Dieses Jahr ist mein Kind 5 Jahre alt geworden. Das bedeutet eine Menge, wenn man 5 Jahre alt ist. Und zum ersten Mal wieder meine Stereoanlage aktiviert. Das bedeutet eine Menge, wenn man ueber 40 Jahre alt ist. Nachdem ich seit meinem Umzug nach London vor 14 Jahren alles Musikhoeren erst auf einen Kassettenrekorder verlegte und schliesslich auf einen Laptop. Endlich ohne iTunes, ohne Listen und softwarediktierte Ordnungssysteme. “Draussen am Bahnhof liegt ne alte Pizza, komm und nimm sie, worauf wartest du.” Elektroirrsinn allenorts. Gegen fortschreitend digitalisiertes Denken und Hoeren im Ja-Nein. Mehr Inkompatibilitaet.
Das Jahr hat meine Googlewut gezuechtet. Warum muss eine Primasuchmaschine sich zum Arschloch der digitalen Welt mausern? In Muenchen spielte ich gegen Street View auf einem Parkplatz. In Feldafing zeichnete ich elektronische Zeichnungen nach Richard Brautigan Lektuere, las Rainald Goetz und liess Little Boots ueber die Kopfhoerer am Laptop permanent in mein Gehoer wummern. Elektrogeilheit ueberall. Iannis Xenakis, Olga Neuwirth und das Kratzen von John Duncan begleiteten mein Housewarming Happening mit Monica Ross audio-mental. Kunst und Kinski im Hirn – das Jahr koennte so schoen zu Ende gehen.
Tut es aber nicht. Gerade begann ich diesen Text, da starb der Sohn einer Freundin im Schlaf. Do not go gentle dichtete der Waliser, wobei fuer mich zu hinterfragen ist, Herr Dichter, warum man im Angesicht von der >guten Nacht< noch widerstreben solle. 15 Jahre. Hirnschwellung. Weg. Angesichts des Todes fehlen Worte, Bilder, Toene. All die feuilletonistisch hochgespitzte Angeberei, mit der ich mich hier gemein mache, welches Musikstueck, welche Ausstellung, welches Buch kulturgestanklich >wichtig< sei - Kunst, Musik, Literatur sollten in anderen Kategorien beschrieben werden. Existenzbezogen.