
Mit Aprilscherzen, genauer: mit erfundenen oder gefälschten, spektakulären oder fantastischen Geschichten oder Aktionen in die Irre zu führen (‚in den April zu schicken‘), bedeutet nicht zuletzt, den Alltag zu unterbrechen und magische Momente zu schaffen. Welche Möglichkeiten das Kino dafür bietet, zeigt der Film „The Prank“. Ein Gespräch mit Regisseur Benjamin Heisenberg.
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Magdalena Taube/Krystian Woznicki: Dein Film „Der Prank“ (2025) erscheint uns wie eine Liebeserklärung an das Kino. Wir müssen an die Umstände der COVID-19-Pandemie denken, an prägende Erfahrungen wie das Zurückgeworfensein auf die eigenen vier Wände (sofern man dieses Privileg genießt) und die Nähe zur eigenen Familie während des Lockdowns. In dieser Phase gerieten nicht nur die sozialen Beziehungen, sondern auch das Kino – das öffentliche, kollektive Sehen von Filmen, aber auch die Produktion für diesen Kontext – in eine tiefe Krise. Welche (direkte oder indirekte) Rolle spielte die Erfahrung der Pandemie bei der Entwicklung von „Der Prank“?
Benjamin Heisenberg: Das ist spannend, weil die Idee zum Film tatsächlich im Lockdown in Gesprächen via Zoom zwischen meinem Co-Autor Peer Klehmet und mir entstanden ist. Dieser Wunsch, einen Film mit einer großen Bewegung durch eine Stadt zu machen, der zwei Kinder zeigt, die irgendwie befreit von ihrem Alltag und ihren normalen ‚Fesseln‘ in Abenteuer stürzen, war eine zentrale Idee und hat sicher auch mit dieser Einschränkung während der Pandemie zu tun. Und natürlich sind Pranks und Streiche auch immer kleine Revolutionen, mit denen man das, was als alternativlos gilt, auf humorvolle Weise in Frage stellt, und davon gab es während der Pandemie einige.
MT/KW: Die Entwicklung von „Der Prank“ wurde im Rahmen des ‚besonderen Kinderfilms‘ gefördert, der in erster Linie darauf abzielt, originelle Stoffe für dieses Genre zu entwickeln, als Gegengewicht zur Praxis der Verfilmung vorhandener Kinderliteratur. Was den Film in unseren Augen zu einem besonderen Kinderfilm macht, ist die Tatsache, dass er aufgrund seiner Gesamtqualität – Drehbuch, Regie, Bildgestaltung, Schauspiel usw. – aber auch aufgrund der Art und Weise, wie er sein Thema behandelt, generationenübergreifend funktioniert. Es gibt nicht allzu viele Parallelen in der Filmgeschichte, aber vielleicht kann man ihn mit Filmen von Hayao Miyazaki wie „Mein Nachbar Totoro“ (1988) und anderen Filmen von Miyazakis Produktionsfirma Ghibli wie „Stimme des Herzens“ (1995) von Yoshifumi Kondō vergleichen.
BH: „Mein Nachbar Totoro“ war für meine Familie und mich ein ganz besonders prägender und im besten Sinne fantastischer Film, und natürlich habe ich auch die anderen Myazaki-Filme richtig aufgesogen. Für „Der Prank“ waren aber eher die US-Filme aus Peers und meiner Kindheit in den 1980ern Referenzen und die sind auch teilweise sehr bewusst zitiert. Zuallererst „Ferris macht blau“ (1986) von John Hughes und „Zurück in die Zukunft“ (1985). Aber auch Sergio Leones „Es war einmal in Amerika“ (1984) und natürlich „Fahrenheit 451“ (1966), François Truffauts Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ray Bradbury, werden zitiert, und nicht zuletzt der großartige Kurzfilm „Surprise“ (1995) von Veit Helmer, in dem eine Frau von ihrem Mann mit einem Kettenreaktionsprank überrascht wird. „Ferris macht blau“ war für uns besonders wichtig, weil er so eine schöne Mischung aus Freiheit und positiver Anarchie hat und das Leben auf eine schöne Weise auf den Kopf stellt.
Magie im Alltag
MT/KW: Wie in „Der Prank“ ist der Rahmen, in dem Miyazaki die Rolle der Magie im Alltag untersucht, immer eine gewöhnliche (wenn auch unvollkommene) Familiensituation. „Der Prank“ stellt die Rolle der Magie im Alltag schon im Titel in den Mittelpunkt. In Deinem Film geht es um einen Aprilscherz, der den Ablauf des Alltags unterbricht und die gewohnte Welt ein Stück weit aus den Angeln hebt. Wie hängen Alltag und Magie für Dich als Regisseur zusammen?
