Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird längst nicht mehr nur in linken Kreisen diskutiert und eckt trotzdem in vielen Lagern noch an. Nun gibt es einen Entwurf für das erste nachhaltige Modell für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es kommt aus Schweden und manövriert zielsicher vorbei an Silicon-Valley-Utopien, liberalen Verklärungen und Ruhigstellungsstategien für die Überflussgesellschaft. Die Poltikwissenschaftlerin Jorinde Schulz und der Philosoph Kilian Jörg kommentieren.
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Das Versprechen eines neuen Sozialvertrags geistert durch Europa. Spätestens seit der Krise von 2008, welche die ohnehin immensen sozialen Schieflagen noch intensiviert hat, ist die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen diversen Untergrunddiskursen entschlüpft.
Mit der Schweizer Volkabsabstimmung stieg es zum ersten Mal an die Oberfläche der Mainstreammedien auf und wird nun seit Neuestem von Wirtschaftsbossen wie Telekomchef Höttges und Tesla-Vorstand Musk befürwortet und gar von der EZB und dem Weißen Haus – noch unter Barack Obama – angedacht.
Ringsum verschiedene Argumente und Versprechen haben sich mannigfaltige Befürwortungsgruppen des BGEs herausgebildet, die sich – jenseits ihrer Differenzen – durch die Suche nach Antworten auf die wachsenden Probleme in postindustriellen Gesellschaften auszeichnen. Das existierende Modell des Sozialstaats, entworfen nach einem vom Industriekapitalismus geprägten Arbeitsbegriff und Maschinenpark, passt demnach nicht mehr zu einer Zeit, die durch eine zunehmende Technologisierung und Auslagerung produktiver Tätigkeiten charakterisiert ist.
In den Kredit- und Zinswirtschaften der gegenwärtigen westlichen Länder verwischen die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit. Außerdem wird durch die Weiterentwicklung und Konzentration von Technologie angeblich immer weniger Arbeit nötig, so die schon seit spätestens Keynes bekannte Analyse. Hinzu kommt, dass im Industriezeitalter erkämpfte ArbeiterInnenrechte in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch Globalisierung und neoliberale Politiken der Prekarisierung und Flexibilisierung sukzessive unterwandert wurden.
Das BGE sei hierfür das gesuchte Update: In einer Zeit, in der die Automatisierung angeblich menschliche Arbeit immer weiter verdrängt, könne es die potenziell explosiven sozialen Folgen dieser Entwicklung abschwächen: “Es ist notwendig, um die strukturellen Veränderungen, die Automatisierung und Digitalisierung mit sich bringen, zu begleiten, Menschen weiterhin Teilhabe zu ermöglichen und bei steigender Erwerbsarbeitslosigkeit den sozialen Frieden zu wahren.” argumentiert Meera Zeramba und führt gleich ein zweites grundlegendes Argument ins Feld: kreativer und innovativer ist die Arbeitsleistung, wenn sie ohne Existenzangst verrichtet wird, welche ohnehin eine Absurdität in unseren reichen Sozialstaaten sei.
Grundeinkommen als neuer Sozialvertrag
Auch wenn die These eines “neuen Sozialvertrags” zunächst überzeugend klingt, wirft sie einige Fragen auf. Kritische Stimmen fürchten, dass die von Digitalisierung und Outsourcing überflüssig gemachten Arbeitskräfte mit dem BGE bloß eine Art Ruhigstellungspille verabreicht bekommen sollen, damit sie die Ordnung des Kapitalismus nicht bedrohen.
Vielmehr würden sie dann die gewonnene Freizeit in die (gratis geleistete) Optimierung sozialer Plattformen und das erhaltene Sümmchen in den Konsum billigproduzierter Güter stecken, und so gegenwärtige soziale und ökologische Ausbeutungsstrukturen am Laufen zu halten.
Die im Silicon Valley gepredigte soziale Innovation entpuppt sich so als Bewahrerin ökonomischer Verhältnisse. Darunter liegt der Denkfehler, dass Maschinen die Fabriksarbeit abgeschafft hätten, wurde diese doch bloß aus den das BGE diskutierenden Ländern aufgrund zu hoher Lohnkosten ausgelagert. (Die verkündete bedingungslose Freiheit wäre tragischerweise das Parken am Abstellgleis von überflüssig gewordenen Menschen in postkolonialen Ausbeutungsverhältnissen.)
