenderweise fördert diese Doppelmoral dort Transparenz (oder Opazität), wo sie für das imperiale Unternehmen vorteilhaft ist. In diesem Zusammenhang spielt die Fotografie als ein Medium, das den Anschein visueller Transparenz (oder Opazität) erzeugt, eine ideologisch entscheidende Rolle. Wenn Sie über Ihre Arbeit nach 1989 nachdenken und die Anforderungen, Auswahlkriterien usw., die von westlichen Medien gegenüber Ihrer fotografischen Praxis angewandt werden – was sind die Standards für Transparenz und Opazität bei Bildern aus Rumänien?

Petrut Calinescu: Es ist wichtig, den Post-89-Kontext zu verstehen. Wir kommen aus einem kleinen Land, einer isolierten Kultur, die ein halbes Jahrhundert lang während der Periode des “nationalistischen Kommunismus” florierte. Und vor den 1940er Jahren war die Fotografie – technisch kompliziert und teuer – eine sehr elitäre Praxis, die nur in einer Nische existierte.

Auch wenn es in den 1980er Jahren eine massenhafte Popularisierung der selbstgemachten Fotografie gab, einschließlich der DIY-Techniken für die Papierfotografie, hatten wir vor 1989 nur Zugang zu einer Handvoll Fotografiebücher von rumänischen und russischen Autor*innen. Sie konzentrierten sich meist auf ideologische Propaganda, positive Stereotypen der damaligen Zeit, keine echten dokumentarischen Techniken. Für Amateure stand die Fotografie im Schatten der Malerei und sollte “schöne” Dinge zeigen, die man bewahren und in Erinnerung behalten sollte, wie z. B. Familienerinnerungen. Was die hässlicheren Realitäten betrifft, so glaubten die Menschen nicht, dass das totalitäre Regime jemals enden würde, warum also Risiken eingehen, um kritische Beobachtungen zu dokumentieren?

Folglich haben wir nur sehr wenige dokumentarische Bilder aus dieser Zeit (z.B. von Andrei Pandele), die nur kleine Teile des Landes abdeckten. Fotografie ist Information – aber damals hatte die Information keine Chance zu reisen. Fotografie ist Information und die Information wurde von der Regierung kontrolliert. Noch heute sind viele Menschen, die auf Pandele’s Bilder zurückblicken, überzeugt, dass er Teil der Securitate war. Wie wäre es sonst möglich gewesen, dass er solche Dinge fotografieren konnte? Andererseits stammen die wenigen anderen Bilder, die die “kommunistischen” Realitäten zeigen, hauptsächlich von westlichen Fotografen. Die wussten, wonach sie suchen mussten.

Es war nur natürlich, dass wir aus dem Ostblock ausbrechen wollten, also nutzten wir jede Gelegenheit, um zu lernen, wie die Dinge anders gemacht wurden, und nutzten die Möglichkeiten des Westens, die die Vielzahl der verfügbaren Bilder versprach, in der Hoffnung, dass wir lernen könnten, wie man das wahre Leben dokumentiert. Ein natürlicher erster Schritt war, zu sehen, was im Westen gemacht wurde und zu kopieren.

Aber wir haben es nicht ganz geschafft, diesen Moment hinter uns zu lassen, wir sind irgendwie in einer “dienenden” Rolle geblieben. Wir dachten, wir werden lernen und dann bekommen wir die Chance, selbst etwas beizutragen. Das taten wir nicht, wir füllten einfach vorhandene Behälter – und illustrierten damit bereits festgelegte Narrative. Kreativität wurde nicht gefördert oder gar erwünscht. Wenn ich auf meine jahrzehntelange journalistische Tätigkeit zurückblicke, habe ich das starke Gefühl, dass die Storylines in den Büros der westeuropäischen / US-amerikanischen Nachrichtenredaktionen festgelegt wurden, egal wie. Man konnte neue Elemente finden oder solche Storylines entkräften, aber am Ende des Tages würde man die Veröffentlichungsagenda nicht ändern.

