Grüner Kapitalismus, die Militarisierung der Gesellschaft in Aserbaidschan und Widerstände dagegen

Das Atomuim in Brüssel, die Blockade des Lachin/Berdzor-Korridors, die Wolkenkratzer von Baku, Bergbau-Anlagen und Personen, die aus Bergkarabach flüchten. Artwork: Colnate Group, 2025 (cc by nc)
Artwork: Colnate Group, 2025 (cc by nc)

Die Verbindung zwischen Antikriegs- und Umweltkämpfen ist eine zentrale Herausforderung in einer Welt, die von kapitalistischer Ausbeutung, geopolitischen Konflikten und der Klimakrise geprägt ist. Dies zeigt sich besonders in ressourcenreichen, aber politisch repressiven Staaten wie Aserbaidschan, wo der Abbau kritischer Rohstoffe, militärische Konflikte und (grüngewaschene) kapitalistische Entwicklungsstrategien eng miteinander verwoben sind – und multithematische Gegenbewegungen provoziert haben. Rovshana Orujova unternimmt eine Bestandsaufnahme.

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Einer der zentralen Widersprüche des grünen Kapitalismus liegt im Umgang mit Rohstoffen. Der Ausbau erneuerbarer Energien, Elektromobilität und digitaler Infrastruktur führt zu einem stark steigenden Bedarf an kritischen Rohstoffen wie Kupfer, Kobalt, Lithium und Seltenen Erden. Diese Materialien sind für Batterien, Solarpanels, Windkraftanlagen und andere ‚Schlüsseltechnologien‘ unerlässlich. Aserbaidschan, das über bedeutende Kupfervorkommen verfügt, spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der globalen Rohstoffversorgung für die ‚Energiewende.‘

Ein Beispiel dafür ist das ‚Grüne Energie-Abkommen‘ zwischen der EU und Aserbaidschan aus dem Jahr 2022, das den Bau eines 1100 km langen Unterwasserkabels durch das Schwarze Meer vorsieht, um Strom aus erneuerbaren Energien nach Europa zu liefern. Trotz der ökologischen Versprechungen erfordert dieses Projekt erhebliche Mengen an Ressourcen und Energie, wodurch es hohe CO2-Emissionen verursacht. Der Kupfer- und Aluminiumabbau für die Kabelproduktion, der Transport mit fossilen Brennstoffen betriebener Schiffe sowie die energieintensive Installation der Infrastruktur widersprechen den Klimazielen. Diese Dynamik offenbart, dass ‚grüner‘ Kapitalismus häufig nicht zur Lösung ökologischer Krisen beiträgt, sondern vielmehr neue Formen der Extraktion und Umweltzerstörung legitimiert – und damit neue ökologische Krisen schafft bzw. bestehende ökologische Krisen verschärft.

Militärische Aufrechterhaltung des grünen und fossilen Kapitalismus

Die Kontrolle über Rohstoffvorkommen ist oft mit militärischen Konflikten verknüpft. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Region Bergkarabach, die nach dem Bergkarabach-Krieg von 2020 und der ethnischen Säuberung der armenischen Bevölkerung im Jahr 2023 verstärkt in den Fokus wirtschaftlicher Interessen gerückt ist.

Nationalstaatliche Grenzziehung und Regulierung sowie die Kontrolle über fossile Brennstoffe und Rohstoffe sind tief in kapitalistischen Dynamiken und Mechanismen der Kapitalakkumulation verwurzelt. Der Konflikt um Bergkarabach, bei dem Truppen aus Aserbaidschan in die Region einmarschierten und ein Besatzungsregime errichteten, verdeutlicht den Zusammenhang zwischen territorialer Kontrolle und Ressourcenausbeutung im kapitalistischen Rahmen.

Nach dem Zweiten Bergkarabach-Krieg im Jahr 2020 und besonders nach der ethnischen Säuberung der Armenier*innen aus Bergkarabach am 19. September 2023 werden von Aserbaidschan umfangreiche Anstrengungen unternommen, die Region Bergkarabach als lukrativen Ressourcenknotenpunkt zu positionieren, sei es im Bereich erneuerbare Energien oder der Förderung kritischer Rohstoffe wie Kupfer, Kobalt, Gold und Silber. Das 2022 zwischen der Regierung Aserbaidschan und der britischen Firma Anglo-Asian Mining unterzeichnete Abkommen, das drei weitere Abbaugebiete umfasst, erhöhte die strategische Bedeutung der Goldminen Qizilbulag und Demirli in Bergkarabach. Diese erhöhte Bedeutung führte zur Umsetzung der Blockade des Lachin/Berdzor-Korridors, die mehr als zehn Monate andauerte und zu Hungersnöten führte. Ziel war es, Angst unter den Armenier*innen zu schüren, sodass sie keine Perspektiven mehr vor Ort haben würden.