Was stimmt nicht mit dem BGE?
Das Problem liegt nicht an der Idee an sich, sondern am naiven Technologieverständnis der meisten Befürwortenden. Obwohl es häufig stimmen mag, dass technologische Entwicklungen den Wegfall von Arbeitsplätzen mit sich führen, handelt es sich global betrachtet viel eher um Prozesse der Umstrukturierung von Arbeitsverhältnissen, wo Wegfall, Auslagerung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze miteinander verschränkt sind.
Außerdem ist die Arbeitsplatzreduktion keine notwendige Folge technologischer Innovation. Dies anzunehmen verkennt, dass Technik und Technologie mitnichten naturgesetzhafte innere Mechanismen haben, die “automatisch” irgendwo hinführen und weiterhin, dass der Zugang zu Technologie global gesehen extrem ungleich verteilt ist, ja diese Ungleichheit selbst die Technologie überhaupt erst ermöglicht.
Die Rede von der Automatisierung entspricht einem naiven Technologieverständis, changierend zwischen den scheinbaren Gegensätzen von Angst und Verherrlichung, welches zumeist nach der Einführung von neuen Technologien auftritt – schon Platon lässt die Automatisierungsangst als Reaktion auf die neue Technologie Schrift (die Denk- und Erinnerungsfähigkeit wird gänzlich von den Maschinen übernommen) in seinem Dialog Phaidros auftreten.
Nur ein solches fetischistisches Verhältnis zur Technologie sieht einseitig den als beinahe magisch eingestuften Nutzen der Technik, ohne die sozio-ökologische Einbettung in ein bestimmtes soziales Gefüge zu reflektieren: Technologie ist kein neutrales Werkzeug, sondern basiert auf der gezielten Indienstnahme von globalen Ungleichheiten.
Der Vorschlag von Alf Hornborg
Auf diesen Umstand weist seit Jahrzehnten der schwedische Wirtschaftswissenschaftler und Ökologe Alf Hornborg hin. Nun haben seine langjährigen Forschungen ein politisches Modell hervorgebracht, das den bisher vielversprechendsten Vorschlag für ein BGE darstellt.
Die Grundidee besteht darin, das BGE nicht in einer schon existierenden Währung auszuzahlen, sondern zu diesem Zweck eine parallele Lokalwährung einzuführen, mit der man ausschließlich innerhalb einer bestimmten Distanz hergestellte Produkte und Dienstleistungen erwerben kann. Diese Distanz kann variieren – je nach geographischer Lage und ihren jeweiligen klimatischen Bedingungen.
Das so verstandene Grundeinkommen würde als mit einer Förderung lokaler Produktion einhergehen. Es versucht die Probleme unserer gängigen Währungen, an denen sonst auch das BGE kranken würde, zu umgehen. Die Ungerechtigkeiten des heutigen Wirtschaftssystems, so Hornborg, haben nämlich vor allen Dingen etwas mit dem Design ihres allgemeinen Kommunikationsmediums zu tun: Geld.
“Geld” als Grundproblem
In einer universell einsetzbaren Allzweckwährung (GPM – general purpose money), wie es Euro, Dollar und Co. sind, wird willens oder unwillens die Ausnutzung globaler Ungleichheiten ermutigt und immer weiter verstärkt. 500 Euro, der Preis eines Smartphones, lässt sich in reichen Ländern wie Deutschland innerhalb einer durchschnittlichen Arbeitswochen erwirtschaften, während eine chinesische DurschnittsarbeiterIn Monate dafür brauchen würde.
