Marktorientierte Lösungen für die Klimakrise, etwa Kohlenstoffmärkte, schaffen neue Geschäftsmöglichkeiten für den Globalen Norden, verursachen aber eine schwere Last, die letztlich die arbeitende Landbevölkerung im Globalen Süden trifft, und zwar überproportional Frauen, da die betroffenen Haushalte zunehmend auf die unbezahlte produktive und reproduktive Arbeit der Frauen angewiesen sind, um auf den anhaltenden Verlust von Ressourcen und Existenzgrundlagen zu reagieren, argumentiert Natacha Bruna in ihrem Beitrag zur BG-Textreihe “Allied Grounds”.
*
Die Agrar- und Wirtschaftspolitik vieler afrikanischer Länder war die Hauptantriebskraft für die Dominanz des Extraktivismus und die Produktion und Reproduktion der Unterentwicklung. Groß angelegte Investitionen in die Rohstoffgewinnung sind eine wichtige Triebkraft für Enteignungen im Allgemeinen und Landenteignungen im Besonderen, die zu einer Verschärfung der Armut auf lokaler Ebene führen (zusammen mit der Schaffung und Anhäufung von Reichtum von außen) und die die bereits bestehenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern noch verstärken. Die unmittelbaren Auswirkungen der derzeitigen Umweltkrise sind angesichts der in diesen Ländern festgestellten Umweltanfälligkeit zu einer großen Herausforderung geworden.
Angesichts der sich verschärfenden globalen Umweltkrise und des internationalen Ziels, bis zum Jahr 2050 eine Netto-Nullbilanz zu erreichen, ist der neue Kampf um Afrika “grüner” denn je, nicht unbedingt wegen seiner Umweltfreundlichkeit, sondern wegen seiner grünen Legitimationsstrategien und dazugehöriger Narrative.
Im Laufe der Jahre haben landbasierte Investitionen, Projekte und politische Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels und zur Anpassung daran zugenommen. Sie zielen auf die Produktion von Kohlenstoffgutschriften und natürlichen Ressourcen ab, um die Energiewende und die globale Auferlegung von Emissionsreduzierungen oder Kompensationen zu unterstützen. In diesem Beitrag wird untersucht, wie es wieder einmal die Ressourcen und die Arbeit des Globalen Südens sind, die die globale Industrialisierung, die Akkumulation und den Lebensstil auf Kosten der arbeitenden Landbevölkerung des Globalen Südens (insbesondere der Frauen) nähren oder subventionieren, indem sie ihren notwendigen Konsum reduzieren und die Selbstausbeutung ihrer eigenen Arbeit weiter fördern.
Kohlenstoffmärkte und die Produktion von Kohlenstoffgutschriften: Grüner Extraktivismus und Enteignung von Emissionsrechten
Über die Diagnose der direkten Auswirkungen von Klimaschwankungen oder extremen Wetterereignissen hinaus ermöglicht uns die Betrachtung der Auswirkungen, die sich aus der Umsetzung von Abschwächungsmaßnahmen ergeben, zu verstehen, wie diese “Klimalösungen” einen weiteren marktorientierten und hochgradig finanzierten Ressourcenrausch darstellen, der sich hinter grünen Politiken und Narrativen mit hohen Profitraten für verschiedene Gruppen mächtiger Akteure verbirgt. Ähnlich wie in früheren Fällen sind auch hier negative Auswirkungen und soziale Ausgrenzung nachweisbar (Bruna, 2022; Bruna, Monjane und Samuel, 2022; und viele andere). Diese Trends bilden die neue Grenze der Akkumulation und Mechanismen zur Gewinnung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen mit geringer oder gar keiner Entschädigung.
Einer der wichtigsten ist das Aufkommen von Kohlenstoffmärkten. Die meisten Klimaschutzprojekte, die darauf abzielen, “Kohlenstoffgutschriften” zu produzieren, sind durch verschiedene Mechanismen auf ländliche Gebiete ausgerichtet: (1) die Wiederherstellung von Schutzgebieten, um die Kohlenstoffbindung zu maximieren (z. B. REDD+); (2) das Erzwingen der Umstellung traditioneller landwirtschaftlicher Praktiken auf “nachhaltigere” landwirtschaftliche Systeme (z. B. klimafreundliche Landwirtschaft); (3) das Vorschreiben der Verwendung “sauberer” Technologien (wie saubere Kochherde oder Solaranlagen) für ländliche Haushalte, die ihre Emissionen reduzieren wollen; (4) die Förderung “grüner” Investitionen wie Baumpflanzungen, Biokraftstoffproduktion, Projekte für erneuerbare Energien, die großflächig und landbasiert sind.