Die Blockade des Lachin/Berdzor-Korridors durch Aserbaidschan, die zu einer humanitären Katastrophe der Armenier*innen in Bergkarabach führte, diente letztlich auch der Schaffung günstiger Bedingungen für die wirtschaftliche Kontrolle über das Gebiet. Obwohl diese Minen zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung inaktiv waren, hängte ihr Betrieb vom Ausgang des Status von Bergkarabach ab. Daher strebte Aserbaidschan eine beschleunigte ‚Friedensvereinbarung‘ und dann die ethnische Säuberung der Armenier*innen an, um diese kapitalistischen Interessen weiter zu fördern.

Kurzum: Um optimale Bedingungen für die transnationale Kapitalakkumulation und -zirkulation zu schaffen, setzte sich Aserbaidschan über das Völkerrecht hinweg und schuf ‚regionale Stabilität und Sicherheit‘, einschließlich der Gewährleistung stabiler Wirtschaftsbeziehungen, der für den kapitalistischen Produktions- und Verwertungsprozess notwendigen Infrastruktur sowie des ungehinderten Transports von Rohstoffen. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, warum es keinen nennenswerten internationalen Widerstand gegen die Vertreibung von mehr als 100.000 Armenier*innen gab.

Widersprüche des grünen Kapitalismus

Der grüne Kapitalismus, wie er in Aserbaidschan betrieben wird, ist von tiefen Widersprüchen durchzogen. Während das Land sich als Vorreiter im Bereich erneuerbare Energien positioniert und versucht, sich als ‚grüner‘ Energielieferant für Europa zu etablieren, sind die zugrunde liegenden Mechanismen von Ressourcenausbeutung und militärischer Gewalt untrennbar mit dieser Strategie verbunden. Die Politik der Regierung Aserbaidschans, die auf die Kontrolle von Rohstoffen in strategisch wichtigen Gebieten setzt, verstärkt die Umweltzerstörung und ist eng mit der globalen kapitalistischen Wachstumsdynamik verbunden, die wiederum Kriege und Klimakollaps befeuert – und damit der Umwelt- und Antikriegsbewegung diametral entgegensteht. In diesem Zusammenhang spielen Konferenzen wie die COP29 in Aserbaidschan eine zentrale Rolle bei der Schaffung neuer Märkte zur stabilen Akkumulation und Regulierung von grünem Kapital. Die damit verbundenen sozialpolitischen Konflikte, die im Hintergrund stattfinden, werden häufig übersehen.

Die Umwelt- und Antikriegsbewegungen sind nicht voneinander unabhängig zu denken. Besonders deutlich wird dies bei der Analyse internationaler Konferenzen wie der COP29, die vom 11. bis zum 22. November 2024 in Baku stattfand. Die COP29 wurde von Aserbaidschan als zentrales Ereignis im globalen Kampf gegen den Klimawandel inszeniert. Obwohl die Veranstaltung gemeinhin als Antwort auf die Klimakrise dargestellt wird, zeigt eine genauere Betrachtung, dass sie stark mit den Mechanismen des grünen Kapitalismus verbunden ist, einem System, das ökologische Lösungen mit den Prinzipien von Wachstum, Wettbewerb und Profit verknüpft. Diese vermeintlich ‚grüne‘ Agenda blendet jedoch die sozialen und politischen Konflikte sowie die Menschenrechtsverletzungen aus, die im Hintergrund stattfinden, und trägt oft dazu bei, bestehende Ungerechtigkeiten zu verstärken. In Aserbaidschan findet dies unter dem liberalen autoritären Aliyev-Regime statt, unterstützt von liberalen Demokrat*innen.

Aserbaidschan positioniert sich zunehmend als strategischer Knotenpunkt für die Rohstoffversorgung Europas. Während Baku seit Beginn des Ukrainekriegs mehr Gas nach Europa liefert, hat es gleichzeitig seine Öl- und Gasbeziehungen zu Moskau ausgebaut, potenziell, um diesen Exportbedarf zu decken. Gleichzeitig präsentiert sich Aserbaidschan als attraktiver Standort für die grün-kapitalistische Vermarktung. Präsident Ilham Aliyev bezeichnet Bergkarabach als ‚grüne Energiezone‘ und nutzt internationale Foren wie die GeoMining-Messe in Baku, um Investitionen aus dem Ausland in den Bergbau zu fördern. Dabei setzt Aliyev auf die großen Kupfer- und Kobaltvorkommen Aserbaidschans, die für die Produktion von Batterien, Kabeln für ‚erneuerbare Energien‘ und Rüstungsgütern unerlässlich sind. Die erheblichen CO₂-Emissionen, die bei der Förderung und Verarbeitung dieser Rohstoffe entstehen, bleiben jedoch unbeachtet.