Durch ein allgemein austauschbares (äquivalentes) Geld führen diese Unterschiede zu einer massiven Konzentration von Ressourcen und technologisch komplexe Produkten in den reichen Ländern. Solange also global prinzipiell alles in alles umtauschbar ist, wird bei den herrschenden Ungleichheiten ein BGE – welches nur innerhalb der reichen Länder diskutiert wird – die auf selben Ungleichheiten basierende wirtschaftliche Ordnung zementieren. Das gängige Wirtschaftssystem beruht auf ungleicher Ausbeutung von Mensch wie Planet, welches durch ein scheinbar gleichwertiges Geld kaschiert wird.
Implementiert man eine wie von Hornborg vorgeschlagene komplementäre Währung, die lokal limitiert ist, setzt man eine Alternative ein, die diese ökonomische Rationalität nicht mehr als alternativlos gelten lässt. Das in dieser Währung ausgezahlte Grundeinkommen ginge einher mit der Förderung lokaler Wirtschaftskreisläufe und würde das Paradox bisheriger BGE-Vorschläge, solidarisch sein zu wollen und ökonomische Privilegien eigentlich noch zu verstärken, zumindest abschwächen.
Raus aus dem Theoriegarten
Es ist außerdem vielfach effizienter als konventionelle Weisen, nachhaltige Produktion zu fördern, bei denen Institutionen wie die EU und Nationalstaaten Milliardensummen für Agrarförderung, Umweltschutz, Protektionismus etc. aufwenden, aber doch innerhalb eines Systems bleiben, dass die Probleme erst hervorbringt. Anstatt sich wie bisher mit immensen Subventionsaufwänden mühsam gegen den Strom zu stellen, schlägt Hornborgs Modell eine Änderung der Stromrichtung vor.
Elegant ist hierbei, dass man nicht auf allzugroße Widerstände stoßen würde, da der globale Freihandelsmarkt unangetastet bleibt, ihm aber eine andere, lokale, sozial und ökologisch nachhaltigere Wirtschaftsform zur Seite gestellt wird. So ist Hornborgs Vorschlag eine interessantes Hybrid aus radikalem Umdenken und unaufgeregter Pragmatik: es braucht keinen – ohnehin problematischen – großen Umsturz und visiert trotzdem (oder gerade deswegen) eine tatsächliche Veränderung an, die eine von vielen empfundene Auswegslosigkeit aufbricht.
Der im BGE angedachte neue Sozialvertrag kann nur zukunftsweisend sein, wenn ökologische Einsichten in die globalen Ausbeutungsstrukturen als Grundlage des Modell dienen. Alf Hornborg hat hierfür einen wegweisenden Vorschlag gebracht, dessen offenen und klärungsbedürftigen Punkte sich im politischen Diskurs weiterentwickeln könnten. Das BGE ist hiermit reif, aus dem Theoriegarten gepflückt zu werden und durch Parteiebenen gleichzeitig verwässert und konkretisiert zu werden.
Anm. d. Red.: Die Fotos stammen von etherlore und stehen unter einer Creative Commons Lizenz.
Die Kombination aus Grundeinkommen und lokaler Währung ist hochinteressant. In Berlin gibt es seit kurzem den FAIRO, der genau das umsetzt: http://www.fairo.cc
Der Vorschlag ist echt gut und nicht neu! Nur gibt es die Pilotprojekte bereits! Seit 2011 gibt es mehrere Komplementärwährungen mit Grundeinkommen, den “Gradido”, die BGE-Kreise, die Freebank, den Lindentaler und den Tauschring Westerwald. Woran es mangelt, ist die fehlende Unterstützung der Kommunen, denn nur wenn die Komplementärwährung auch kommunal nutzbar gemacht wird, machen genügend Menschen mit, so dass ein echtes Grundeinkommen daraus wird! In einigen europäischen Städten ist das bereits Praxis. In Deutschland müsste die rechtliche Basis dafür noch geschaffen werden.
Mit Äquivalenz (Wertgleichheit mathematisch im ökonomischen Sinn) haben Weltwährungen im Besonderen und Geld im Allgemeinen eben gar nichts zu tun. $ oder € könnte man vielleicht jeweils momentan univalent und alles zusammen multivalent nennen, nur zu den jeweiligen Kursen (manipulierbaren Preisen) handelbar, wenn Geld oder seine jeweiligen Derivate selbst zu Waren werden. Das Währungssymbol als Anhängsel ist immer eine temporäre Variable, mit der die Ziffer davor multipliziert werden muss.
