Im Zentrum der eurozentrischen Moderne steht die Vorstellung, dass das, was uns zu Menschen macht, die Lohnarbeit für den Lebensunterhalt ist. Eine weiße, maskulinistische Idee, die universell und inklusiv in dem Sinne sein will, dass ihre Umsetzung jede*n von Lohnarbeit träumen lassen soll – um den individuellen Konsum zu bezahlen und so die kapitalistische Produktivität und das Wachstum aufrechtzuerhalten, die den Planeten ruinieren. Um dieser toxischen, zerstörerischen Hegemonie der Lohnarbeitsgesellschaft entgegenzuwirken, müssen wir neue, noch nie dagewesene Allianzen zwischen all den verschiedenen ausgebeuteten Arbeiter*innen imaginieren und initiieren, wie die Wissenschaftlerin und Aktivistin Manuela Zechner in ihrem Beitrag zur BG-Textreihe “Allied Grounds” argumentiert.
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Die Lohnarbeit ist Teil der Hegemonie der Moderne – aufbauend auf Erdöl, Industrie, Urbanisierung, Extraktivismus und Ausbeutung – und wir können damit vermutlich nicht die Macht der Herrschenden untegraben. Wie könnten wir der kapitalistischen und heteropatriarchalen Ideologie des Lohns und der liberal-kolonialen Vorstellung von der Eingliederung in die Arbeitsgesellschaft entkommen, um Arbeit und Leben in Kontexten des sozialen und ökologischen Ruins radikal neu zu denken? In Anlehnung an feministische, dekoloniale und indigene Denker*innen ist dieser Text eine Einladung zum Aufbau von Kämpfen innerhalb, gegen und jenseits des Lohns sowie von wilden und verrückten Arbeiter*innenallianzen.
“Arbeit” ist performativ: Was wollen wir von ihr?
Wenn wir über Arbeit sprechen (oder schreiben), dann tun wir etwas Performatives. Feminist*innen wissen das seit langem, denn sie haben dafür gekämpft, dass reproduktive Tätigkeiten geschätzt werden, dass Pflege-, Gemeinschafts- und Hausarbeiten und Mühen sichtbar, gewürdigt und umverteilt werden. Subalterne und prekäre Arbeiter*innen, die unter informellen Bedingungen arbeiten, von kolonialen Regimen bis hin zur heutigen neoliberalen Ausbeutung, wussten und wissen auch, was es bedeutet, zu arbeiten, ohne als Arbeiter*in, geschweige denn als Angestellte gesehen zu werden. Sklav*innen, Diener*innen, Leibeigene, Lehrlinge, Hausfrauen, Künstler*innen, Gefangene, Arbeitslose – viele drückt das Wort “Arbeit”, auch wenn sie wissen, dass sie von der legitimierenden Macht dieser Kategorie ausgenommen sind (wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise). Sie wissen, dass sie Wert, Reichtum, Kapital für andere produzieren, sei es als Reproduktionskraft oder Reservearmee der Arbeit.
Arbeit ist eine Kategorie, in die Menschen auf unterschiedliche Weise einbezogen werden – das dient der Kapitalakkumulation. Vieles davon ist altbekannt, aber es lohnt sich, uns daran zu erinnern, um zu hinterfragen was wir denn meinen, wenn wir von Arbeit sprechen. Wichtiger noch: Was kann es heute bedeuten, innerhalb, gegen und über die Arbeit hinaus zu kämpfen, und zwar in einer Weise, die sich sowohl gegen die Ausbeutung sowie gegen Extraktion richtet? Arbeit nicht als liberales Allheilmittel gegen “Armut” oder “Klimawandel”, sondern Arbeit, die sich gegen die Verwebung von Ausbeutung und Extraktion wendet, in ihrer eigenen Logik, ihrem Wert oder ihrer Organisationsform – was für Arbeit wäre das? Wir können uns einen solchen Wandel nicht allein auf der Grundlage von Lohnarbeit vorstellen. Ökosyndikalismus muss einen tieferen Wandel beinhalten als grüne Jobs oder das Ersetzen von der einen Technologie durch eine andere Technologie, von einer Form Energie durch eine andere Form der Energie, von einer Art der Extraktivismus durch eine andere. Der Ökosyndikalismus muss, wie Dieterich und Gutiérrez schreiben, das System als solches in Frage stellen. Das hat viele Facetten; eine davon ist, über den Lohn hinauszublicken, andere Wege der Beziehung und der Organisation der Arbeit in Bezug auf das Leben zu ermöglichen.