Diese Projekte führen nicht nur zu einem verstärkten Ansturm auf Land und Ressourcen, sondern auch zu Veränderungen in der Lebensweise der ländlichen Haushalte, ihrer Beziehung zu ihrem Land, ihren Anbaumethoden und ihren allgemeinen Lebensstrategien. Diese Veränderungen bedeuten für die Haushalte arbeitsintensivere Anbaumethoden sowie arbeitsintensivere Sicherung der Existenzgrundlagen, d. h. mehr Selbstausbeutung von Arbeitskraft durch die ländlichen Haushalte, um den Verlust von Lebensgrundlagen und Ressourcen zu kompensieren. Darüber hinaus führen Kohlenstoffbindungsprogramme insgesamt zu einem eingeschränkten Zugang zu Waldressourcen und anderen ökologischen Ressourcen, die für den Lebensunterhalt der ländlichen Bevölkerung entscheidend sind. Mit anderen Worten: Um Kohlenstoffgutschriften zu erhalten, müssen ländliche Haushalte Emissionen vermeiden oder unterlassen, damit die Käufer*innen (Verursacher*innen) ihre Emissionen anderswo auf der Welt kompensieren können.
Dies ist der Kern des so genannten grünen Extraktivismus, bei dem das zu fördernde Gut in Wirklichkeit die “Emissionsrechte” der Landbevölkerung sind, die dann in Form von Kohlenstoffgutschriften an externe Akteure (multinationale Unternehmen und Industrieregionen) übertragen werden, wodurch die Verursacher*innen zusätzliche “Lizenzen für die Verschmutzung” erhalten. Entsprechend basiert grüner Extraktivismus auf der Enteignung, dem Abbau und der Übertragung von Emissionsrechten, die auf marktwirtschaftlichen und finanzialisierten Mechanismen beruhen, die eine weitere Kommodifizierung der Natur und negative Auswirkungen auf die arme Landbevölkerung mit sich bringen. Somit lässt sich anhand des Extraktivismus-Rahmens nachvollziehen, wie Emissionsrechte der armen Landbevölkerung entzogen, in Kohlenstoffzertifikate umgewandelt und zugunsten der externen Akkumulation/Industrialisierung übertragen werden. So gesehen sind Emissionsrechte, insbesondere im Falle ländlicher Haushalte, die Fähigkeit, ökologische Güter rechtmäßig zu nutzen und davon zu profitieren: Waldressourcen für den Lebensunterhalt zu nutzen, Landwirtschaft ohne auferlegte Beschränkungen zu betreiben usw. (Bruna, 2023).
Die extraktivistische Logik der Kohlenstoffgutschriften besteht darin, dass die Klimawandel-Abschwächung auf der Prämisse beruht, dass Subsistenzbäuer*innen, beispielsweise im ländlichen Mosambik, die Jagd oder den Fischfang einstellen muss, damit eine Fabrik in einer Industrieregion weiterhin Treibhausgase ausstoßen kann. Insgesamt werden nicht nur die direkten Auswirkungen der Klimakrise, sondern auch die Lösungen für die Klimakrise auf die Schultern von Akteuren gelegt, die kaum zur Krise beigetragen haben: arme Länder und die Landbevölkerung. Sie werden in mehrfacher Hinsicht benachteiligt, weil sie sich den Anforderungen, Lebens- und Produktionsweisen der Industrieregionen anpassen müssen.
Weitere Ausbeutung von Arbeitskräften zur Subventionierung der globalen wirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen: Geschlechtsspezifische Implikationen
Die Politik der Arbeit im Kontext des grünen Extraktivismus ist ein Bereich, der noch erforscht werden muss. Was auf der Hand liegt, ist, dass es wichtig ist zu verstehen, wie verschiedene Projekte, die auf Schadensbegrenzung, Kohlenstoffbindung und Emissionsreduzierung abzielen (in der Summe die Produktion von Kohlenstoffgutschriften), die Arbeitsbelastung der betroffenen ländlichen Haushalte darstellen und erhöhen. Obwohl in Fällen von grünem Extraktivismus für den Naturschutz im Vergleich zu anderen Varianten des Extraktivismus, wie z. B. dem agrarischen Extraktivismus, weniger Arbeitskräfte ausgebeutet werden, haben verschiedene Erfahrungen aus dem ländlichen Mosambik gezeigt, dass das Verständnis ein anderes ist, wenn wir die Ausbeutung von Arbeitskräften innerhalb des Haushalts als eine Strategie zur Bewältigung des Ressourcenverlusts und der Strategien zur Sicherung des Lebensunterhalts infolge des grünen Extraktivismus betrachten.