Es ist erwähnenswert, dass die frühen 1990er Jahre mit einem Schock von sehr starken Bildern wie der im Fernsehen übertragenen Revolution, den Waisenhäusern und den Bergarbeiterunruhen kamen. Aber selbst diese Bilder hielten sich an die ikonografischen Stereotypen, die von den Bildredakteur*innen im Westen bereits gepflegt wurden. Wie wenig besagte Bilder aus den 1990er Jahren diese Stereotypen veränderten und es schafften, eine andere Storyline zu kreieren, wird durch das unterstrichen, was mir ein ausländischer Redakteur auf einem Festival sagte, das ich kürzlich in Frankreich besuchte: Das letzte, was er im Kopf hat, wenn es um Rumänien geht, ist die Revolution, die vor 30 Jahren stattfand.

Damals ging es auch darum, einen Standard zu setzen, Bilder zu bekommen, als extraktiven Prozess: Ich habe Geschichten darüber gehört, dass ausländische Reporter während der Revolution von 1989 massenhaft Bilder von unbekannten rumänischen Autor*innen gekauft haben. Entweder das, oder sie baten Einheimische, bestimmte Geschichten zu illustrieren – es bestand kein Interesse daran, neue Geschichten in Auftrag zu geben, sondern bestehende, erwartete Erzählungen zu illustrieren.

SC: Ein integraler Bestandteil des “ethischen Imperialismus” nach 1989 ist der Ansatz, das vormoderne Andere mit dem Ziel zu erforschen, es zu zivilisieren. Was sind die Bildstandards für Zivilität und Vormoderne?

PC: Zivilität wurde immer in der Verfolgung von Erfolgsgeschichten über Ausländer aus der westlichen Welt verfolgt, die große Opfer bringen, um in Osteuropa, wie in einer wilden Umgebung, erfolgreich zu sein und glänzende moderne Alternativen aufzubauen, im Gegensatz zu dem, was Einheimische tun. Sei es Prinz Charles im Dorf Viscri oder eine Initiative zur Schaffung eines Naturparks (Wild Carpathia), ohne die Hintergründe solcher Aktionen weiter zu hinterfragen.

In der Zwischenzeit wird die vormoderne Wildnis durch das ikonische Stereotyp der Kutsche und des Pferdes repräsentiert, das in Bildern immer präsent ist, um die Hinterwäldler Europas zu zeigen.

Die Doppelmoral wird am deutlichsten, wenn Bilder von Opfern oder von Kindern gezeigt werden: Wenn sie aus einem Land außerhalb der westlichen Welt stammen, ist es kein Problem, die Gesichter und sogar die Namen der Opfer zu zeigen, was inakzeptabel wäre, wenn es sich um eine ähnliche Situation mit einem Bürger/ einer Bürgerin aus dem Westen handeln würde.

SC: Wenn ich rumänische Nachrichtenredaktionen betrachte, denke ich an die Aufträge, die von Redakteur*innen erteilt werden, die an einem Schreibtisch im Westen sitzen. Sie haben so eine Erwartungshaltung, die zwischen Autobahnunfall-Voyeurismus und romantischen Hinterlandgeschichten liegt. Wenn Sie auf Ihre Tätigkeit in den letzten zwei Jahrzehnten zurückblicken, unterscheidet sich die Rolle des lokalen Fotojournalisten von der eines internationalen Fotojournalisten, der durch das Land reist? Was bedeutet es, aus dem Ort zu stammen, der das Objekt der Bildproduktion des “ethischen Imperialismus” ist? Gewährt es einem eine gewisse Freiheit und Handlungsfähigkeit oder eher das Gegenteil?