BH: Für mich hat die Kommunikation mit den Zuschauer*innen durch einen Film immer etwas Magisches, weil ich sozusagen einen Satz, ein Tableau, eine Choreografie in Gesten, Bildern und Tönen formuliere, die natürlich von jedem und jeder ganz anders gelesen werden, die aber auch eine kollektive Erfahrung vor der Leinwand erzeugen, die für mich immer wieder eine Glückserfahrung ist.
Aber ihr meint mit Magie aber auch einen tatsächlich unerklärlichen, zauberhaften eigentlich spirituellen Moment – und auch das habe ich im Alltag tatsächlich immer wieder erlebt. Obwohl ich aus einer wirklich naturwissenschaftlich geprägten Familie komme, hatte ich immer wieder Erlebnisse mit telepathischen Begegnungen und traumhaften Gewissheiten, die ich rational nicht erklären konnte. Das hat mich stark geprägt, wie man auch in meinem Roman „Lukusch“ (2022) lesen kann. In „Der Prank“ empfinde ich diese Qualität vor allem in der Überlagerung von Wirklichkeit und Fiktion, wenn das Leben wie eine seltsam ablaufende Kettenreaktion verläuft oder wenn ein Computerspiel und die Raserei der Schaaf-Figur mit dem Auto plötzlich verschmelzen. Natürlich hat auch das selbstfahrende Auto mit der „Beta Fahreinheit 451“ ein unerklärlich autonomes Leben – auch das gehört zu dieser Magie.
MT/KW: Zu denken ist auch an die Filme von Jacques Tati, die natürlich potenziell auch generationenübergreifend funktionieren und in denen immer wieder – etwa in „Schützenfest“ (1949) oder „Playtime“ (1967) – die Magie im Alltag an der Schnittstelle des Funktionierens bzw. Nicht-Funktionierens der modernen Welt entsteht.
BH: Auf jeden Fall. Tati ist für mich immer ein heller Stern am Himmel in all meinen Komödien, und mit Lucas und Xi Zhou und ihrer Freundin Charly, den Hauptfiguren in „Der Prank“, schauen Kinder auf eine Welt, die ihnen zum Teil sehr absurd vorkommt, und das verbindet sie sehr mit Monsieur Hulot in Tatis Filmen, der immer sehr zugewandt und liebevoll, aber oft verwirrt und fast immer fehl am Platz durch die moderne Welt irrt. Nicht nur deshalb sind die Maschinen und Konstruktionen in „Der Prank“ immer ein wenig dysfunktional, unperfekt, und der Film scheint bis zum Abspann nicht enden zu wollen, weil dieser Kosmos sozusagen immer fröhlich ad infinitum weiter klappert.
MT/KW: In „Der Prank“ wird das dialektische Spannungsverhältnis zwischen Funktionieren und Nicht-Funktionieren der modernen Welt gleich zu Beginn quasi programmatisch anhand eines Aprilscherzes vorgeführt. Der Familienvater, gespielt von Mehdi Nebbou, der bereits in Deinem Film „Schläfer“ (2005) eine wichtige Rolle spielte, hat eine hochkomplexe Apparatur gebaut, die das halbe Haus in eine Prank-Kulisse verwandelt – und deren ultimative Performance mehr schlecht als recht über die Bühne geht. Die Mutter des Hauses, die als Versuchsobjekt/Zuschauerin der Vorführung beiwohnt, kommentiert nur lakonisch: „Das räumst du dann aber auf“. Im Kleinen wird hier die große Geschichte vorweggenommen, in der es um die Welt des Geldes geht, die das kapitalistische Patriarchat aufgebaut hat. Im Zentrum steht eine Schutzgeldlieferung im Pizzakarton eines Lieferservices – ein Aprilscherz, der sich erst durch einen weiteren Aprilscherz als Fake herausstellt. Ein Aprilscherz im Aprilscherz, der die Welt auf den Kopf stellt und zumindest die kriminelle Seite der Geldwelt offen legt und komplementär dazu die Rolle von öffentlichem Ruhm reflektiert. Wenn man so darüber nachdenkt, ein ziemlich komplexes Konstrukt, das sich aber beim Betrachten nicht so anfühlt.