Die Landbevölkerung ist zwar nicht direkt von solchen Projekten betroffen, aber der Prozess der Enteignung von Emissionsrechten untergräbt die soziale Reproduktion und stellt eine zusätzliche Belastung für sie dar, insbesondere für die weibliche Landbevölkerung. Dies deckt sich mit Shivjis Auffassung vom Begriff der arbeitenden Menschen, der erklärt, dass die primitive Akkumulation im Neoliberalismus “der Prozess der Überschussgewinnung durch das Kapital ist, der auf der Enteignung eines Teils des notwendigen Konsums der Produzent*innen beruht. Dies ist dann die materielle Basis, die allen Sektoren dessen, was ich als arbeitende Menschen bezeichnet habe, gemeinsam ist” (Shivji, 2017). Shivjis Konzept der arbeitenden Bevölkerung beschreibt verschiedene Segmente der Landbevölkerung, die der Ausbeutung unterliegen, darunter formelle Arbeiter*innen, informelle Arbeiter*innen, Bäuer*innen, Frauen, die arme Landbevölkerung und so weiter.
So ermöglicht Shivjis Konzept, den Prozess zu verstehen, durch den die arbeitende Landbevölkerung und ihre Arbeit in einem nach Geschlecht und Klasse differenzierten Ausmaß sowohl die globalen Umweltziele als auch die hinter den Klimawandelabschwächungsnarrativen und -zielen verborgenen wirtschaftlichen Agenden effektiv subventioniert. Die Last der marktorientierten und letztlich “postkolonial-kapitalistischen” (Kalyan Sanyal) Lösungen für die Klimakrise wird von den Frauen auf dem Lande getragen, da die betroffenen Haushalte zunehmend auf die unbezahlte produktive und reproduktive Arbeit der Frauen angewiesen sind, um auf den anhaltenden Verlust von Ressourcen und Existenzgrundlagen zu reagieren.
Auswege: Politische Energien auf die Verfolgung nicht-extraktivistischer Alternativen umlenken
Trotz Widerständen und Kritik werden die Kohlenstoffmärkte von der African Carbon Markets Initiative als Klimalösung und Wachstumschance für afrikanische Länder propagiert (von den Vereinten Nationen, USAID, Bill und Melinda Gates Foundations und anderen unterstützt), um Kohlenstoffgutschriften zu einem der wichtigsten Exportgüter in Afrika zu machen.
Dieser Text soll die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass wir, bevor wir den Kohlenstoffmärkten und der Produktion von Kohlenstoffgutschriften Vorrang einräumen, verstehen sollten, dass dies zu einer Enteignung von Ressourcen und Land, negativen Umweltauswirkungen (z. B. im Fall von Baumplantagen), negativen Auswirkungen auf den Lebensunterhalt und die Entwicklung im ländlichen Raum führen kann (Bruna, 2022; Bruna, Monjane e Samuel, 2022; Jindal et al, 2012; Tramel, 2016; Tienhaara, 2012). Wissens-, Regulierungs- und Rechtslücken (in Bezug auf Eigentumsrechte, Entschädigungsmechanismen, Preisgestaltung usw.) tragen zu dem mit diesen Systemen verbundenen Risiko bei.
Unterm Strich lässt sich festhalten, dass diejenigen, die nicht zur aktuellen Krise beigetragen haben, in mehrfacher Hinsicht eine schwerere Last tragen: sowohl die direkten Auswirkungen des Klimawandels als auch die negativen Folgen marktbasierter Lösungen. Ein Ausgangspunkt für ein Überdenken der Strategien und Lösungen zum Klimawandel sollte daher die Frage sein, wie die arme Landbevölkerung von einer von oben nach unten gerichteten, marktorientierten Klimaschutzpolitik betroffen ist, die extraktivistische Entwicklungsmodelle und einen ungleichen wirtschaftlichen und ökologischen Austausch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern unterstützt. Ein solches Umdenken sollte lokale Herausforderungen und Interessen nicht nur berücksichtigen, sondern ihnen auch Vorrang einräumen, wobei die Beteiligung lokaler Akteure und die Anerkennung lokalen Wissens von zentraler Bedeutung sind.
Die Abkehr von Top-Down-Lösungen und die Ko-Konstruktion von Lösungen für die Klimakrise sind ein Weg, um Ausgrenzung und Ausbeutung zu überwinden. Ein erster Schritt besteht darin, die historischen und aktuellen Beiträge zur Umweltkrise zu berücksichtigen und diejenigen, die am meisten dazu beigetragen haben, zur Verantwortung zu ziehen. Kohlenstoffmärkte, Emissionsreduzierung und -handel mögen die Lösung sein, eine Geschäftsmöglichkeit für Annex-I-Länder, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass dies die Lösung und Priorität für die sogenannten “Entwicklungsländer” ist, auf die diese Projekte abzielen.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Textreihe “Allied Grounds” der Berliner Gazette. Weitere Inhalte finden Sie auf der “Allied Grounds”-Website. Schauen Sie mal rein: https://berlinergazette.de/de/projects/allied-grounds/