PC: Für einen lokalen Fotojournalisten gibt es weder Freiheit noch Handlungsfähigkeit. Die Aufträge sind sehr klar definiert, so dass man sehr wenig Zeit und Raum für eigene Recherchen, Konzepte und Entscheidungen hat. Man bekommt klare Anweisungen und hat keinen Raum für Kreativität außerhalb der Vorlage.

Außerdem gilt die Regel, dass westliche Medien, wenn sie eine große Story haben, die viele Bilder erfordert, ihren eigenen “Starfotografen” schicken, anstatt die Arbeit eines lokalen Fotojournalisten zu verwenden. Die Arbeit des lokalen Journalisten muss nur ein oder zwei veröffentlichte Bilder liefern, und mit der Zeit erfährt man, was sie erwarten, und das liefert man dann. Meine Erfahrung während dieser vielen Jahre ist, dass das, was ich veröffentlichen wollte, oft nicht akzeptiert wurde – aber gut, das passiert jedem.

Ich habe Bildredakteure aus sehr großen Redaktionen erlebt, die mit erstaunlich geringen Mitteln versuchten, den Kontext der Geschichte zu verstehen. Nur um ein ganz aktuelles Beispiel zu nennen: Aus einem Bündel ausgewählter Bilder, die ich nach einem Auftrag schickte, wurde ich gebeten, eine Person aus einem Bild heraus zu photoshopen (!). Ich wusste, dass meine Auswahl, die einen Menschen enthielt, es nicht schaffen würde, also bereitete ich zwei Versionen dieses Bildes vor: das nächste Bild, das Teil des Bündels war, war die gleiche Aufnahme ohne den Menschen, aber, wie die Photoshop-Anfrage zeigt, konnte sich der Redakteur nicht die Mühe machen, auf das nächste Bild zu klicken.

Dies führt dazu, dass sich lokale Korrespondent*innen von Fotoagenturen zusammenschließen – sie bilden kooperative Netzwerke, auch wenn sie für konkurrierende Medien arbeiten.

Die internationalen Nachrichtenagenturen, die Nachrichtenbilder veröffentlichen, sind auf die Arbeit lokaler Fotograf*innen angewiesen – aber sie müssen sich auf eine kampflose Herangehensweise einigen und darauf achten, dass sie die gleichen Themen nach den gleichen Gesichtspunkten abdecken. Solche Korrespondenten riskieren sehr selten einen Ansatz außerhalb der Gruppe der Gleichgesinnten. Siehe die Berichterstattung über Ostern, Boboteaza und Weihnachten – die Agenda ist die gleiche, aber jedes Jahr werden solche Ereignisse als Nachrichten präsentiert. Der Fokus liegt auf der vormodernen Seite, siehe z.B. Beerdigungen oder heidnische Rituale. Alle Aufnahmen sind vom gleichen Ort, den gleichen Zielen – und dabei optimieren sie die Ressourcen.

Es ist ein westliches Modell: Ressourcen optimieren, keine Zeit mit der Suche nach neuen Wegen verschwenden. Die Bezahlung wird ja nicht besser, wenn man etwas Neues liefert. Journalistische Fotografie ist ein Produkt, als Fotojournalist ist man daran beteiligt, ein Produkt zu verkaufen, man weiß, was dem Redakteur verkauft wird, man hält sich an die Vorlage und füttert das Klischee, das der westliche Redakteur bezahlt. Unabhängige Stringer-Arbeit zu machen, unternehmerische Ansätze zu verfolgen – sie decken selten die Reisekosten. Der Unfall auf der Autobahn schon.

SC: Wenn man tiefer in die Normenwelt des “ethischen Imperialismus” eintaucht, ist der Fall der Archive hochpolitisch. Könnten Sie über den Mangel an lokal gestalteten und kuratierten Bildarchiven und die Praxis der Kennzeichnung des Anderen in internationalen Fotoarchiven sprechen?