Parallel dazu plant Aserbaidschan, als zentrale Transitroute für Rohstoffe aus Zentralasien nach Europa zu dienen. Denn die EU hat bereits Vereinbarungen mit Usbekistan und Kasachstan zur Förderung von Lithium getroffen – einem unverzichtbaren Rohstoff für Elektrofahrzeuge, Solarbatterien und Computer. Deshalb drängt Aliyev darauf, mit Armeniens Präsident Nikol Paschinjan so schnell wie möglich ein ‚Friedensabkommen‘ zu schließen, das Aserbaidschan die Kontrolle über den Zangazur-Korridor sichern würde – eine als ‚Transportkorridor‘ bezeichnete Route durch die zu Armenien gehörende Region Sjunik, die die Autonome Republik Nachitschewan mit Aserbaidschan verbinden soll. Da Handelsrouten über den Iran und Russland als unpraktisch gelten, gewinnt dieser Korridor zusammen mit dem ‚Transkaspischen Internationalen Transportkorridor‘ für Aserbaidschan zunehmend an Bedeutung. Durch die weitgehende Abkopplung Russlands vom Westen und den eingeschränkten Zugang zu iranischen Routen gewinnt Aserbaidschan als Rohstofflieferant für Europa an Bedeutung. Aus diesem Grund setzt der aserbaidschanische Diktator alle Mittel ein, um die Kontrolle über diesen Korridor zu erlangen. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Krieg nicht auszuschließen.

Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass der grüne Kapitalismus nicht im Widerspruch zu extraktivistischen und militarisierten Strategien steht, sondern diese vielmehr integriert und sogar befeiert. Die ‚Energiewende‘ wird genutzt, um kapitalistische Expansion und geopolitische Dominanz zu legitimieren, während Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen und militärische Konflikte weiter zunehmen.

Umweltproteste in Söyüdlü

In Aserbaidschan, einem autoritären Regime, das seit Jahren von der Familie Alijew mit eiserner Faust regiert wird, sind politische Repression und Unterdrückung der politischen Landschaft an der Tagesordnung. Das Regime hat einen repressiven Kurs eingeschlagen, um jede Form von Widerstand zu unterdrücken, auch und gerade Umweltproteste.

Ein besonders dramatisches Beispiel für diese Repression ist der Söyüdlü-Protest. Im Juni 2023 fand ein Umweltprotest im Dorf Söyüdlü im Nordwesten Aserbaidschans statt. Die Dorfbewohner*innen versammelten sich, um gegen den Bau eines zweiten künstlichen Reservoirs zu protestieren, das zu erheblicher Wasserverschmutzung, der Austrocknung von Wäldern, Luftverschmutzung sowie zu Todesfällen von Menschen und Tieren geführt hat. Dieses Reservoir dient der Entsorgung industrieller Abfälle aus der Gadabay-Goldmine, die von der internationalen Firma Anglo Asian Mining PLC betrieben wird, einem Unternehmen mit Verbindungen zur aserbaidschanischen Diktatorfamilie. Der Protest wurde gewaltsam unterdrückt: Das Dorf wurde abgeriegelt, die Polizei setzte Tränengas ein, und viele Demonstrierende wurden festgenommen – viele sind noch immer in Haft. Das Dorf ist weiterhin unter Polizeiblockade.

Umweltproteste verdeutlichen, wie Umweltkonflikte in Aserbaidschan als politische Bedrohung wahrgenommen und nicht nur unterdrückt, sondern auch mit brutaler Gewalt bekämpft werden, während die COP29 Umweltkonferenz vor Ort als Umweltschutz-Zirkus inszeniert wird, der die Realität der Repression verschleiert.

Die NoWar-Bewegung in Aserbaidschan

Die Kontrolle über Rohstoffvorkommen ist oft eng mit militärischen Konflikten verbunden, wie der Krieg um Bergkarabach 2020 zeigt. In diesem politischen Umfeld ist die NoWar-Bewegung, die sich entschieden gegen die Kriegsführung Aserbaidschans ausspricht, zu einem Symbol des Widerstands geworden.

