Klima-Arbeiter*innen aller Länder: Vereinigt euch!? Die Suche nach affektiven Verbindungen und gemeinsamen Narrativen

Historisch betracht sind Arbeiter*innen die zentrale Produktivkraft, die am ehesten in der Lage ist, das kapitalistische System zu stürzen. Zugleich sind sie die am meisten Ausgebeuteten und gelten daher als jene, die am stärksten daran interessiert sind, sich tatsächlich aufzulehnen. Da eine Überwindung des Kapitalismus einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung der Klimakrise leisten könnte, ist zu fragen, so der Sozialtheoretiker Max Haiven in seinem Beitrag zur Textreihe “Allied Grounds”, wie sich die (Klima-)Arbeiter*innen der Welt tatsächlich zusammenschließen könnten.

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In ihrer jüngsten Provokation fordert die Berliner Gazette “uns” auf, uns die Möglichkeiten der Solidarität und des Handelns vorzustellen, wenn “wir”, die Arbeiter*innen der Welt, in all “unserer” Vielfalt und mit all “unseren” Differenzen, “uns” als Mitgestalter*innen des Klimas begreifen. In diesem Fall ist die Ko-Kreation kein freiwilliger oder absichtlicher Prozess, zumindest noch nicht. Heute wird “unsere” Zusammenarbeit auf globaler Ebene durch den Kapitalismus vermittelt und weitgehend von ihm gesteuert. Es ist dieses kapitalistische Weltsystem, das “unseren” Handlungsspielraum formt, das Anreize und Bestrafungen vorsieht, die “unsere” Handlungsfähigkeit einschränken und “uns” in Hierarchien von Macht und Privilegien einordnen. Damit konditioniert der Kapitalismus “uns” als kollektives Subjekt und führt “uns” sogar dazu, die lebenserhaltenden Systeme des Planeten und auch das Leben der meisten Menschen zu zerstören.

Es ist diese Gesamtheit menschlicher und nicht-menschlicher Lebenserhaltungssysteme und menschlicher sozioökonomischer Sphären, die die Autor*innen besagter Provokation im Sinn haben, wenn sie vom Klima sprechen. In diesem Sinne ist das Klima nicht nur die buchstäbliche gasförmige Atmosphäre, die den Planeten einhüllt, in der die Sorge um Treibhausgase und andere Schadstoffe in den letzten Jahren unsere Aufmerksamkeit erregt und Angst geschürt hat. Darüber hinaus geht das Klima, durch eine Art intersektionale Linse betrachtet, aus geteilten, aber “uns” trennenden Sphären hervor, die “wir” alle bewohnen und durch politisch und wirtschaftlich miteinander verbundene Systeme gestalten, von denen “wir” wiederum alle Produkte, Produzent*innen und Bestandteile sind. In diesem Sinne produzieren “wir” Klimaarbeiter*innen der Welt das Klima auch dann, wenn wir uns in den sozialen Medien engagieren, einkaufen gehen oder neue Formen der gegenseitigen Hilfe auf Nachbarschaftsebene aufbauen. Dies gilt umso mehr, als der Kapitalismus sich ausweitet, um immer mehr von der Lebenswelt zu konsumieren, und versucht, fast alle menschlichen Aktivitäten in eine Form von Arbeit zu verwandeln: Aktivitäten, die durch Marktkräfte vermittelt oder geformt werden. Letztlich kann diese Arbeit, da sie in Produktionsverhältnisse eingebettet ist, die die endlose Akkumulation von Kapital privilegieren, niemals nachhaltig sein. Dementsprechend verstärken auch die “Nebenprodukte” dieser Arbeit (ob Abfall, Schmutz oder Wärme) die negativen Auswirkungen auf die Umwelt im Allgemeinen und das Klima im Besonderen. Diese systembedingten “ökologischen” Krisen verschärfen wiederum die Schieflagen und Spaltungen in “unseren” sozialen, ökonomischen und politischen Sphären, aus denen sie hervorgegangen sind. Ein Teufelskreis.

