Seit heute bin ich Besitzerin eines mir persoenlich gewidmeten Autogramms mit seinem Konterfei vor einer Alpenlandschaft. Er laechelt mich mit seinen weissen Zaehnen strahlend an, der Blick traeumerisch und voller Zuversicht. Er ist frisch gefoent und erscheint wie von einem anderen Stern und lebt dennoch seit Jahrzehnten unter uns, aber an einigen von uns vorbei. Millionen von Menschen weltweit verehren ihn, Millionen von Menschen lieben seine Musik, lieben seine Filme, lieben ihn.
Ob in China, Australien oder Suedafrika – er ist ein Global Player der besonderen Art und dabei sehr daheimgeblieben. Er ist Hauptakteur in einem naturbelassenen, gefuehlsbetonten und politisch korrekten Universum. Ein Trendscout auf der Suche nach dem richtigen Wort am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Ein lyrischer Ton-Treffer, ein poetischer Metaphysiker, ein Sprach-Zauberer. Mit einer gigantischen Gefolgschaft aus Heerscharen von Menschenseelenfans.
Sein Marktwert erklimmt ungeahnte Hoehen, jeder Song ist ein mehrfach gekroenter Hit, seine Musik bewegt die Welt. Er verkoerpert die Fusion von Erfolg und Bodenstaendigkeit, Weltgewandtheit und Lokalitaet, Kitzbuehelheit und Bescheidenheit – kurz: er ist Yin und Yang. Meine Neugier war groesser als der Gaensehautfaktor, als meine Nachbarin vor Jahren vom Balkon aus ein Plattencover hoch hielt mit der Frage, ob ich bereit waere? Ahnungslos ging ich hinueber zu ihr, um ein paar Stunden im Vollrausch der Volksmusik zu verbringen. Eine schoene neue Welt oeffnete ihre Pforten. Eine Klangwelt, die ich seit der Mundorgel aus der Schulzeit zwanghaft unterdrueckte, bezirzte mein Ueber-Ich mit Refrain-Dauer-Loops, um mich anschliessend komatoes in eine Art schwarzes Loch von permanenter Heilheit zu saugen. So hatte ich meine Berge und meine Heimat auch noch nicht gesehen. Es war wie Zuckerwatte zum Fruehstueck, Mittag und Abendessen – und ich wollte mehr. Es faengt meistens mit dem heimlichen Wunsch nach etwas Lodenbekleidung an, bis man das erste Mal oeffentlich ein Dirndl traegt, zunaechst unauffaellig beim Christopher Street Day, spaeter selbstbewusst bei Bolle zum Einkaufen.
Hat man sich erst einmal etwas geoutet, dann sind die naechsten Schritte vorgezeichnet: die Angst, Freunde zu verlieren, laesst nach, denn man gewinnt einen komplett neuen Freundeskreis. Ist die erste Paranoia, gesehen zu werden, ueberwunden, wird der Gang zum Konzert regelmaessig. Der Koerperkontakt beim Schunkeln laesst einen Ekstase empfinden. Der Drang, immer mehr Devotionalien anzusammeln, laesst sich nun nicht mehr baendigen, nach dem Teebecher kommt direkt die Bettwaesche mit seinem Konterfei, und schliesslich nehme ich die Mundharmonika selber in den Mund – der ultimative orale Kick. Ein Muss fuer jeden wahren Fan ist die obligatorische Fanreise: eine Woche Mallorca mit ihm. Aber das hebe ich mir fuer spaeter auf, vorerst muss das Autogramm reichen. So wie durch ihn habe ich meine Berge und meine Heimat eben noch nie gesehen. Alles meins und alles wird gut. Seitdem bin ich drogenfrei und der festen Ueberzeugung, dass Deutschland seinen Superstar schon laengst hat: Osho is dead, es lebe Hansi Hinterseer!
Wow! Was für ein Wahnsinns-Text! Ich war die ganze Zeit ganz hibbelig, wer es denn nun sein würde (für ganz kurz, dachte ich an Florian Silbereisen, aber der singt ja nicht so schön). Ich hoffe, du bleibst weiterhin ein treuer Fan!