Seit den 1990er Jahren gibt es in Aserbaidschan eine tief verwurzelte Tradition, jegliche Unterstützung für einen Dialog mit Armenien als Verrat zu betrachten. Diese Haltung verstärkte sich während des Krieges 2020, als jeglicher Versuch, den militaristischen Kurs des Landes zu hinterfragen, als anti-nationale Einstellung diffamiert wurde. Dies führte zur Entstehung der No-War-Bewegung, die sich gegen die aggressive Außenpolitik und Kriegsführung Aserbaidschans stellte. Die Graswurzelbewegung vereint verschiedene politische Kräfte, von liberalen und linksliberalen queer-feministische Gruppen bis hin zu linksradikalen Strömungen. Sie ist eine der wenigen Stimmen, die sich öffentlich gegen die militaristische Politik und die Kriegstreiberei des autoritären Staates wendet. Obwohl die Bewegung eine relativ kleine Minderheit bildet, hat sie sich als eine kraftvolle Opposition gegen die von der Regierung verbreitete, erzwungene Einheitsrhetorik etabliert. Und ist entsprechend mit harten Gegenmaßnahmen konfrontiert. Besonders queere Feminist*innen innerhalb der Bewegung sind von Repressionen stark betroffen und sind wiederholt als ‚Verräterinnen‘ und ‚ausländische Agentinnen‘ diffamiert worden – eine ähnliche Taktik wie die, die von globalen rechten Ideologien angewendet wird.

In einem politischen Klima, das abweichende Stimmen unterdrückt und verfolgt, sind diese politische Kräfte zu einem Symbol des Widerstands gegen den autoritären Kurs des Staates geworden. Dass es dabei um ‚das große Ganze‘ geht, zeigt sich wiederum im Zusammenhang mit der COP29. Hier trat die Verbindung zwischen Antikriegs- und Umweltbewegungen besonders deutlich zu Tage, da die Proteste gegen den Umweltschutzzirkus der COP29 auch von den politischen Kräften der NoWar-Bewegung mitorganisiert wurden.

Das Caucasus Feminist Anti-War Movement (C-FAM) – ein Bündnis von Aktivist*innen aus Aserbaidschan, Armenien und Georgien, organisierte am 11. November 2024, dem Eröffnungstag der COP29, eine große Demonstration in Tiflis, Georgien. Unter dem Motto ‚COP29 – Stop fueling oppression!‘ und mit Unterstützung von Greta Thunberg protestierten die Teilnehmenden gegen autoritäre Politik Aserbaidschans sowie gegen die Inhaftierung und Unterdrückung von Aktivist*innen. Diese Demonstration brachte die Aufmerksamkeit auf den Umweltprotest in Söyüdlü und die ethnische Säuberung der Armenier*innen aus Bergkarabach, die von Aserbaidschan durchgeführt wurde. Die Reaktion des aserbaidschanischen Staates auf diese Demonstration war heftig. Die Regime-nahen Medien starteten eine Hetzkampagne, in der die Aktivist*innen als Landesverräter*innen bezeichnet wurden. Dies zeigt die enge Verbindung zwischen autoritären Regimen, deren Wirtschaftspolitik auf grünem Kapitalismus basiert, und ihrer Repression von politischen Bewegungen. Das Beispiel der Proteste gegen die COP29 zeigt aber auch, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht isoliert betrachtet werden kann. Es ist ein Kampf, der in den größeren Kontext von Antikriegsbewegungen, sozialen Gerechtigkeitskämpfen und dem Widerstand gegen autoritäre Regime eingebettet ist.

Untrennbar miteinander verknüpft

Die Tatsache, dass diese vielen unterschiedlichen Kämpfe einen gemeinsamen Nenner haben, zeigt nicht zuletzt, wie wichtig es ist, ökologische und soziale Transformation miteinander zu verbinden. Ein wahrer Wandel in der Klimapolitik erfordert nicht technologische Innovationen, sondern einen grundlegenden Umbruch in der sozialen Struktur des Kapitalismus. Kurz, eine fundamentale Transformation der globalen Wirtschaftsordnung: weg von Wettbewerb, Wachstum und Profit, von modernisierend-affirmativen Strategien, hin zu solidarischen und ökologischen, transformativen Strategien.

Wirkliche Lösungen können nur außerhalb der kapitalistischen Wachstumslogik liegen. Konzepte wie Degrowth und eine solidarische Ökonomie setzen auf eine Abkehr von Rohstoffausbeutung und kapitalgetriebener Umweltzerstörung. Notwendig sind transnationale Bündnisse, die kapitalismuskritischen Umweltkämpfe mit sozialen Bewegungen gegen Krieg, Autoritarismus und extraktivistische Ausbeutung verbinden. Antikriegs- und Umweltkämpfe sind untrennbar miteinander verknüpft: Nur eine Welt ohne kapitalistische Rohstoffkriege kann auch eine ökologische Zukunft ermöglichen.

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