“Wie kann das globale Proletariat aus neuen Klassenkämpfen hervorgehen, die ihre Vitalität aus der Vielfalt der arbeitenden Subjekte beziehen – von Gig-Jobber*innen in Bukarest, Landarbeiter*innen in der östlichen Region Ghanas, Elektronikhersteller*innen in Zhengzhou, Programmierer*innen in Mumbai, illegalisierten Migrant*innen in Berlin, schwarzen und lateinamerikanischen Reinigungskräften in Los Angeles, Sexarbeiter*innen in Nairobi, Pflegekräften in Barcelona, Lehrer*innen in Teheran und “No-Bodies,” die in Haftanstalten, Hotspots und Lagern auf der ganzen Welt als überschüssige Bevölkerung und verfügbares Arbeitskräftepotenzial verwaltet werden.”

Die theoretischen Mutmaßungen hier sind verlockend. Wenn “wir” uns nicht nur als ausgebeutete Arbeiter*innen, sondern auch als Koproduzent*innen von so vielen sich überschneidenden und miteinander verflochtenen Sphären, die das Klima mitkonstituieren, begreifen könnten, welche alternativen Sphären könnten “wir” dann gemeinsam erschaffen? Welche transformative Kraft könnten “wir” entfalten, wenn “wir” uns als globale Klimatariat etablieren könnten? Könnte ein solcher Ansatz ein Weg zu einem sagenumwobenen “diagonalen” Ansatz sein, der endlich und zufriedenstellend den nicht-hierarchischen, aufstrebenden, horizontalen Ansatz der sozialen Basisbewegungen (die Gemeingüter) mit einer Art vertikaler Strategie verbinden könnte, die die Disziplin und Organisation bereitstellen könnte, die es “uns” ermöglichen würde, ein für alle Mal gegen das Geisterschiff des globalen Kapitalismus zu meutern?

Artwork: Colnate Group (cc by nc)

Wenn diese Fragen auf ein radikales Potenzial verweisen, das darin besteht, dass “wir” uns um die Vorstellung herum mobilisieren, dass “wir” alle, unabhängig von der Arbeit, die “wir” verrichten (bezahlte oder unbezahlte, formelle oder informelle) Klimaarbeiter*innen sind, dann möchte ich im Folgenden den hier zu Grunde liegenden Optimismus konstruktiv in Frage stellen. Dazu werde ich mir anschauen, was die Arbeiter*innenbewegungen der Vergangenheit stark gemacht hat und was im Gegensatz dazu die Klimaarbeiter*innen der Welt eher schwach aussehen lässt. Ich bin nicht nostalgisch, was die Arbeiter*innenbewegungen der Vergangenheit angeht: Sie hatten viele Schwächen, und “wir” befinden uns in einer ganz anderen Zeit, einer Zeit, in der wir wirklich in planetarischem Maßstab denken und handeln müssen. Mit der Erwähnung dieser Qualitäten, die frühere “Arbeiter*innen der Welt” besaßen, möchte ich jedoch die Tür für künftige Gespräche darüber öffnen, was “wir”, die heutigen “Klimaarbeiter*innen der Welt”, tun könnten.

