Die Politik des Wassers: (Klima-)Ungerechtigkeit in Megastädten des Globalen Südens

Dhaka während der Überschwemmungen im Jahr 2007. Foto: Sumaiya Ahmed, CC BY-NC-SA 2.0
Dhaka während der Überschwemmungen im Jahr 2007. Foto: Sumaiya Ahmed, CC BY-NC-SA 2.0

Da Megastädte weltweit – vor allem im Globalen Süden – weiter wachsen, werden sie zu Schauplätzen aktueller und zukünftiger Klima- und Wasserungerechtigkeiten. Farhana Sultana untersucht auf der Grundlage ihrer Forschungen in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, die Klassen- und Geschlechterdimensionen der Wasser- und Klimaapartheid.

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Als Geografin und interdisziplinäre Wissenschaftlerin betrachte ich den Klimawandel im Wesentlichen als Veränderung des Wasserkreislaufs. Diese kann sich in Form von Wasserknappheit bei Dürren, Überschwemmungen bei Hochwasser oder bestimmten Niederschlagsmengen, die zu Sturzfluten führen können, äußern. In meiner aktuellen Forschung wende ich eine internationale und interdisziplinäre Perspektive auf eine Fallstudie zu Megastädten in Deltalandschaften im Globalen Süden an. In dieser Studie untersuche ich kritisch die Bedeutung von urbaner Wasser- und Klimagerechtigkeit im Kontext globaler und lokaler Probleme sowie die Art und Weise, wie sich verschiedene Formen von Klimagerechtigkeit in Städten manifestieren.

Um die Grundlage für die folgende Fallstudie zu schaffen, muss zunächst klargestellt werden, dass sich der Wasserkreislauf mit steigenden Treibhausgasemissionen und globalen Temperaturänderungen verändert. Absurderweise sind es gerade die Gemeinden, die am wenigsten zum Treibhausgasausstoß beigetragen haben, die am stärksten unter dem Klimawandel leiden. Dies kollidiert und verknüpft sich mit der Geschichte des Kolonialismus, Imperialismus und Kapitalismus. Daher ist eine multiskalare Analyse der Entscheidungsprozesse auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene erforderlich.

Zugang zu urbaner Infrastruktur

Dies bringt uns nach Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Die Stadt ist seit vielen Jahren in den Nachrichten, da sie mit verschiedenen klimabedingten Herausforderungen, wie Überschwemmungen, zu kämpfen hat. Früher war Dhaka eine Stadt der Kanäle. Heute ist sie eine schnell wachsende Megacity in einer Überschwemmungszone zwischen den Himalaya-Flüssen Ganges und Brahmaputra. Damit ist Dhaka Teil des zweitgrößten Deltasystems der Welt. Aufgrund ihres tropischen Monsunklimas ist die Stadt in den Sommermonaten starken Regenfällen ausgesetzt. Mit rund 20 Millionen Menschen, die auf engstem Raum in einem hochwassergefährdeten Gebiet leben, steht die Hauptstadt Bangladeschs vor den gleichen Problemen wie jede andere Stadt auch: Es gibt Menschen, die Zugang zur städtischen Infrastruktur haben, und Menschen, die keinen Zugang haben.

Im Fall von Dhaka bedeutet dies, dass etwa ein Drittel der Einwohner*innen – mehr als sechs Millionen Menschen – in Gebieten leben, die euphemistisch als ‚informelle Siedlungen‘ bezeichnet werden. Realistisch gesehen bedeutet dies, dass sie auf Bahngleisen, neben Kanälen oder Seen leben. Da diese Gebiete von der Stadt offiziell nicht anerkannt sind, gibt es dort keine Wasser- und Abwasserinfrastruktur und keine legalen Stromanschlüsse. Diejenigen, die Zugang zu formaler Infrastruktur und Wohlstand haben, verfügen dagegen möglicherweise über Dachterrassen mit Pools, große Terrassen und Golfplätze. Diese Eliten können sich mit Fahrzeugen durch die Stadt bewegen, die sie vor den Auswirkungen von Überschwemmungen oder Hitzewellen schützen. Die Stadtbevölkerung ist dagegen oft zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs.

Die Politik der Enteignung in der Stadt – oder besser gesagt: die Politik der Ausgrenzung und Ungerechtigkeit – vergrößert somit die Kluft zwischen den Auswirkungen des Klimawandels auf die städtische Bevölkerung. Betrachtet man Klimapartheid als die Situation, in der Menschen den Preis für den Klimawandel zahlen, obwohl sie nicht wesentlich dazu beigetragen haben, lässt sich dieses Konzept auf Städte anwenden. Darüber hinaus müssen wir auch die Wasserapartheid als Weg zum Verständnis von Klimagerechtigkeit betrachten, insbesondere in der Stadt Dhaka.

Die Armen der Städte

Eine mangelnde koordinierte Planung hat in der Vergangenheit zu Überschwemmungen geführt, bei denen das Regenwasser das Abwassersystem überlastet und die Stadtbewohner*innen vor große Probleme stellt. Aufgrund des Klimawandels, der die hydrosozialen Kreisläufe verändert, beobachten wir, dass sich die Elite und die Mittelschicht während unvorhersehbarer Sturzfluten oder Überschwemmungen, wie sie beispielsweise während der Monsunzeit auftreten, mehr oder weniger sicher in der Stadt bewegen und diese für sich beanspruchen können. Diese Dynamik führt letztendlich dazu, dass bis zu einem Drittel der Stadtbevölkerung – die Armen – ausgegrenzt, marginalisiert und buchstäblich ertränkt werden. Darüber hinaus verursachen steigende Temperaturen Hitzestress, von dem die Armen, die in der Regel in schlecht belüfteten Blechhütten leben, überproportional betroffen sind.