Toxische Löhne?
Lohnarbeit ist historisch, geografisch und demografisch gesehen anekdotisch und alles andere als die einzig mögliche oder wünschenswerte Form der Arbeit heute. Arbeit als Lohnarbeit verbreitete sich zuerst in einem Kontext von Einhegungen und einer Konzentration von Landbesitz, von einem Heraustreten aus der Subsistenz um anderen zu dienen. Für die einen wird das Zuhause von der Arbeit getrennt. Im modernen Industriekapitalismus wird die Lohnarbeit zum ideologischen Kernstück der kapitalistischen und sozialistischen Fortschrittsvorstellungen. Industriearbeiterbewegungen entstehen, weil Lohnarbeit tendenziell ausbeuterisch ist: Sie bedeutet Arbeit für einen Chef, den sich die meisten Menschen nicht aussuchen können, trotz der “Freiheit”, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Die Arbeiter*innenbewegungen sind innovativ, organisieren sich und werden als Hauptakteur*innen des Wandels angesehen. In der Moderne sind sich Linke und Rechte einig: Die Lohnarbeit und ihre Arbeiter*innen sind die wichtigsten historischen Subjekte.
Aber jetzt, in unserem Zeitalter des ökologischen Zusammenbruchs, erweist sich die kapitalistische Lohnarbeit nicht nur als ausbeuterisch, sondern auch zunehmend als giftig und zerstörerisch für das lebendige Gewebe der Welt. Das gilt nicht nur für die Industriearbeit, sondern auch für die technologiebasierte Produktion und Dienstleistungen: Sie verbrauchen große Mengen an so genannten Ressourcen, Energie und Raum, die ebenso wie die Arbeit billig sein müssen. Um billig zu sein, müssen sie aus der Ferne kommen. Je weiter weg von zu Hause, desto besser. Einige werden verdrängt, andere inkludiert. Wenn die von uns, die schon immer dazugehörten, plötzlich Panik vor dem Klima- und Umweltzerfall bekommen und um unser Leben fürchten, sollten wir uns daran erinnern, dass die Gewalt der kolonialen Extraktion, Vergiftung und Vertreibung durch den Kapitalismus für all die anderen schon seit langem eine Reihe von Katastrophen ist, bzw. eine lang erahnte Katastrophe (wie Elizabeth A. Povinelli zusammen mit dem Karrabing Film Collective argumentiert).
Die zentrale Rolle der Lohnarbeit ist bei all dem nicht zufällig. Die Arbeit, die im Kapitalismus als am produktivsten gilt, ist Lohnarbeit, ob in modernen industriellen oder postindustriellen informationsbasierten Regimen. Es ist nicht die Pflege-, Erziehungs- oder Dienstleistungsarbeit, die Gesellschaften reproduziert, oft Teil öffentlicher Systeme ist und im Allgemeinen viel weniger toxisch und ressourcenintensiv ist. Und natürlich auch nicht all die unbezahlte Reproduktionsarbeit, die Gemeinschaften aufrechterhält und selbst in reichen Ländern immer noch den Großteil der Arbeitszeit ausmacht; diese Arbeit ist eine endlose Quelle der Externalisierung, die größtenteils nicht einmal gesehen, gezählt oder gewürdigt wird. Ein bekanntes Problem: Manche Arbeit wird mehr geschätzt und geschützt als andere. Der Weg zur Lösung dieses Problems ist jedoch umstritten: mehr Einbeziehung der unterbewerteten Arbeit in den Markt und die Lohnarbeit, oder mehr gemeinschaftliche Organisation der Arbeit – oder beides?