Affektive Verbindungen und gemeinsame Feinde

In der Blütezeit der Arbeiter*innenbewegung in Westeuropa, während des Aufstiegs des Industriekapitalismus, hatten die Arbeiter*innen vieles gemeinsam, auch ihre Feinde. Im Gegensatz zu heute, wo viele Arbeiter*innen mit ihren Chefs sympathisieren oder glauben, dass sie, wenn sie hart arbeiten, auch ein Chef sein können, war der Klassengegensatz in jenen früheren Tagen ziemlich scharf. Die Arbeiter*innen wohnten oft in heruntergekommenen Mietskasernen, die denselben Personen gehörten wie die Fabriken, in denen sie schufteten. Die Klasse prägte fast jeden Aspekt des Lebens: nicht nur, wie die Menschen arbeiteten oder wo sie wohnten, sondern auch, was sie aßen, wie sie sich unterhielten, wie Familien organisiert waren, wie Liebe und Sex aussahen und sich anfühlten, wie die Menschen redeten, scherzten und Gefühle ausdrückten. Der Hass auf die besitzende Klasse war unübersehbar und wurde nur durch religiöse Indoktrination (in der Regel in den von der herrschenden Klasse kontrollierten Kirchen), das Gefühl der Isolation und der Sinnlosigkeit sowie durch Rassismus gebändigt – die “britische Arbeiterklasse” etwa, ging aus einer rassialisierten Ordnung hervor, wie Cedric Robinson gezeigt hat.

Die Gewerkschaftsorganisator*innen mussten die Arbeiter*innen nicht davon überzeugen, dass sie unterdrückt und ausgebeutet wurden, sondern dass sie etwas dagegen tun konnten und dass es im ganzen Land Millionen anderer unterdrückter Menschen gab, die sich gemeinsam erheben konnten. Wenn sie dies gemeinsam oder in Solidarität tun würden, wären sie nicht mehr aufzuhalten. Wenn sie dies international taten, würden sie die Welt verändern. Diese Erzählungen enthielten mehr als nur ein kleines Element der Rache, und das zu Recht: Die meisten Arbeiter*innen hatten miterlebt, wie Freunde oder Familienangehörige in den Maschinen des Industriekapitalismus getötet oder verstümmelt wurden, und sie hatten aus erster Hand Erfahrungen mit der höhnischen Straflosigkeit von Bossen und Aufseher*innen; sexuelle Ausbeutung war weit verbreitet. Die Arbeiter*innen konnten buchstäblich über die Werkshalle hinweg auf ihre erschöpften Kolleg*innen blicken und ihre gemeinsame Sache erkennen, konnten aus erster Hand miterleben, wie ihre kreativen und kooperativen Energien von Fabriken, die ausschließlich im Interesse privater Profite arbeiteten, kanalisiert und ausgelaugt wurden.

Die Klimaarbeiter*innen von heute haben diese Klarheit nicht. Sicherlich arbeitet der Großteil der arbeitenden Weltbevölkerung weiterhin in Fabriken oder Bergbaubetrieben, wo die feindseligen Beziehungen zu den Bossen und Konzernen spürbar sind. Heutzutage verrichten jedoch Unternehmen, die Tausenden von anonymen Aktionären gehören, den größten Teil der Drecksarbeit des Kapitalismus, ohne dabei einen klaren Bösewicht zu bieten. Immer mehr Menschen arbeiten auch im formellen oder informellen Dienstleistungssektor oder im öffentlichen Dienst, wo “der Chef” noch weniger klar erkennbar ist. Außerdem hat die globale individualistische neoliberale Revolution die meisten Menschen dazu gebracht, sich nicht als unterdrückte Arbeiter*innen, sondern als Unternehmer*innen zu sehen. Viele Arbeiter*innen im Globalen Norden haben auch Renten-, Bank- oder andere Anlagen, die sie in gewisser Weise zu kleinen Eigentümern kapitalistischer Firmen machen, oder besitzen Häuser, die sie als Investitionen betrachten. Darüber hinaus ist es angesichts der enormen Ungleichheiten innerhalb der internationalen Arbeitsteilung für die Arbeiter*innen in den reichen Kolonialländern und den verarmten postkolonialen Ländern schwierig, sich auf Augenhöhe zu begegnen, zumal die Arbeit der Menschen im Globalen Süden in allen Bereichen – vom Bergbau über die Lebensmittelproduktion bis hin zur Fertigung und zu Dienstleistungen (wie der Pflege) – tendenziell das Leben der Länder im Norden bereichert, auch wenn einige davon viel mehr profitieren als andere.

