Eigentlich hiess es >Ich liebe einen Jacques Derrida< [I'm in love with a Jacques Derrida] in einem mehr als 20 Jahre alten Scritti Politti-Popsong. Der Scritti Politti-Kopf Green Gartside konnte ueber all jene nur lachen, die solche Zeilen woertlich nahmen. Sicher, Gartside verschlang die philosophischen Schriften des in Algerien geborenen Franzosen und faedelte sogar ein Treffen mit seinem Idol ein. Dennoch waren diese Zeilen weniger ein Liebesgestaendnis, als vielmehr der poetische Hoehepunkt eines Pop, der nicht mehr und nicht weniger sein wollte als sofistiziertes Zitat.
Bis heute taucht Gartsides gehauchter Satz haeufig dann auf, wenn ein theoretischer Zugang zu Pop paraphrasiert oder dann, wenn auf den Einfluss der Philosophie im Pop verwiesen werden soll. Ersteres kommt uebrigens bestens in der Publikation >Plattenspieler< zum Ausdruck – ein absolut lesenswerter Gespraechsband von drei Kulturschaffenden gleichen Jahrgangs [1955], die anhand von Popmusik ueber ihre Sozialisation reflektieren. Letzteres zeigt sich in dem Orange Press-Buch >Jacques Derrida<, das ein zugaenglicher Fuehrer zu dem Denken des vor exakt zwei Jahren Verstorbenen sein will. Und zurecht.
Dieser Band aus der von Klaus Theweleit konzipierten Reihe ist ein weiterer Beleg fuer ein tolles Konzept: Biografie und Werk durch einen selektiven Filter engzufuehren, gebuendelt auf nicht mehr als 200 Seiten. Das Buch als perfektes Pop-Album, Einstiegsdroge oder kompakte Option, einen neuen Zugang zu einem sperrig anmutenden Output zu finden, das man hier und da zitiert. Das man irgendwie zu kennen glaubt. Und das man als schon abgehakt zu den Akten gelegt hatte. Das man aber jenseits von coolem Halbwissen und studentischem Eifer, neu betrachten sollte. Kategorie: Basiswissen.
Ich habe neulich auch jemanden gesehen, der trug ein weißes T-Shirt mit dem Namen des Philosphen in Neon-Buchstaben! Diese Götzenverehrung muss endlich aufhören ;)