PC: Rückblickend tut es mir jetzt leid, dass ich nicht mehr Zeit in die Dokumentation des Lebens in meiner eigenen Umgebung gesteckt habe, low hanging fruits. Mit den Jahren habe ich erkannt, wie wertvoll es ist, fotografische Dokumentationsmethoden in meiner Region anzuwenden, wo ich den Kontext verstehe und tiefer gehen kann. Ich habe es auch nicht getan, weil es mir in der Vergangenheit wie eine ständige unbezahlte Arbeit mit einer ungewissen Zukunft vorkam.

Es gibt schon eine Art von Archiven, alte (FORTE PAN und AZOPAN) und neue (Andrei Birsan), aber das sind die Bemühungen von Einzelpersonen und Freiwilligen.

Es gibt also kein Fotodokumentationsarchiv seit 1989. Verschiedene Zeitungen, die solche Archive hatten, verschwanden einfach oder die Fotoarchive verschwanden, da sie den Besitzer wechselten. Niemand dachte daran, die Kosten für Lagerorte oder die Digitalisierung solcher Archive zu bezahlen. Als ich die letzte Zeitungsredaktion verließ, arbeitete ich auf Film und nahm die wichtigsten Filme, die ich gedreht hatte, mit. Sie waren eigentlich Eigentum der Zeitung, aber ich habe sie buchstäblich gerettet, denn ein paar Jahre später wurde das gesamte Archiv auf den Müll geworfen. Niemand finanziert die Erhaltung von lokalen Archiven, wie es im Westen gemacht wird, ein Beispiel wäre United Archives.

Schließlich gibt es mehrere Jahrzehnte nach 1989 Initiativen zum Aufbau von thematischen Archiven, aber sie haben nicht die Kraft eines langfristigen Ansatzes, hauptsächlich wegen des Mangels an Ressourcen und Geld.

Es gibt also keine konsequenten Bemühungen, ein solches Archiv zu entwerfen und aufzubauen, noch es zu kuratieren, und deshalb gibt es auch keine kontinuierlichen Bemühungen, über verschiedene Möglichkeiten der Verschlagwortung von Bildern nachzudenken. Nach meiner eigenen Erfahrung war bei der Zeitung, für die ich gearbeitet habe, das Bemühen um den Aufbau eines Archivs eine persönliche Angelegenheit und mit den verschiedenen Ressorts der Redaktion verbunden, wie Sport, Politik usw. Heute kümmert sich niemand mehr um die Archivierungsmöglichkeiten, weil viele Bilder einfach “gegoogelt” werden – und manchmal einfach geklaut, ohne die Urheberrechte zu beachten.

So bleibt es bei den bestehenden Archiven über unsere Region, die ausschließlich von den Redakteur*innen großer westlicher Medien und Agenturen erstellt werden. Deshalb gibt es auch Tags wie “Osteuropa”, während man “Westeuropa”-Tags auf Nachrichtenbildern nicht sieht.

SC: Wenn man von der politischen Ökonomie des Fotojournalismus spricht, kann man sagen, dass ein osteuropäischer Fotograf seinen Lebensunterhalt entweder mit der Arbeit für die lokale und internationale Nachrichtenindustrie bestreitet oder für Werbefirmen arbeitet. Dann gibt es noch andere Wege: im NGO-Kreislauf arbeiten, der sich aus Zuschüssen für Konferenzen und Netzwerke speist, die von westlichen Geldgebern vergeben werden. Die Besten schaffen es in die Archive, in die Museen, bekommen Auszeichnungen und Stipendien, die von westlich orientierten Programmen vergeben werden.

Es scheint, dass der “ethische Imperialismus” in diesem Zusammenhang seine wohlwollende Seite zeigt. Doch wo behindert die “Hilfe” des westlichen Kapitals tatsächlich die Ziele der Emanzipation, des Fortschritts und der Entwicklung, die es zu unterstützen vorgibt? Wo unterstützt das Finanzierungssystem die Logik und die Mechanismen der imperialen Auferlegung, indem es eine neue westliche bürokratische Nomenklatura schafft, die auf der kostenlosen oder schlecht bezahlten Arbeit von Osteuropäer*innen basiert?

