>Sind die Faeden aus echtem Gold?< - >Natuerlich, die sind meine Rentenvorsorge!< So begann unser Termin mit Herrn Dr. Thomas Fischer, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank AG. Gemeint waren die goldenen Nadelstreifen an seinem feinen Anzug, die Annette Hauschild, meine Freundin und Fotografin, mit etwas spitzem Finger am Revers unseres Gegenuebers sogleich haptisch begutachtete.
Im Dezember 2001 waren wir nach Frankfurt gefahren, um den Vorstand fuer mein Projekt >1:1< zu treffen und an seinem Arbeitsplatz abzulichten. Den Film >Blackbox BRD< , in dem er hoch ueber Frankfurt im Deutsche Bank-Tower Cohiba-rauchend seine Erinnerungen ueber Alfred Herrhausen weitergibt, hatte ich mir zur Einstimmung bereits angeschaut. Zu unserer grossen Ueberraschung stiessen wir auf einen richtig sympathischen Mann, der nicht davor zurueckschreckte, mit mir im aergsten Pinzgauer Almdialekt ueber Piefkes [oesterr. Schimpfwort fuer die Bewohner Preussens] zu witzeln, um uns anschliessend ein Alt-Berliner Lied vorzusingen. Die Begegnung kam auf Initiative von Dirk Luckow, Kurator des Siemens Arts Programs, zustande. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er mich eingeladen, einen Ausstellungsbeitrag fuer die Ausstellung art & economy in den Hamburger Deichtorhallen zu entwickeln. Die Wechselbeziehung zwischen Kunst und Oekonomie sollte ich allerdings nicht autonom reflektieren, sondern im Rahmen der Projektreihe >Wirtschaftsvisionen< in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen meiner Wahl realisieren. Was tun? Ein Jahr trug ich die Einladung mit mir herum, und wusste nichts Rechtes damit anzufangen. Ich gab mich zwar nie der in buergerlichen wie bohemistischen Zusammenhaengen gleichermassen weit verbreiteten Illusion hin, dass Kunst ein marktfernes oder gar marktfreies Gebiet sei und der Kuenstler ein Schoepfer ohne Gewinnabsichten, der seine Werke nur aus hoeherem und letztlich unerklaerlichem Schaffensdrang herstellt. Im Gegenteil: In Bezug auf meine eigene oekonomische Situation stellte ich mir unter Wirtschaftsvisionen hoechst unmoralisch moeglichst fette Gewinne vor, die ich mit moeglichst geringem Aufwand abschoepfen koennte, um meinen kuenstlerischen Vorlieben weiterhin ungestoert froehnen zu koennen. Das war natuerlich nicht alles. So hatte ich in diesem Kontext zum Beispiel Probleme mit dem Begriff Zusammenarbeit: Welche Werte sollten zwischen Kuenstler und Unternehmen getauscht werden? Welcher Leistung entspricht welche Gegenleistung? Handelt es sich bei einem solchen Projekt um einen Austausch gleichberechtigter Partner oder um Auftragskunst, die sich fuer billiges Geld als Schmiermittel zwischen Unternehmen und/oder zu immer direkteren Imagetransfer-Zwecken missbrauchen laesst? Bei unserem Besuch in der Deutschen Bank fragte ich mich, ob Kandinski, Lembruck oder Kokoschka es begruesst haetten, wenn Sie wuessten, dass ihre Werke die Besprechungsetage des Vorstands der Deuschen Bank im 34. Stockwerk veredeln. Wuerde August Macke glauben, dass sein Bild im Konferenzzimmer, dass vor jeder Sitzung rituell von seinem UV-Schutzvorhang befreit wird, die dort getroffenen Entscheidungen positiv beinflusst? Die Siemens AG, vertreten durch Vorstandsmitglied Herrn Juergen Radomski, konnte sich eine gute Zusammenarbeit auf Grundlage meines >1:1< -Projektvorschlags zunaechst jedenfalls nicht vorstellen. Deshalb schien es wie ein kleines Wunder, als die Arbeit durch das Interesse von Herrn Fischer ein knappes Jahr spaeter dann doch noch Gestalt angenommen hat: >1:1< macht das Tauschverhaeltnis zwischen den Unternehmen und der Kuenstlerin selbst zum Gegenstand der Arbeit. Getauscht wurde nicht etwa Kunst gegen Geld, sondern Geld gegen Geld als Kunst. Anstatt die 30.000 DM Projektbudget von den Unternehmen entgegenzunehmen, gab ich den Unternehmen zunaechst 30.000 DM. Mit Einfuehrung des Euro am 01.01.2002 erhielt ich von den Deutsche Bank und Siemens im Umtausch 1:1 dafuer 30.000 Euro. Die Transaktionen wurde in Form von Ueberweisungsbestaetigungen und Fotos festgehalten. Im Januar schied ein Mann, mit dem ich noch kurz zuvor >zusammengearbeitet< hatte, ganz unverhofft aus dem Vorstand der Deutschen Bank aus, angeblich weil er die von Bankchef Joseph Ackermann durchgesetzte neue Manager-Struktur nach amerikanischem Vorbild nicht akzeptieren wollte. Fuer eine zur Selbstueberschaetzung neigende Verschwoerungstheoretikerin wie mich ein gefundenes Fressen. Die Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen Kunst und Oekonomie wurde damit jedenfalls um eine kuriose Anekdote bereichert.