Während die Arbeiter*innen des Industriekapitalismus in Westeuropa zusehen konnten, wie ihre Zeit und Energie von den kapitalistischen Institutionen in Profit umgewandelt wurde, konnten sie die Entfremdung ihrer eigenen Kräfte direkt bezeugen, während “wir” Klimaarbeiter*innen der Welt kaum “unsere” eigenen Kräfte zur kollektiven Produktion des Klimas erkennen. Es ist selbst in der Theorie nicht einfach, deutlich zu machen, dass wir alle eine abstrakte, entfremdete, kooperative Macht besitzen, um das Klima zu erzeugen, geschweige denn, diese Macht für alle Arbeiter*innen greifbar zu machen. Ältere Vorstellungen von der Arbeiter*innenklasse beruhten häufig auf der körperlichen Erfahrung von Erschöpfung, Ungerechtigkeit und Klassenhass. Was sind die gemeinsamen, verkörperten Erfahrungen der Klimaarbeiter*innen, auf denen die Organisatoren aufbauen können? Ich vermute, dass wir alle den Schrecken darüber teilen, dass wir uns auf dem Geisterschiff des Kapitalismus befinden, das in so unterschiedlichen Bereichen wie Ungleichheit, internationaler Atomkonflikt, Klimachaos und KI-Entwicklung das Leben auf der Erde zu zerstören droht. Kann man eine globale Bewegung auf der Grundlage eines gemeinsamen Schreckens mobilisieren?

Das bringt mich zum letzten Punkt: “Wir” Klimaarbeiter*innen haben keinen klaren gemeinsamen Feind. Sicherlich, eine Verständigung auf Klimaschurken ist möglich: die Vorstandsvorsitzenden der fossilen Energiekonzerne zum Beispiel, oder die Führungskräfte der Banken oder die Politiker*innen, die sie unterstützen. Aber jeder von ihnen würde – nicht zu Unrecht – behaupten, dass er lediglich die Regeln des globalen Wettbewerbs befolgt und auf die Wünsche der Verbraucher*innen reagiert. Alle wissen, dass sie sofort und vollständig ersetzbar sind und dass Tausende von Konkurrent*innen auf ihre Chance warten, das Gleiche oder Schlimmeres zu tun. Auch wenn klar ist, dass Verbraucheraktivismus eine Sackgasse ist, so ist doch an der Behauptung etwas Wahres dran, dass “wir” alle, in unterschiedlichem Maße, eine gewisse Schuld an der Klimakrise tragen, weil “wir” alle in ein kapitalistisches Verbrauchersystem verstrickt sind, das uns alle zwingt, an unserer eigenen kollektiven Zerstörung mitzuwirken, ob wir wollen oder nicht, und zwar oft auf eine Weise, von der “wir” nicht einmal wissen.

Eine solche Kritik erhebt sich selten über die Ebene des Moralismus und ist zudem von einer neoliberalen Kultur geprägt, die einzelne Verbraucher*innen oder wirtschaftliche Akteur*innen als einzige Quelle sinnvoller Handlungsfähigkeit betrachtet. Dennoch wird die Frage der Verantwortung dadurch unscharf. Es stellt eine beträchtliche Herausforderung für Denker*innen und Organisator*innen dar, die versuchen würden, “uns” zu zeigen, wie “wir” Klimaarbeiter*innen einen gemeinsamen Kampf führen. Aber der Kapitalismus ist keine Sache mit Motivationen oder Überzeugungen: Er ist eine Reihe von sozioökonomischen Beziehungen, eine Art teuflische Rückkopplungsschleife im Kreislauf der Gesellschaft oder vielleicht eine Art Virus, der seinen Wirt verschlingt. Aber wie können “wir” Klimaarbeiter*innen der Welt mobilisiert werden, um gemeinsam gegen ein System zu rebellieren, von dem “wir” selbst ein Teil sind?