PC: Ein perfektes Beispiel für diese Problematik ist die folgende Art der Herangehensweise: westliche “Starfotografen” und bekannte Fotoagenturen werden eingeladen, um über unsere eigene Region zu berichten. Dafür werden sie mit lokalen öffentlichen Geldern entlohnt, während man gleichzeitig professionelle rumänische Fotojournalisten bittet, sie als kostenlos arbeitende Fixer zu unterstützen, um von ihnen zu lernen. Und das ist kein Einzelfall, es gibt viele ähnliche Situationen, die ich in Georgien oder der Ukraine gesehen habe, überall das gleiche Schema.

Abgesehen von dem möglichen korrupten Aspekt solcher Verträge auf lokaler Ebene ist es der perfekte Beweis für kulturellen Imperialismus. Die Herangehensweise dieser ausländischen “Starfotografen”, die stereotype Bilder mit Ceausescus Porträts im Hintergrund hinterherjagen und Bergarbeiter in Schwarz-Weiß fotografieren, sind in den frühen 1990er Jahren stecken geblieben und haben nichts mit dem heutigen Rumänien zu tun. Trotzdem werden sie mit öffentlichen Geldern bezahlt, um den Einheimischen eine Lektion darüber zu erteilen, wie man über die eigene Region berichtet.

SC: Es ist bezeichnend, dass Ihr Fotojournalismus nicht als Journalismus gesehen wird, sondern eher als eine Dienstleistung, die die Anforderungen von Medien erfüllt, die von den Interessen des “ethischen Imperialismus” angetrieben werden. Genauso wird Ihr Rechercheprozess bei Fotoprojekten nicht als Bildrecherche gesehen (so wie Daten und statistische Ansätze als investigativer Datenjournalismus gesehen werden), sondern auf das Abliefern reduziert. Sicherlich hat dies mit der allgemeinen Kommerzialisierung und Kommodifizierung des Journalismus zu tun und es scheint, dass dieser Prozess im “Osten” besonders extrem und problematisch ist. Inwieweit ist das oben Gesagte auf die Kommerzialisierung und Kommodifizierung des Journalismus zurückzuführen und wie hängt es mit der imperialen Aneignung Ihrer Arbeit zusammen, die man grob gesagt als “photo-grabbing” bezeichnen könnte? Welche Konsequenzen hat der Mangel an Werkzeugen zur Verteidigung und zur Förderung Ihrer Arbeit?

PC: Als Fotograf in Rumänien kann man heute von der Dokumentarfotografie leben, das heißt, man arbeitet auf Honorarbasis, um verschiedene Ereignisse zu dokumentieren, vor allem Hochzeiten und Tauffeste. Das wurde zu einer greifbaren Alternative, weil der Wert des Dokumentierens durch Fotografie als einheimischer Fotograf nicht kultiviert wurde, weder im Inland noch im Ausland. Das ist keine echte Dokumentarfotografie, sie hat auf lange Sicht keinen Wert und befriedigt nur diejenigen, die dafür bezahlen.

Das macht den lokalen Fotojournalismus in Osteuropa also zu einer Art künstlerischem Hobby, das immer nur durch die Veröffentlichung entlohnt wird, nach dem Motto: “Es reicht, dass du veröffentlicht wirst, du solltest nicht nach mehr fragen.” National Geographic Rumänien zahlt etwa 20 Euro für eine ganze Seite (Fotos, Text oder beides), die in der lokalen Ausgabe veröffentlicht wird, und das bedeutet tatsächlich, dass diejenigen, die sie veröffentlichen, selten Profis sind, sondern begeisterte Hobbyisten, die überleben können, weil sie eigentlich anderen Jobs nachgehen.

