Die Kontrolle am Eingang ist wie am Flughafen. Anhalten und in einem schwarzgestrichenen Raum die Arme ausstrecken. Bereit zum Abtasten. Anders ist der Zugang zu der Londoner Dependance des amerikanischen Finanzmoguls Bloomberg nicht moeglich.
Ich bin unverdaechtig und darf die Rolltreppe hochfahren um dann sofort wieder angehalten zu werden. Nur mit Besucherbadge komme ich weiter. Aber nicht nur ich habe ein Schild mit meinem Namen um den Hals, nein alle Bloombergmitarbeiter werden dazu angehalten, ihre Passierscheine immer ordentlich sichtbar zu tragen. So gekennzeichnet, bin ich fast unsichtbar. Keiner beachtet mich mehr. Das Unternehmen hier ist busy mit seinem Informationsfluss. Ich befinde mich in einem Panopticon, in dem die Menschen sich auf ihre Arbeit konzentieren.
>Sie koennen sich schon mal was zu Trinken oder zu Essen nehmen,< sagt die Empfangsdame zu mir, >ihre Freundin kommt gleich<. Bevor ich aber dazu komme, ist meine Freundin auch schon da. Vor uns erstreckt sich ein Saal, in dem Essen wie in einem Supermarkt dargeboten wird. Wir gehen zur Getraenketheke. Eine kleine Saftpackung reicht, denke ich. Wo bezahlen wir?, will ich fragen als mir einfaellt, dass wir nicht in einem Supermarkt sondern bei Bloomberg sind. Das Essen ist umsonst. Eine spezielle Unterstuetzung, damit dem 24-Stunden-System nicht die Luft ausgeht.
Stimmen und Bilder bombardieren mich. In den Saeulen rings um das Essendisplay sind wahlweise Fernseher oder Bloombergs Finanzterminals eingebaut. Auf den Tick genau und in Realtime zeigen die beruehmten Terminals wie die Zahlen steigen und fallen. Als Laie sagt mir das Fallen und Steigen der Zahlen nicht so viel, aber fuer Geldspezialisten pulsiert auf diesen Monitoren das Leben. Bloombergs Produkte sind Daten. Finanzdaten, die vor allem fuer die grossen Investmentbanken gedacht sind, damit sie noch mehr Geld machen koennen. Fuer diese Non-Stop-Finanz-Informations-Shops zahlt man circa 1.285 USD im Monat, und hat damit alles, was ein professionelles Finanzunternehmen zum Handeln braucht.
Ich bin auf einer Plattform, die Informationen buendelt und verteilt. Bloomberg ist ein Nicht-Ort; ich bin allein und gleichzeitig mit der gesamten Welt verbunden. Das Essen kommt Schubweise und wird zuweilen wie bei einer Raubtierfuetterung empfangen. Im Bloomberg Channel laufen immer mehrere Informationen gleichzeitig ueber den Bildschirm. Die Moderatoren sind nur auf einem Viertel der Bildschirmflaeche zu sehen. Parallele Informationsdistribution. Wechselnde Sprachen und Bilder, vorbeilaufende Menschen, auf dem Weg zu ihren Computern. Das Essen spiegelt sich in den Glaswaenden vor den Arbeitsplaetzen. Auch die Meetingraeume befinden sich hinter Glas. Durchsichtig, genau wie die Studios der Fernsehmoderatoren. Selbst die Chefs haben keine versteckten Bueros. Alles ist offen und sichtbar, und Unterscheidung erfolgt einzig durch tuerkise und rosafarbene Stellwaende, die die langen Computerreihen in kleine persoenliche Boxen unterteilen.
Jung, dynamisch, kreativ und offen moechte man sein. Aber Bloomberg ist ein sehr privates Business. Hier werden Informationen gefiltert und nur mit denen, die ordentlich zahlen geteilt. Die Frage ist nur: Wer kontrolliert die Informationen und wen kastrieren die Daten in so einem geschlossenen System? Seit einiger Zeit vertrauen die Computer bei Bloomberg den Passwoertern nicht mehr. Nur mit Fingerabdruck koennen die Mitarbeiter ihr Zugangsrecht beweisen. Um an die Schaetze des Infroamtionszeitalters zu gelangen, werden sie zu verdaechtigen corporate Bloomberg-Beings.