BH: Spannend! Ja, man kann das so lesen und wir haben uns über diesen Satz der Mutter „Das räumst du dann aber auf“ viel Gedanken gemacht. Einerseits wollten wir sie nicht in die Rolle der überforderten, humorlosen Mutter zwängen, andererseits war es bei dem Chaos ihres zärtlichen Chaoten-Manns eine sehr nachvollziehbare Reaktion. Mir fielen dabei auch aus der Kunstgeschichte die Junggesellenmaschinen ein, die auch eine Kommunikation zwischen Mann und Frau, bzw. ein Geschlechterverhältnis bespielen, dass immer zwischen Verführung, Miteinander-Schwingen, Verschmelzen, Überwältigung, Machtkampf und Unterdrückung oszilliert. So kann man diese Maschine und das Verhältnis der Eltern auch sehen.
Die verschachtelten Aprilscherze waren für Peer und mich natürlich das Herzstück der ganzen Filmkonstruktion, aber sie boten auch die wunderbare Möglichkeit, dass all das Schlimme, all die verstörenden Aussagen und Ereignisse an diesem Tag auch einfach nur ein Scherz sein könnten. Eine Lüge im positiven Sinne. „Komm mal runter von deinem [Aprilscherz] Trip“, wie es zwischen Lucas und Xi Zhou im Streit heißt, weil sie beide irgendwann wissen wollen, wann und wo der Scherz aufhört und wo die Realität anfängt, die dann auch Konsequenzen hat. Auf so einen Gedanken kann man übrigens auch ganz schlecht kommen, wenn man heute Donald Trump sieht, wie er mit Zöllen, Hungerhilfe, Entlassungen etc. jongliert.
Der Prank im Prank
MT/KW: Die Welt des Geldes wird durch die Brille des Gangster-Rap reflektiert. Die Zirkulation gefälschter Banknoten, die bereits Robert Bressons „L‘Argent“ (1983) als Beschreibungsebene für das Funktionieren oder Nicht-Funktionieren der modernen Welt reflektiert, scheint „Der Prank“ damit auf eine Ebene mit der zeitgenössischen Jugendkultur stellen zu wollen.
BH: Geld, das auch mit dem eigens für „Der Prank“ geschriebenen Rapsong „Moneyrain“ thematisiert wird, spielt im Film eine ambivalente Rolle – als Auslöser für große Begeisterung und großen Stress und natürlich auch im Reichtum als Sehnsuchtszustand. Für mich hat die ganze Finanz- und Konsumwelt einen sehr realistischen Platz in diesem Film, so wie sie heute eine gigantische Rolle in unserem Leben spielt, weil unsere Gesellschaften so durchkommerzialisiert sind. Gleichzeitig sind es die Beziehungen der Menschen im Film, die uns berühren, die uns emotional im Gedächtnis bleiben, die uns unterhalten, bewegen und inspirieren. Das heißt, es wäre schön, wenn es dem Film gelingen würde, diese Werte sozusagen wieder zurechtzurücken und die Menschen im Mittelpunkt spürbar zu machen und einen Appell für das reale, zwischenmenschliche, haptische, durchblutete Leben zu machen.
MT/KW: Gangster-Rap ein Prisma, das es dem Film auch erlaubt, mit allerlei rassistischen Klischees zu spielen und diese – wie uns in Gesprächen mit Jugendlichen, die den Film gesehen haben, bestätigt wurde – erfolgreich zu dekonstruieren. Die migrantisch gelesenen Pizzagangster, die keine Gangster sind, der Junge aus China, der als eindimensionaler Exot eingeführt wird („spricht nur Chinesisch“) und sich zu einem der eigenwilligsten und facettenreichsten Charaktere entwickelt, etc. Es lohnt sich auch, an Mehdi Nebbous Rolle in Deinem Film „Schläfer“ (2005) zu erinnern, in dem Du mit Projektionen des Anderen als Objekt der Angst spielst. So bietet „Der Prank“ nicht nur eine zeitgemäße ‚diverse‘ Besetzung – u.a. noch die schwarze Rapperin Die P –, sondern eben auch ein Reflexionsangebot über die ‚multirassische‘ Zusammensetzung der Magie im Alltag, die der Film zu entfalten versucht.