Da die Urbanisierung eine der prägenden demografischen Veränderungen unserer Zeit ist, wird der breite Zugang zu städtischer Infrastruktur zu einem zentralen Thema. Wenn Menschen in die Städte ziehen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen – insbesondere, wenn sie nicht zur wohlhabenderen Bevölkerungsschicht gehören –, erleben sie oft verschiedene Formen der Ungerechtigkeit. Infolgedessen gibt es unterschiedliche Grade der Vulnerabilität, des Risikos und der Gefährdung. Daher muss die Konzeption der Klimaanpassung vor Ort die Lebenserfahrungen und Einstellungen der Menschen zu den Auswirkungen des Klimawandels und der Wasserknappheit berücksichtigen.

Hydro-Apartheid unter patriarchalischen Verhältnissen

In meiner Forschung zeigten sich klimatische Ungerechtigkeiten nicht nur entlang klassischer Klassengrenzen, sondern auch entlang Geschlechtergrenzen. Am deutlichsten wurde dies bei den verschiedenen Formen der Wasserunsicherheit im Zusammenhang mit Trinkwasser. Das alte Gedicht „Wasser, Wasser überall, und kein Tropfen zu trinken“ beschreibt auch den Kampf um Wasser zum Baden und Händewaschen. Mit anderen Worten: um die Wahrung der Menschenwürde. Auf städtischer Ebene wird dies jedoch nicht nur zu einer Frage der Klasse, sondern auch des Geschlechts.

In patriarchalischen Gesellschaften ist die Aufteilung der Hausarbeit oft geschlechtsspezifisch. Oft sind es Frauen und Mädchen, die das Trinkwasser für ihre Häuser besorgen müssen. In informellen Siedlungen ohne Wasseranschluss und in ärmeren Gegenden, die immer wieder von Überschwemmungen betroffen sind, ist das besonders schwierig. Darüber hinaus sind öffentliche Wasserquellen für die Armen in informellen Siedlungen manchmal unzugänglich. Dies führt zu einer übermäßigen Abhängigkeit von verunreinigtem Wasser und verschärft die mit Armut verbundenen Risiken. Auf gesellschaftlicher Ebene kann dies zu einer Verschlimmerung von durch Wasser übertragenen Krankheiten und Ausbrüchen von Infektionskrankheiten führen, wodurch sich die Armut wiederum verstärkt.

Miteinander verbundene Ungerechtigkeiten

Bei der Analyse des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die städtische Bevölkerung darf man daher nie davon ausgehen, dass diese Dynamik für alle sozialen Gruppen innerhalb einer Stadt gleich ist. Stattdessen müssen wir das Thema unter dem Gesichtspunkt der Anpassungspolitik in unterschiedlichen städtischen Räumen betrachten. Der Klimawandel verstärkt bestehende Ungerechtigkeiten, schafft neue und verknüpft sie miteinander. Durch techno-manageriale Planungsprozesse, die die Stimmen der städtischen Armen ausschließen, werden diese Ungerechtigkeiten noch weiter verschärft.

Dieser Teufelskreis wird oft erst in einem späteren Stadium entdeckt – es sei denn, man sucht aktiv danach und versucht, ihn zu durchbrechen. Langfristig kann die Unfähigkeit marginalisierter Menschen, sich in Krisenzeiten zu evakuieren, sichere und bezahlbare Wohnungen zu finden oder rechtzeitig vor Überschwemmungen gewarnt zu werden, die Ungleichheit in den Städten weiter verschärfen. Darüber hinaus könnten politische Entscheidungsträger:innen angesichts der komplexen gesellschaftlichen Machtverhältnisse und des intersektionalen, geschlechtsspezifischen und klassenbezogenen Zugangs zu Wissen und Entscheidungsprozessen Schwierigkeiten haben, städtische Klimagerechtigkeit zu erreichen, wenn sie nicht früh genug damit beginnen.

Jenseits von Retter*inkomplex und Solutionismus

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Megastädte, die vor allem im Globalen Süden oder in den sogenannten ‚Entwicklungsländern‘ entstehen, zu Schauplätzen anhaltender und künftiger Klima- und Wasserungerechtigkeiten werden. Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir die komplexen und herausfordernden Probleme in städtischen Gebieten anerkennen. Diese reichen von ungleichen Zugängen zu Ressourcen und ungleichen Verteilungen von Risiken und Vulnerabilitäten bis hin zur ungleichen Berücksichtigung von Stimmen in politischen Planungsprozessen. Mit anderen Worten: Wir müssen mehr investigative und ethische Forschung betreiben, um die skalaren Zusammenhänge und Intersektionalitäten lokaler Herausforderungen zu ermitteln. Klimaanpassung muss als politischer Prozess im Sinne unterschiedlicher Machtverhältnisse verstanden werden.

Wir sollten Planungsprozesse im städtischen Bereich nicht entpolitisieren. Wir sollten nicht mit einem Retterkomplex und der Einstellung herangehen, um der Lösung willen etwas zu reparieren, sondern vielmehr die Dynamik der Gemeinschaft und das lokale Verständnis von Gerechtigkeit berücksichtigen. Denn in der Vergangenheit wurde Dominanz in diesen Prozessen auf problematische Weise eingesetzt. Top-down-Entscheidungen führen oft zum Leid von Teilen der Bevölkerung, die von Anfang an nicht beteiligt waren. Diese Menschen werden oft als ‚Stimmenlose‘ bezeichnet, doch das ist ein Irrglaube. Sie haben eine Stimme. Sie wird nur nicht gehört.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text basiert auf einer Keynote von Farhana Sultana beim Kin City Festival. Die Aufzeichnung können Sie hier anhören.

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