Ein Argument für die Ausweitung gemeinschaftsbasierter Arbeit: Je schwieriger die Reproduktion außerhalb des kapitalistischen Marktes wird, desto mehr Menschen werden von Lohnarbeit abhängig, und desto mehr Welten und Ökosysteme werden eingehegt und ausgebeutet. Während Löhne einigen die Möglichkeit geben, sich aus unangenehmen informellen Abhängigkeiten zu befreien, fördern sie auch größere und abstraktere Kreisläufe der Reproduktion, synchron zur extraktiven Logik des Kapitalismus. Sie führen zu mehr Abschottung, Entfremdung und Akkumulation, zu mehr Wettbewerb und differentieller Inklusion. Löhne neigen dazu, die Trennung zwischen Heim und Arbeit, zwischen Reproduktion und Produktion zu verstärken. Diese Trennung wurde als reine Befreiung ausgegeben, aber wie viele Feminist*innen, indigene Gemeinschaften, Commoner*innen und Bäuer*innen (sowie andere) bestätigen können, ist das ein sehr einseitiges Argument, das vor allem von Kapitalist*innen vorgebracht wird.
Neben den Ideen von Humanität und Fortschritt ist die Lohnarbeit ein Grundpfeiler des liberalen Denkens. Doch durch die ökologischen Krise stehen viele liberale Ideen auf wackligen Beinen. Die Menschen, Gemeinschaften und Ökosysteme, die lange Zeit ausgebeutet, vergiftet und lächerlich gemacht wurden, kommen zurück, um uns alle heimzusuchen. Der Fluss begrüßt unsere Stadt als Flut, brennende Bäume füllen unsere Häuser mit Rauch, leblose Körper werden an die Küste gespült, Gifte machen uns lautlos krank… Tausende von ökomodernen Aufrufen zur Ruhe und Millionen von grünen Jobs werden uns nicht davor bewahren. Wenn Arbeit nur Löhne bedeutet, als Geld für Konsum und also auch für Extraktivismus, für mehr Produktion und Wirtschaftswachstum, für mehr Trennung zwischen Heim und Arbeit, dann wird Arbeit unser Ende bedeuten. Egal, wie sehr wir all die anderen Lohnarbeiter*innen lächerlich machen, fürchten und verfolgen, egal, wie sehr wir sie sexualisieren, rassifizieren und entmenschlichen.
Primitive Akkumulation kann auch auf der Ebene des Imaginären stattfinden: das Reduzieren aller Vorstellungen von sozialer Reproduktion auf die Formel von bezahlter und entlohnter Arbeit, Rente, Eigentum, Konsum. Das Reduzieren aller Vorstellungen von Arbeit auf Ideen der Beherrschung von Natur, der Aneignung von Dingen, der Beherrschung Anderer. Das Reduzieren aller Debatten über Arbeit auf die liberale Hegemonialformel der Einbeziehung der Menschen in die Lohnarbeit, in die Wirtschaft, den Traum der Vollbeschäftigung. Wenn es Vollbeschäftigung und damit Vollproduktion und Vollkonsum gäbe, gäbe es dann noch einen lebendigen Planeten? Wir können (endlich) über die Idee des vollen Luxuskommunismus lachen, aber haben wir uns wirklich von seinem logischen Irrtum emanzipiert? Können wir uns Arbeit jenseits von Ausbeutung und Extraktivismus neu vorstellen, wenn wir uns nicht auch das Leben jenseits von Konsum, Privateigentum und Freizeit neu vorstellen können?
Nicht alle Kämpfe rund um die Arbeit sind die Kämpfe von Lohnarbeiter*innen
Wir müssen auf alle Kämpfe rund um die Arbeit aufmerksam machen, und – das ist der Schlüssel – auf deren verschiedenen Forderungen, Vorstellungen und Organisationsformen. Welche Konfigurationen von Arbeit ermöglichen diese in Bezug auf das Leben? Lohnarbeitskämpfe sind zwar lebenswichtig, wenn Menschen von einem Lohn abhängig sind, aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, wo, wann, für wen und unter welchen Bedingungen sie stattfinden sollen – und dass sie gleichzeitig auf Horizonte jenseits des Lohns hinarbeiten und diesen auch untergraben können.
