Um es gleich am Anfang zu sagen: die Vorstellung, dass sich >das< mit der Medienkunst erledigt haben soll, finde ich absurd. Kunst soll und muss die Freiheit haben, sich mit Themen beschaeftigen zu koennen, wie es ihr richtig erscheint. Sie kann sich mit der Liebe, der Landschaft am Niederrhein, sweat shops in New York oder der Schlaflosigkeit von Louise Bourgeois beschaeftigen. Warum dann nicht auch mit so einem wichtigen Faktor in der globalen Gesellschaft wie den >neuen< Medien? Dass der Medienkunst die Themen ausgehen wuerden, kann man nun wirklich nicht behaupten: Wikis, Blogs, Google Earth, Second Life, >Killerspiele< sind nur einige der Felder, die nach kuenstlerischer Intervention und Bearbeitung verlangen.
Dass Missfallen, das die letzte Transmediale offenbar bei vielen ihrer Besucher ausgeloest hat, zeigt allerdings, dass die diversen Festivals fuer Medienkunst ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Ich glaube sogar, dass diese Festivals Teil der Misere sind. Meine – zugegebenermassen polemische – Forderung lautet daher: Schafft die Medienkunst-Festivals ab! Wenn man in die fruehen Kataloge der Ars Electronica sieht, wird man feststellen, dass zu den Teilnehmern bekannte Kuenstler und Komponisten wie Nam June Paik, Otto Piene, Wendy Carlos, Rhys Chatham, Christina Kubisch oder Charlotte Moorman gehoerten. Heute finden sich dort Namen, die zwar in der Medienkunstszene, die diese Festivals mit hervorgebracht haben, bekannt sind. Aber es sagt etwas ueber die Festivals, dass die Kuenstler, die bei dort gezeigt werden, so gut wie nie den Sprung in dem >normalen< Kunstbetrieb schaffen. Dass hat nicht zuletzt mit diesem Betrieb selbst zu tun, der 1. natuerlich nicht das Mass aller Dinge ist und der 2. technischer und Medienkunst stets mit grossem Misstrauen begegnet ist. Aber es liegt auch daran, dass die Festivals und die diversen anderen Medienkunstinstitution ein Biotop geschaffen haben, in dem man sich praechtig und ohne stoerenden Kontakt mit dem Rest der Welt mit sich selbst beschaeftigen kann. Die Funktion, Medienkunst einem breiteren Publikum und der Kunstwelt zu konfrontieren, haben diese Festivals in der Regel nicht erfuellt. Ich verstehe, dass Medienkunst aus technischen und logistischen Gruenden besondere Anforderungen an ihre Praesentation stellen, die normale Museen und Ausstellungen oft nicht aufzubringen koennen, und dass derartige Veranstaltungen daher notwendig sein koennen. Es ist aber auch festzustellen, dass die Medienkunst nach mehr als zwei Jahrzehnten >Sonderzuwendungen< in Form von Festivals, Labs, Akademien etc isolierter als vorher da steht und dass es den Festivals in den letzten Jahren nicht gelungen ist, diskursbildend zu funktionieren oder den Diskurs der Medienkunst und -theorie in eine breitere Oeffentlichkeit zu uebertragen. [Es ist im uebrigen auch signifikant, dass die Festivals die Netzkunst, die wohl nicht nur ich fuer die wichtigste und anschlussfaehigste Bewegung innerhalb der Medienkunst der letzten Jahre gehalten habe, erst ignoriert und dann mit Trostpreisen abgespeist haben und sich statt dessen bis heute an den ewigen >interaktiven Installationen< erbaut.] Natuerlich geht es mir nicht wirklich darum, die Festivals [und die ganzen anderen vergnueglichen Institutionen zur Pflege der Medienkunst, fuer welche die Festivals hier stellvertretend die Pruegel abbekommen] abzuschaffen. Aber sie muessen es hinkriegen, aus der bequemen Isolation und der Betriebsblindheit des Medienkunsteinerleis herauskommen. Ich weiss, dass viele der LeiterInnen dieser Institutionen genau das versuchen. Aber wer die Programme der einschlaegigen Festivals der letzten Jahre studiert, stoesst dort auf eine Fantasie- und Perspektivlosigkeit, die schon etwas traurig ist. Dabei sind die Rahmenbedingungen von Medienkunstfestivals eigentlich sehr locker und verlangen geradezu danach, sie zu einen froehlichen Tohuwabohu umzufunktionieren - statt sich dort Jahr fuer Jahr zaeh am Status Quo abzuarbeiten. Es spricht zum Beispiel fuer sich, dass in den letzten Jahren niemand David Byrne zu einem der einschlaegigen Festivals eingeladen hat. Der ehemalige Saenger der Talking Heads hat vor drei Jahren Kunst mit Powerpoint produziert, die der Software Art dieser Zeit im Geiste [wenn auch nicht in ihrer Form] sehr aehnlich war. Eine Begegnung zwischen jemandem wie ihm und den Software- und Game Art-Frickler haette sicher interessant sein koennen und haette mal eine Person in so ein Festival einbezogen, die vielleicht auch jenseits der Medienkunstszene noch ein paar Menschen kennen. So lange die Festivals solche offensichtlichen Geistesverwandte nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie nicht aus dem eigenen Mikrokosmos stammen, so lange wird auch die Medienkunst weiter in ihrem Paralleluniversum vor sich hin wursteln.