Geld selbst ist ja auch lediglich Symbol und repräsentiert nur Wert, auch wenn es eine Goldmünze ist. Deren Material-“Wert” schwankt mit dem Goldpreis, ihr Geld-“Wert” schwankt gleichermaßen.
Wir erwerben beim Kauf zwar Werte, zahlen aber Preise.
Das sprachlich ständige Gleichsetzen, Vermischen oder Vertauschen der Begriffe Wert und Preis in Bezug auf Geld ist einer der größten linguistischen Tricks (Framing), mit denen unser gegenwärtiges ungerechtes Wirtschaftssystem durch (beabsichtigtes?) Täuschen aufrecht erhalten wird. In diese Kategorienfalle ist selbst ein so scharfer Analytiker wie Karl Marx getappt. rto.180114
Seit mehr als zwanzig Jahren betreiben wir mit dem Schwarzen Brett einen kleinen Internet-Marktplatz, der kostenlos, fair, auf Wunsch anonym und für jeden leicht zugänglich ist. Und garantiert konzernfrei. Irgendwann haben wir uns gefragt, warum nicht auch Geld so fair wie unser Marktplatzes sein kann. Also haben wir recherchiert. Und sind dabei auf Palai gestoßen.
Palai ist eine neuartige Währung mit garantiertem Grundeinkommen für alle. Das Grundeinkommen in Palai bekommt jede lebende Person, die sich angemeldet und verifiziert hat. Mitmachen kostet nichts und verpflichtet zu nichts. Wer einmal angemeldet ist kann sich jeden Tag ein Tagesgrundeinkommen abholen und seinem Palai-Konto gutschreiben.
Und wie wird das alles finanzert? Durch die sogenannte Evaporation. Alle Guthaben in Palai schmelzen ganz langsam ab (aktuell mit einer Rate von 1% pro Jahr). Und aus diesem Geld wird jeden Tag das Grundeinkommen für alle aktiven Teilnehmer der Währung ausgeschüttet.
Mehr Infos zu dem Grundeinkommen gibt es hier: http://dsble.de/grundeinkommen
Das noch junge Palai-Projekt scheint in der Tat ein sehr vielversprechendes zu sein. Die Wachstumsrate überzeugt genauso wie die soziale Idee dahinter. Sehr spannend… werde das auf jeden Fall verfolgen.
Hier noch einmal der link dazu:
https://palai.org/de?referrer=maritam%2B8ca174b91-ccc4-4e51-9b89-f2f134afff3c
Die Kombination aus Grundeinkommen und lokaler Währung ist hochinteressant. In Berlin gibt es seit kurzem den FAIRO, der genau das umsetzt: http://www.fairo.cc
PALAI – Ja, dieses Projekt wurde auch mir schon vor einigen Monaten empfohlen und ich habe mich kostenlos und ganz einfach per Handy-Nummer dort angemeldet. Anfangs hat man ein Tageseinkommen von ca. 350 Palai erhalten, mit zunehmender Verbreitung bekommt man täglich aktuell 166 Palai, somit sind die Menschen die die sich frühzeitig zu diesen neuartigen Versuch des BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN anmelden leicht bevorzugt. Durch die oben bereits erwähnte Tauschbörse kann man mit diesem Palais Einkommen auch jetzt schon etwas tauschen, auch untereinander kann man mittels einfacher Handy-Überweisung Palai versenden und erhalten. Somit ist dieses Experiment mittlerweile wohl das fortschrittlichste seiner Art und wird mit zunehmender Verbreitung wohl auch irgendwann mal seinen globalen Durchbruch erhalten denn JEDER Mensch mit einem eigenen Handy kann bereits jetzt daran teilnehmen. Und für Weiterempfehlungen bekommt man auch noch ein zusätzliches Palai Tageseinkommen – wirklich gut durchdacht.
Alle Fragen und Antworten dazu kann man hier gratis nachlesen
https://palai.org/?referrer=shakandar%2B879a73977-6684-4936-ac4c-803775a43a27