Emanzipatorische Kämpfe um Arbeit streben nach Autonomie…
Unabhängig davon, ob sie Lohnforderungen beinhalten oder nicht, geht es bei emanzipatorischen Arbeitskämpfen immer darum, Autonomie zu schaffen und unerwünschte Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zu durchbrechen. Die Arten von Forderungen, die Menschen stellen können, um Autonomie und eine Entlohnung für ihre Arbeit zu erlangen, sind sehr unterschiedlich: vom Zugang zu Land, über Bewegungsfreiheit, Güter, Wohnungen, Löhne, Renten, Mobilität, Kontrolle über die Re-/Produktionsmittel usw.
…und Interdependenz
Wenn unsere Arbeit alles in der Welt verändern kann, dann müssen wir auch in der Lage sein, sie als die sinnvolle, gemeinschaftliche und fürsorgliche Tätigkeit zu gestalten, die wir uns wünschen. Unsere Arbeit muss einem “Wir” gehören, das nicht nur aus Menschen besteht, die über die Natur, über andere Tiere und andere Lebensformen herrschen. Wir müssen als Spezies oder Klasse nicht souverän sein, sondern sollten unsere Interdependenz wertschätzen, neu denken und ohne Angst ausgestalten.
Ökosyndikalismus gegen Stolz und Privilegien
Bei transformativen ökosyndikalistischen Kämpfen geht es nämlich nicht nur um Arbeit, sondern auch darum, wie wir leben wollen: das heisst nicht, welche Güter und Lebensstile wir uns leisten können (die ärmliche Definition von Leben oder Reichtum), sondern wie wir unser Leben gemeinsam erhalten und gestalten können. Der Ökosyndikalismus kann unseren radikalen, verwurzelten, verkörperten und situierten Wunsch stärken, aus der Dichotomie von Arbeitszeit und Freizeit auszubrechen, sowie aus der Sinnlosigkeit entfremdeter Arbeit und aus dem Stolz und der Arroganz der Industrie oder der Technik. Der Ökosyndikalismus kann die Vorstellung auflösen, dass Löhne eine Lizenz zum Ausbeuten und Konsumieren sind – ein Vorstellung, die in derselben Petromaskulinität wurzelt, die weiße, lohnabhängige Arbeiter über alle anderen Wesen stellt (Cara New Daggett hat dazu einiges zu sagen). Der Ökosyndikalismus zersetzt Bestrebungen, zur Elite der Gehaltsempfänger*innen gehören zu wollen, und schafft Arbeitskulturen, die von Verletzlichkeit und Fürsorge geprägt sind.
Lohn und Gehalt sind weder universell, noch sind sie alles, was wir uns vorstellen können…
Wenn wir also von Arbeit sprechen, sollten wir nicht nur Lohnarbeit meinen. Reproduktionsarbeit, (Erd-)Sorgearbeit oder Earthcare, Gemeinschaftsarbeit, Schattenarbeit, Subsistenzarbeit, unbezahlte Arbeit, autoregulierte Arbeit, nicht entlohnte Arbeit und so weiter – welche Kämpfe von Arbeitnehmer*innen müssen wir beachten, von welchen Kämpfen können wir lernen und auch unbequeme Lehren ziehen? Wir brauchen keine allgemeingültige Definition von Arbeit: wir sollten lieber ihre Bedeutungen pluralisieren. Vor einiger Zeit wiesen Ned Rossiter und Brett Neilson darauf hin, dass der Fordismus möglicherweise eine historische und geografische Ausnahme ist und nicht etwas, das wir verallgemeinern und für immer als Horizont nehmen sollten. Ähnlich verhält es sich mit dem Lohn.