Der Dreh- und Angelpunkt

Friedrich Engels und Karl Marx lieferten einen einflussreichen theoretischen Rahmen für das Verständnis der Arbeiter*innenbewegungen während des Aufstiegs des Industriekapitalismus. Und obwohl sie sich in erster Linie mit den Arbeiter*innen im industrialisierten Globalen Norden beschäftigten, wurden ihre Schriften für verschiedene Denker*innen der Black Radical Tradition wie W. E. B. Du Bois, C. L. R. James, Walter Rodney und Cedric Robinson wichtig, die sich den historischen Materialismus als Theorie der Dekolonisierung im Globalen Süden zu eigen machten. Es ist nicht mein Ziel, diese wichtigen Diskurse zu nachzuerzählen, und noch weniger, eine Bestandsaufnahme der theoretischen Probleme und Fehler zu liefern. Vielmehr interessiert mich, was der Rahmen des historischen Materialismus im Hinblick auf frühere “Arbeiter*innen der Welt” bot und was wiederum als Denkanstoß für die heutigen Klimaarbeiter*innen der Welt nützlich sein könnte.

Zunächst gilt es zu fragen, was das klassenorganisierte Gesellschaftssystem, den Kapitalismus, so besonders und so anfällig macht. In anderen klassenbasierten Systemen (z. B. dem europäischen Feudalismus oder dem mittelalterlichen hinduistischen Kastensystem) gab es eine winzige herrschende Klasse, die die Arbeit der großen Mehrheit organisierte und von ihr profitierte. Aber dort war die Arbeiter*innenklasse geografisch tief gespalten und hatte Schwierigkeiten, sich selbst als solche wiederzuerkennen. Außerdem waren diese früheren Systeme nicht von demselben Geist des unerbittlich modernisierenden Kapitalismus beseelt, der zu Engels und Marx’ Lebzeiten fast alle Aspekte des Lebens umgestaltete, darunter Landwirtschaft, industrielle Produktion, Haushaltsführung, Logistik, Welthandel, Kommunikation und Transport. Doch um so dynamisch zu sein, war der Kapitalismus gezwungen, sich auf “seine eigenen Totengräber” zu stützen: die Industriearbeiter*innen. Anstelle von Bäuerinnen und Bauern oder Leibeigenen, die auf Landgütern isoliert lebten, drängten sich Millionen von Industriearbeiter*innen in Slums und Fabriken westeuropäischer Großstädte.

Vereinzelte Landwirtschafts- und Plantagenaufstände waren in der gesamten kolonialen Welt üblich, wurden aber relativ leicht mit brutaler Gewalt niedergeschlagen, so dass das blutgetränkte Land schon bald von ihren Nachfolger*innen abgeerntet werden konnte. Im Gegensatz dazu kam es bei Aufständen der städtischen Industriearbeiter*innen nicht nur zu koordinierten Aktionen von Tausenden von Arbeiter*innen, sondern auch zur Zerstörung der Technologie und Infrastruktur der kapitalistischen Produktion. Außerdem führte der unaufhaltsame wirtschaftliche und technologische “Fortschritt” des Kapitalismus dazu, dass eine große Zahl von Arbeiter*innen regelmäßig arbeitslos wurde. Die wirtschaftliche Unbeständigkeit des Kapitalismus führte zu Preis- und Lohnschwankungen, die die Arbeiter*innen auszuhungern drohten. Dies führte zu noch nie dagewesenen Aufständen.

Wie Harry Cleaver in seinem berühmten arbeiter*innenzentrierten “Reading Capital Politically” feststellt, schrieb Karl Marx “Das Kapital“, um der industriellen Arbeiter*innenklasse eine Waffe in die Hand zu geben. Er erklärte, wie sich der Kapitalismus von allen anderen Klassensystemen in der Menschheitsgeschichte unterscheidet und wie seine Merkmale ihn anfällig für genau die Menschen machen, die er ausbeutet: die Massen der Arbeiter*innen. Zu der Zeit, als Marx und Engels das “Kommunistische Manifest” schrieben, waren sie relativ allein damit, dass sie in der Masse der arbeitslosen, übermäßig ausgebeuteten und oft wandernden Arbeiter*innen ein wirklich strukturrevolutionäres Potenzial sahen, auch wenn sie damals von vielen Radikalen als reaktionäre Kraft angesehen wurden, die bereit und sogar erpicht darauf war, die Streiks der Facharbeiter*innen in ihrer Verzweiflung um Löhne zu brechen.

