Wow, ich habe doch erst neulich an dem Jahresrueckblick fuer 2008 gesessen! Aber das Gerede von wegen wie schnell die Zeit voruebergeht, ist bei der heutigen Schnelllebigkeit und Zukunftsfixierung ja Schnee von gestern und hat was von Nostalgie. Vielleicht liegt dieses Gefuehl von Zeitschwinden aber auch weniger am gesellschaftlichen Zeitempfinden, als vielmehr an regelmaessigen Ausfluegen in die Parallelwelt. Diesen Gedanken nehme ich als Anstoss fuer ein paar Zeilen ueber das berliner Nachtleben.
2009 habe ich im Selbstversuch erforscht, warum Berlin taeglich hunderte von Feiertouristen aus der ganzen Welt anzieht und inoffiziell als Partystadt Nummer eins gilt. >Es findet jetzt statt.<, scheibt Tobias Rapp in seinem Buch Lost and Sound ueber die berliner Feierszene. Teil dieser Szene zu sein, bedeutet eine Utopie zu leben, die Glueck vespricht und ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum schafft. Wer traeumt nicht davon im Hier und Jetzt zu sein?
Das Fernweh, das Traeumen von einer besseren Welt und der Wunsch, der Normalitaet zu entkommen ist die eine Seite; viele sind sich sehr bewusst, dass sie sich einer Illusion hingeben. Die andere Seite handelt aber davon, diese Illusionen, die an Sehnsuchtsoten wie dem >Golden Gate< oder dem >Berghain< geschaffen werden, in die Normalitaet mitzunehmen und ein Stueck weit wahr werden zu lassen. Es ist identitaetsstiftend gemeinsam ein Gefuehl von Kommunismus, Intimitaet und Autonomie zu erleben, auch, oder gerade weil es nur temporaer ist. Genau dies provoziert die Musik: Elektro, Techno, Minimal, House oder wie auch immer man die Richtung definieren mag. Das faszinierende an euphoriegeladenen Elektroclubgaengern ist, dass wenn man sich mit ihnen an der Bar unterhaelt, sie sehr genau reflektieren, was sie gerade machen. Sie wollen wenigstens ein bisschen positiven Hedonismus mit in die Welt da draussen tragen. Sie lehnen sich auf gegen Abstumpfung und Selbstentfemdung des Menschen und propagieren eine gewisse Grundstimulanz und Intensivierung des Lebens. Der moderne Hippie also? Darueber sollte sich jeder seine eigene Meinung bilden, bei einem Abstecher zur >Partymeile< zwischen Alexanderplatz und Treptower Park entlang der Spree. Vor gar nicht allzu langer Zeit noch dachte ich an Techno und stellte mir mit Drogen vollgepumpte Landkinder vor, die zu stupider Wummermusik ausspacen. In diesem Jahr habe ich eine ganz andere Vorstellung von elektronischer Musik entwickelt. Sie ist eine Auseinandersetzung mit unserer Zeit, sie verhandelt ein neues Miteinander. Allein diese Entdeckung macht 2009 rueckblickend fuer mich zu einem sehr stimulierenden Jahr!