Für den lokalen Markt ist es schwer, Bildrechte zu verwalten und zu schützen – Bilder werden einfach gestohlen, niemand zahlt dafür. Für den ausländischen Markt ist der Kontext der Bilder in vielen Situationen verzerrt.

Und schließlich ist der Arbeitsbereich im Non-Profit-Sektor noch problematischer. Es gibt ein Geschäftsmodell für Westeuropäer, osteuropäische Fotojournalisten und ihre Arbeit zu “managen”, zu “vernetzen”, “in Dialog zu bringen”. Das heißt, es gibt Organisationen mit Sitz in Westeuropa, die durch Zuschüsse finanziert werden, um Demokratie zu exportieren, deren angestellte Mitarbeiter*innen die Probleme und die Arbeit von Fotojournalist*innen im “Osten” einfach ausnutzen. Ich habe in letzter Zeit Erfahrungen mit einer solchen in Deutschland ansässigen Organisation namens n-ost gemacht, wo es üblich war, unbezahlte Beiträge anzufragen. Es gibt grenzüberschreitende Ansätze, die unter dem Deckmantel der Ost-West-Zusammenarbeit laufen, aber in Wirklichkeit von westlichen Einrichtungen geleitet, verwaltet und regiert werden, die mit Mitteln finanziert werden, die angeblich den Osteuropäer*innen zugute kommen.

SC: Lassen Sie uns vor dem Hintergrund dessen, was wir bisher besprochen haben, noch einmal einen Blick auf Ihre verschiedenen Projekte und Engagements werfen, darunter 7 zile, die Kooperationen mit CRJI und The Black Sea, Pride and Concrete und CDFD sowie dem Wettbewerb für junge Fotojournalist*innen. All diese Aktivitäten konzentrieren sich auf das, was in den Mainstream-Medien fehlt und auf die Entwicklung neuer Konstellationen. Auf diese Weise hilft Ihre Arbeit, eine andere Art von Archiv zu erstellen – jenseits des westlichen Mainstream-Archivs. Wenn Sie von diesem anderen Archiv sprechen, was braucht es, um das kaputte System, von dem Sie sich wegbewegen wollen, nicht zu reproduzieren? Was bedeutet es, die Doppelmoral des “ethischen Imperialismus” neu zu codieren und zu hinterfragen?

PC: Systemische finanzielle Probleme und finanzielle Nöte, sei es im For-Profit- oder Non-Profit-Bereich, verschieben einfach den Fokus. Auf der einen Seite haben wir keine Managementausbildung, wir wissen nicht, wie man die Finanzen von Non-Profit-Organisationen verwaltet, und es fehlt uns an finanzieller Unabhängigkeit; es gibt keine Vorschriften oder Schutzmaßnahmen. Wer mehr Geld hat, kann mehr Beziehungen knüpfen und sich lukrativere Projekte sichern, unabhängig von der Qualität der Arbeit. Das heißt, wir bleiben am Rande und können uns den Luxus eines langfristigen strategischen Denkens nicht leisten, auch keine eine langfristige Redaktionsplanung.

Hinzu kommt die Tatsache, dass wir von einem fehlenden Ökosystem sprechen: Wie in so vielen Bereichen in Rumänien und Osteuropa ist die Ausbildung in Bezug auf Fotografie als dokumentarisches Werkzeug nicht existent, sowohl für Praktiker*innen als auch für das breitere Publikum, es gibt keine spezialisierten Publikationen oder Galerien oder andere Einrichtungen, die solche Arbeiten in Auftrag geben könnten.

Also habe ich CDFD mitbegründet, um Kolleg*innen zu versammeln, um als Gruppe Lösungen für solche Probleme zu finden, um einmal im Jahr ein fotografisches Projekt zu verfolgen, um sich zu treffen, zu zeigen und unabhängig zu diskutieren.

Anm. d. Red.: Die Fragen stellte Stefan Candea.

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