Indem sie zu zeigen versuchten, dass die industrielle Arbeiter*innenklasse die Macht bereits in ihren Händen hielt, versuchten Engels und Marx zu demonstrieren, wie der Kapitalismus von dieser Klasse abhing und wie daher der Protagonismus dieser Klasse dieses System zu Fall bringen konnte, während er gleichzeitig seine technologischen Fortschritte im Namen einer zukünftigen, klassenlosen Gesellschaft bewahrte. Kurz gesagt: Aus einem grundlegenden Widerspruch innerhalb des Systems ergaben sich entscheidende strategische Möglichkeiten: Der Kapitalismus war dazu bestimmt, eine Arbeiter*innenklasse hervorzubringen, von der er abhängig war und die ihn zerstören konnte.

Haben “wir”, die Klimaarbeiter*innen der Welt, ein solches Narrativ oder eine solche Theorie? Sicherlich können wir sagen, dass der Klima-Chaos-Kapitalismus davon abhängt, dass wir unsere kreativ-kooperativen Kräfte als Arbeiter*innen nutzen, um soziale, politische und ökonomische Sphären zu erhalten, die im Großen und Ganzen den Kapitalist*innen Profit auf Kosten des Wohlergehens von allen und allem anderen bringen. Aber das ist nicht ganz dasselbe, insbesondere in einem Moment, in dem der technologische Schub des Kapitalismus es möglich (wenn auch selten profitabel) zu machen droht, menschliche Arbeiter*innen durch Roboter und künstliche Intelligenz zu ersetzen.

In den letzten Jahren haben marxistisch geprägte Theoretiker*innen dazu aufgerufen, “unsere” Aufmerksamkeit auf die primäre Abhängigkeit des Kapitalismus von der Reproduktionsarbeit zu lenken, die typischerweise Frauen aufgezwungen wird, und zwar sowohl die Pflegearbeit, die zu Hause geleistet wird, um das Leben zu reproduzieren, als auch die Arbeit auf dem formellen und informellen Arbeitsmarkt, wo immer mehr Pflegehandlungen zu Waren und Dienstleistungen gemacht werden. Dekoloniale Theoretiker*innen und Aktivist*innen haben “uns” wiederum darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Kapitalismus schon immer auf rassenspezifische und geografische Hierarchien gestützt hat, um billige Arbeitskräfte und Ressourcen bereitzustellen. Beide haben versucht, unsere Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was oft als strategischer Dreh- und Angelpunkt der kapitalistischen Akkumulation bezeichnet wird, und das kann unsere Prioritäten bei der Theoriebildung und Organisierung gegen den Kapitalismus bestimmen. Es bleibt eine offene Frage, ob die Klimakrise einen solchen Dreh- und Angelpunkt bieten kann und inwieweit der Begriff Klimaarbeiter*in eine strategisch bedeutsame Kategorie bezeichnet, um die herum “wir” mobilisieren können. (In “Climate Change as Class War: Building Socialism on a Warming Planet” lenkt Matt Huber die Aufmerksamkeit der interessierten Öffentlichkeit auf die entscheidende Rolle der hoch gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen im Energiesektor. Dies ist jedoch ein sehr viel eingeschränkterer Begriff von “Arbeiter*in” und “Klima”, als es der Berliner Gazette vorschwebt.)