…oder wünschen
Wer träumt wirklich von Vollbeschäftigung, Vollzeitstellen und Entlohnung für alles? Abgesehen davon, dass Vollbeschäftigung eine ideologische Fiktion ist, ist kapitalistische Lohnarbeit auch ziemlich scheiße. Sie bringt Disziplinierung, Vertrag, eine*n Chef*in, Verlust an Selbstbestimmung und weniger freie Zeiteinteilung mit sich: Ist das ein gutes Leben? Ist es besser, einen festen Lohn und wenig Zeit für Beziehungen außerhalb der Lohn-/Konsumspirale zu haben, oder hätten wir lieber mehr Zeit, um andere Arten von Beziehungen und Reproduktion aufzubauen? Zumindest für kooperative Lohnarbeit, autonomer organisiert? Diese Frage stellt sich in dem Maße, in dem befristete Jobs ins Leere führen, in dem wir nicht mehr an das Versprechen eines stabilen Jobs oder einer Karriere glauben, und in dem Maße, in dem sich Arbeit als bedeutungslos (Bullshit-Jobs) und/oder als toxisch (Batshit-Arbeit) erweist. Wir können von mehr träumen als von Jobs.
Aufbau von subversiven Bewegungen
Um das Jahr 2000 stellten die Prekaritätsbewegungen in Europa die Erreichbarkeit und Wünschbarkeit von fester und voller Beschäftigung in der neoliberalen Wirtschaft in Frage. Sie veranstalteten Mayday-Paraden von prekär Beschäftigten, bauten Netzwerke und subversiven Stolz auf, verbanden Bewegungen von Kultur- und Wissensarbeiter*innen, Migrantischen Arbeiter*innen, Sexarbeiter*innen… Nach 2008 kämpften dann Anti-Austeritäts-Bewegungen gegen Kürzungen und verteidigten den öffentlichen Sektor, bauten translokale Solidaritätsnetzwerke auf, richteten Suppenküchen und Prekariatsbüros ein, besetzten Banken und Plätze und orientierten sich an Konzepten des Grundeinkommens, der Commons- und Care-Ökonomie und des Kooperativismus. Rund um den Sommer der Migration 2015 setzten sich auch Flüchtlings-Solidaritätsbewegungen für das Arbeits- und Bleiberecht von Migrant*innen ein. Seit 2017 stellen feministische Bewegungen erneut in Frage, was es bedeutet zu arbeiten, diesmal durch Streiks. Massive Sorgestreiks schaffen Tage der feministischen Solidarität und des rebellischen Zelebrierens, an denen Männer sich um Kinder und Küchen kümmern sollen, und die die heteropatriarchale Arbeitsteilung sowie die Organisation von Sorgearbeit aufzuheben vermögen.
Inklusion, nein danke: raus aus dem Lohnhorizont und zwar in guter Gesellschaft
Feministische Streiks und commonsbasierte Sorgekämpfe fordern keine Einbeziehung in die Welt der “echten Arbeit”. In ähnlicher Weise geht es bei emanzipatorischen indigenen Kämpfen nicht darum, in die liberale Demokratie oder, wie Povinelli sagt, in den toxischen Spätliberalismus mitaufgenommen zu werden (siehe auch ihr Buch “Between Gaia and Ground“). Der indigene Denker und Aktivist Ailton Krenak zieht es vor, nicht zur “Menschheit” gezählt zu werden, einem Begriff, der die Menschen von ihren Lebenswelten trennt und zentraler Teil kolonialer Unternehmungen und der Zerstörung indigener Lebensformen ist (siehe sein Buch “Ideas to Postpone the End of the World“). Wenn randalierende Jugendliche, arbeitslose Mütter, Kleinbäuer*innen, nomadische Gemeinschaften usw. lieber nicht in die Welt der Lohnarbeit einbezogen werden wollen, dann wissen sie wahrscheinlich, warum. Sie sind unsere Verbündeten darin, aus der Sackgasse des giftigen liberalen Kapitalismus herauszukommen.
