Im Wasser am Maybachufer spiegelt sich bereits die untergehende Sonne, als sie zum ersten Mal ertoenen: Sanfte Sprechchoere hallen durch die Strassen; alles von seltsamer Ruhe. Dann marschieren die Polizisten in Zweierreihen am Ufer entlang. Sie plappern untereinander, laecheln, als ich ihnen zuwinke, gruesst einer froehlich zurueck. Am Himmel kreist ein Helikopter. Ueberall ist Sommer. Ich giesse mir Rotwein nach und frage mich, wo sie denn nun sind, die Randalierer aus der Tagesschau. Die vermummten Brachialen, die krassen Bullen, die Steinewerfer, Wasserwerfer, Brandbomben, Attentaeter, Eskalierer.
Zuhause schalte ich den Fernseher an und sehe Berlin im Rauch der Molotowcocktails versunken. Hunderte Polizisten verletzt und mit Brandsaetzen beworfen. Koerting vergleicht die Situation mit einer Vergewaltigung. Die taz haelt dagegen und spricht von den >ueblichen Volksfestscharmuetzeln<. Und zur Aktuellen Stunde im Bundestag titelt die B.Z. in bekannter Neutralitaet: >Sie reden … die Chaoten zuendeln weiter<. Ein Medienfest. Kein Wunder, denn in dieser klinisch reinen Sagrotanwelt, in der selbst Kinderpornos mal eben weggefiltert werden koennen, ist so ein Ausbruch an Gewalt besonders aufregend. Die Berichterstattung fuegt sich dann nahtlos in das uebrige Programm: Morgens attackiert ein Amokfahrer die belgische Koenigin, mittags stehen die Beckhams mal wieder kurz vor dem Rosenkrieg und abends kriegen wir bei >Schlag den Raab< archaische Anwandlungen. Statt Hexen auf dem Scheiterhaufen verheizen wir eben Menschen auf RTL2. Das Leid der anderen unterhaelt die TV-Nation praechtig. Keine Frage: Der 1. Mai in Berlin ist sicher kein Kaffeekraenzchen. Aber ist dieser einmal im Jahr stattfindende Konflikt tatsaechlich so dramatisch? Oder ist er nur ein gefundenes Fressen für Quotenjaeger? [Anm. d. Red.: Der Verfasser des Textes nimmt am CRASHKURS ONLINE-MEDIEN der Berliner Gazette teil.]