Liegt im Streik oder Aufruhr oder in der Verweigerung der “Klimaarbeiter*innen” eine besondere Kraft, die tief ins Herz des Kapitalismus stößt? Wenn ja, worin besteht sie? Wenn nicht, ist die “Klimaarbeiterin” nur eine weitere Identität unter vielen, die von den Menschen freiwillig angenommen wird (und von welchen Menschen?), und die deshalb am Ende des Tages vielleicht genauso leicht wieder abgelegt wird, wenn eine neue Identität sich angemessener anfühlt oder wenn eine neue Krise am Horizont auftaucht? Vielleicht ist es so, dass “das Klima” eine der wirklich vereinten existenziellen Bedrohungen für die Zukunft aller Arbeiter*innen darstellt. Aber dann sind “wir” wieder da, wo wir angefangen haben, nämlich bei dem Problem, ob und wie die Klimaarbeiter*innen der Welt für das Grauen mobilisiert werden können. In der Tat scheint es wahrscheinlich nichts an der Angst der Arbeiter*innen zu geben, was an und für sich den Kapitalismus zum Einsturz bringen würde – wahrscheinlich ganz im Gegenteil, da solche Ängste leicht und auf tragische Weise von reaktionären und faschistischen Kräften mobilisiert werden, die Stabilität und Rache versprechen.

Eine prophetische Erzählung?

Mehr als ein Jahrhundert lang wurden die Theorien von Marx und Engels übernommen, angepasst und weiterentwickelt, um die militante und revolutionäre Arbeiter*innenagitation (und ihren reformistischen Rest) sowie die strategische Analyse zu informieren. Diese Theorien zeigten nicht nur die Schwachstellen des Kapitalismus auf, sondern versprachen auch die Unvermeidbarkeit der proletarischen Revolution. Die kapitalistischen Industriearbeiter*innen konnten nicht nur den Kapitalismus stürzen, sie waren nach dieser Auffassung in der Weltgeschichte auch in der einzigartigen Position, die Menschheit von allen Klassen zu befreien und die erste wirklich klassenlose Gesellschaft zu schaffen. Sie bot Theoretiker*innen und Organisator*innen ein prophetisches Narrativ, das zur Entstehung von Bewegungen beitrug, die zu ungeheurem Ehrgeiz und Selbstaufopferung fähig waren. Mir geht es darum, was ein solches Narrativ in Bezug auf Theorien und Organisation ermöglicht und ob der vorgeschlagene Ansatz, uns als Klimaarbeiter*innen der Welt zu sehen, ein ähnliches prophetisches Narrativ hat oder braucht.

Heute scheint das Einzige, was an der Klimakatastrophe unvermeidlich ist, die Tatsache zu sein, dass sie noch schlimmer wird. Die meisten Prognosen für die Zukunft gehen davon aus, dass das Leben immer schwieriger wird, da die Ernten ausfallen und “Naturkatastrophen” anfällige Bevölkerungsgruppen heimsuchen, was zu größeren Migrationsbewegungen und Notlagen für Milliarden von Menschen führt. Wir werden aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die nicht auf eine strahlende und vielversprechende Zukunft abzielen, sondern lediglich die schlimmsten Auswirkungen abmildern sollen. Kann ein solch düsteres Narrativ eine ausreichende Zahl von Menschen auf der ganzen Welt oder auch nur in einem bestimmten Land mobilisieren, um das erhebliche Risiko einzugehen, für einen revolutionären Wandel zu kämpfen? Nichts Geringeres als ein revolutionärer Wandel ist heute vonnöten, auch wenn ungewiss ist, welche Form diese Revolution annehmen kann und soll.