Bastard-Allianzen bilden
Um es mit den Worten von María Galindo zu sagen: Werden wir lieber Bastard-Feminist*innen, als uns von der Repräsentationslogik des modernen Staates und der Identitätspolitik vereinnahmen zu lassen (siehe ihr Buch “Feminismo Bastardo” oder dieses Interview). Lieber eine Politik der seltsamen Allianzen aufbauen, der Allianzen zwischen denen, die eigentlich nicht zusammenkommen sollten: ein gutes Beispiel dafür, würde ich sagen, sind Lohnabhängige und andere Arbeiter*innen. Wir können wilde Allianzen zwischen verschiedenen Menschen, die arbeiten, aufbauen. Wir können verschiedene Kämpfe gegen die Arbeit und für das Leben aufbauen, sowie Horizonte und Infrastrukturen, die es uns wert sind. Wir können wilde und sorgsame Streiks machen, auch subversive Forderungen stellen (“Lohn für Hausarbeit”, “Lohn für Hausarbeit”!), faulenzen und uns Arbeit sinnstiftend teilen – solche Dinge haben Auswirkungen und eröffnen neue Möglichkeiten.
Reproduktion und Verbundenheit zurückfordern
Povinelli fordert uns auf, die Vorstellung abzulehnen, dass wir uns von Tieren unterscheiden, weil wir arbeiten, weil einige von uns versuchen, menschliche Unsterblichkeit auf Kosten jener anderen aufzubauen, die gezwungen sind, die Giftmüllhalden zu bewohnen, auf denen unsere moderne Unsterblichkeit aufgebaut ist. Dabei geht es um den Kampf um die Rückgewinnung der Reproduktionsmittel, in erster Linie um das Land und unsere Beziehung zu ihm als Erde und Boden. Es geht darum, neue Verbundenheit und Verwandtschaft zu schaffen (vor allem auch “oddkin”, wie Donna Haraway es nannte). Und es geht darum, uns die Zukunft vorzustellen und zurückzublicken: um rückgängig zu machen, zu reparieren, zurückzugewinnen. Earthcare, Agrarökologie, bäuerliche Kämpfe, auf Care basierende Einkommen, selbstverwaltete Fabriken, Kooperativismus, ökologische Wiedergutmachung, Allmende-Ökonomien, Degrowth, Ländlichkeit, Interdependenz, Verletzlichkeit, und die Abkehr von der Vorstellung, dass wir die Natur kontrollieren müssen mit unserer allmächtigen Performance.
Jenseits der petromaskulinen und ökomodernistischen Angst
Wenn es darum geht, Arbeit neu zu denken und neu zu erfinden, ist immer noch viel maskulinistische, modernistische Subjektivität im Spiel – und damit verbundene Ängste und Abscheu. Es mag einen wachsenden Konsens darüber geben, dass die modernistische Petromaskulinität verschwinden muss, aber wir können nicht einfach eine ökomoderne Männlichkeit an ihre Stelle setzen. Wahrscheinlich können wir keine dieser toxischen Formen der Subjektivität rückgängig machen, ohne letztendlich “das wesentliche Emblem der modernen Männlichkeit rückgängig zu machen: einen Job, um den Lebensunterhalt zu verdienen” (Daggett). Der Stolz und die Identitätsstiftung, die mit einem Job einhergehen, haben eine Kehrseite: eine große Angst, diesen Job zu verlieren, was zu sehr reaktionären Verhaltensweisen führt. Was für fossile Arbeitsplätze gilt, trifft wahrscheinlich auch auf grüne Arbeitsplätze zu. Deshalb müssen wir uns Arbeitsformen vorstellen, die nicht durch ein kapitalistisches technowissenschaftliches Kontrollparadigma mit der Welt verbunden sind, sondern durch erdverbundene Arbeit, Gemeinschaftsmanagement und Kooperativismus.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Textreihe “Allied Grounds” der Berliner Gazette. Weitere Inhalte finden Sie auf der “Allied Grounds”-Website. Schauen Sie mal rein: https://berlinergazette.de/de/projects/allied-grounds