BH: Wir haben viel darüber nachgedacht und schon sehr früh im Schreibprozess bestimmte Wendungen und Reflexionen über rassistische oder geschlechtsspezifische Vorurteile eingebaut. Mich hat oft gestört, dass in der Film- und Fernsehbranche oft eine Art vorauseilender Gehorsam herrscht, was Ethnien und Geschlechterbilder betrifft, um nicht diskriminierend zu wirken. Das wurde auch mehr oder weniger von den Förderungen und Redaktionen gefordert. Peer und ich und die Casting-Agentinnen Jaqueline Rietz (Kinder) und Ulrike Müller (Erwachsene) wollten auch eine vielfältige Lebenswelt zeigen, wie wir sie in unserem Alltag erleben, aber gleichzeitig sollten die Zuschauer*innen mit ihren eigenen, mehr oder weniger modernen Rollenbildern abgeholt werden und Spaß daran haben, überrascht zu werden.
Im Moment erleben wir leider einen Backlash, was Rassismus und moderne Geschlechterbilder betrifft. Umso wichtiger finde ich es, so zu erzählen, dass wir Vorurteile überwinden und Gleichberechtigung, Vielfalt und Toleranz einfach als etwas Normales und Selbstverständliches schätzen, das zu unserer Kultur gehört.
MT/KW: In der Fragerunde nach der Filmvorführung bei der Premiere von „Der Prank“ in Berlin gab es einige interessante Wortmeldungen von Kindern. Eine davon bezog sich auf die Sequenz im selbstfahrenden Auto, in der die beiden Protagonisten in einem Schwebezustand zwischen Freiheit und Hilflosigkeit verweilen. Das Kind, das sich darauf bezog, fragte, wie es möglich gewesen ist, diese Sequenz zu drehen, wo doch selbstfahrende Autos bzw. autonomes Fahren in Deutschland verboten seien. Diese Frage, in der sich Wissen und Unwissen auf wunderbare Weise begegnen, verweist auf eine Unmöglichkeit, die der Film möglich macht, und damit auf den magischen Kern von „Der Prank“ bzw. auf den Prank von „Der Prank“. In dieser Sequenz, in der die beiden Protagonisten auch einige sehr sinnliche kontemplative Momente erleben, kommt der Film ein Stück weit zu sich selbst, erfährt die Liebeserklärung an das Kino, die „Der Prank“ macht, einen Kristallisationspunkt – und knüpft damit an viele Beiträge zur Filmgeschichte von Max Opühls bis Kathryn Bigelow an, in denen Sequenzen in Fahrzeugen wie Bahn, Bus und Auto das Medium des Sehens selbst reflektieren und zelebrieren. Schließlich ist es Dein Film selbst, der die magische Unterbrechung des Alltags darstellt, der das Angebot macht, das Funktionieren oder Nicht-Funktionieren der modernen Welt als sinnliches, magisches Abenteuer zu erleben.
BH: Das ist eine tolle Beobachtung, der ich voll und ganz zustimmen kann. Wenn wir in den Studios vor großen LED-Wänden drehen, auf denen die Wirklichkeit eingeblendet wird, ist das auch für die Darsteller*innen ein Simulator, der das Spielerlebnis beflügelt, wie später auch für die Zuschauer*innen. Die Magie beginnt also schon bei der Herstellung. Autos sind zudem interessante Orte, weil sie noch stärker als Häuser im Film vom Verhältnis von Innen und Außen leben, weil sie sich durch die Landschaft bewegen und ihre Insassen selbst zu Zuschauer*innen werden, bzw. von außen beobachtet und mit ihren Autos identifiziert werden. Das heißt, wenn wir (wie in „Der Prank“) von vorne in ein Auto schauen und zwei oder mehr Personen darin sitzen und nach vorne schauen, dann begegnen die Zuschauer*innen im Kino den Zuschauer*innen im Film und reflektieren sich selbst bzw. ihre behauptete Realität und Rollenverteilung. Den Moment des Kontrollverlusts, der sich natürlich auch auf die Situation der Zuschauer*innen im Kino bezieht und der eintritt, wenn Xi Zhou das Lenkrad loslässt, habe ich zuletzt sehr schön in Maren Ades „Der Wald vor lauter Bäumen“ (2003) gesehen, als Eva Löbau in der Hauptrolle als Fahrerin des Wagens sich während der Fahrt einfach auf den Rücksitz setzt und der Film abrupt ein offenes Ende findet.
Bei den Dreharbeiten hatten wir immer viel Spaß bei diesen Szenen im Auto, aber auch im Massage-Spa, wenn die Jungs aus dem Chaos und der Betriebsamkeit aussteigen und sich wie wir Zuschauer*innen ganz dem Genuss hingeben. In einer Zeit, in der man in der Flut von Informationen und Anforderungen ständig kommentieren, maximieren und reagieren muss, kommt mir oft der Satz des Dichters Robert Lax in den Sinn: „Opportunity knocks – sit still, it will go away“.