Diese düstere Erzählung verblasst sicherlich im Vergleich zu denen früherer “Arbeiter*innen der Welt”. Triumphale Prophezeiungen sagten die Bestimmung des Proletariats voraus, seine einzigartige weltgeschichtliche Mission zu ergreifen, den Kapitalismus zu stürzen und die technologischen und produktiven Apparate dieses Systems zum Wohle der Allgemeinheit zu befreien. In den mystischsten Kreisen des Marxismus war diese historische Aufgabe nichts weniger als messianisch: die Erlösung der Träume der Toten, die Ankunft von Gottes Reich auf Erden. Der russische Kosmismus sah sogar einen Horizont voraus, an dem die befreiten Wissenschaften des Kommunismus es den Toten ermöglichen würden, neben den Lebenden, zwischen den Sternen, wieder zu leben. Auch wenn dies abwegig erscheinen mag, so zeigt es doch die Art von modernistischem Optimismus, der nicht nur für die Arbeiter*innen selbst, sondern auch für die Intellektuellen, die im proletarischen Kampf den einzigen Ausweg aus der Sackgasse des Kapitalismus sahen, so inspirierend war. Antikoloniale Denker*innen und Organisator*innen griffen diese “wissenschaftlichen” Methoden auf, um zu zeigen, dass die Entkolonialisierung unvermeidlich war, und um damit eine Generation von Freiheitskämpfern zu inspirieren.

Für die Arbeiter*innen selbst diente dieses Narrativ nicht nur dazu, unglaubliche Risiken und Selbstaufopferung zu rechtfertigen, es bot auch eine heroische und triumphale Vision kollektiven Handelns. Selbst wenn du im revolutionären Kampf fällst (selbst wenn du den Machenschaften deiner eigenen übereifrigen Genossen zum Opfer fällst), wäre dein Leben Teil der Erlösung der Menschheit, des weltgeschichtlichen Sturzes der Ausbeutung ein für alle Mal. Als dieses Narrativ des Opfers in die stalinistische oder maoistische Staatskunst einfloss, wurde es zu einer der unterdrückerischsten und furchterregendsten Waffen in den Händen der Führer, die damit tiefgreifende Ungerechtigkeiten rechtfertigen konnten. Viele Menschen erinnern sich heute noch mit Unbehagen daran, dass ihnen dieses Dogma aufgezwungen wurde.

Dennoch frage ich mich laut, ob eine neue Erzählung, die sich auf den Protagonismus der Klima- Arbeiter*innen konzentriert, jemals eine solche Erzählung hervorbringen könnte, und ob sie das sollte? Können wir ohne sie auskommen? Das heute vorherrschende Narrativ ist tragisch, es verspricht ein Leben des Kampfes inmitten von Ruinen oder bestenfalls eine vage Zukunft des Post-Wachstums, die anbietet, die ungleich verteilten materiellen Genüsse und die fatale Leichtigkeit des Kapitalismus gegen eine gerechtere und nachhaltigere Rationalität einzutauschen. Hat sich irgendeine Bewegung in der Geschichte um solch enge und düstere Horizonte herum mobilisiert? Es geht jedoch nicht nur darum, dass die angebotene Zukunft mager und hart erscheint. Dieses Problem ist weniger wichtig als ein anderes: Eine triumphale, heroische Erzählung verleiht sich selbst und ihren Protagonist*innen Würde. In einer Welt, in der “wir” systematisch abgewertet werden, kann sie “uns” eine Geschichte geben, die “uns” wertschätzt. Dies kann “uns” unglaublichen Mut und Überzeugung geben und “uns” mit einem Geist der Aufopferung und des Potenzials erfüllen. Es geht weniger um konkrete Hoffnung auf diese oder jene Zukunft. Es geht mehr um das Gefühl in der Gegenwart, das Gefühl, dass du einen Wert hast, dass dein Leben einen Sinn hat, dass der Kampf sich lohnt, nicht weil er eine bessere Welt bringt, sondern weil er dich erfüllt und verändert. Können “wir”, die Klimaarbeiter*innen der Welt, jemals ein solches ermächtigendes Narrativ entwickeln? Und können wir erfolgreich sein, wenn ein solches Narrativ fehlt?

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Textreihe “Allied Grounds” der Berliner Gazette; die englische Fassung finden Sie hier. Weitere Inhalte finden Sie auf der “Allied Grounds”-Website. Werfen Sie einen Blick darauf: https://berlinergazette.de/de/projects/allied-grounds.

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