Auf einem blauen Hintergrund haengen sechs quadratische Rahmen nebeneinander. Sie drehen sich um ihre eigene Achse und werden in Leserichtung nacheinander mit Bildern gefuellt. Nach einer Umdrehung werden die Bilder wieder ausgeblendet. Just in diesem Moment fuellt sich der Rahmen mit einer Farbe: erst gruen, dann dunkelblau, zuletzt beige-orange. Die Bilder, die einen Wimpernschlag lang aufflackern, zeigen junge Menschen. Froehlich, vertraeumt und zufrieden spielen sie mit einem Globus.
Dieses imperiale Attribut von getauften Koenigen und Kaisern schmueckt hier Hoffnungstraeger, potentielle Global Influentials, die vor einer Ausbildung stehen. Passend dazu bezeichnen die Bilduntertitel Orte des Lernens: Technik Akademie, IT-Consulting Akademie und Media Academy. Kurz bevor diese mit Flash animierte Intro einer inzwischen inexistenten Siemens-Webseite vorbei ist, werden ein paar selbstbeweihraeuchernde Daten ueber den Konzern eingespielt, der diese Bildungsangebote macht. In der >Wir ueber uns<-Sektion, klingt ein Versprechen an: Unabhaengig vom Schulabschluss, sollen alle einen Karrierestart nach Mass ermoeglicht bekommen. Die Losung lautet >Go.Spin the Globe.< Der Globus, herkoemmlich ein Symbol der Macht, repraesentiert hier Selbstermaechtigung. Auch andernorts, auf Werbemotiven von Banken, IT-Unternehmen und Telekommunikationskonzernen wird dem Betrachter symbolisch immer wieder die Weltkugel ueberreicht. Frei nach dem Motto >We put the world of business in your hands<. Haeufig wird fuer ein solches Angebot das Blue Marble-Ikon eingesetzt. Die blaue Murmel wird dem Betrachter wie ein Ball zugespielt und so wundert es wenig, dass sie mal in der Groesse eines Hand-, Basket oder Medizinballs, mal in der Groesse einer Bowling-, Billiard- oder Boulekugel auftaucht oder gar als Jo-Jo. Neben dem spielerischen Motiv, kehrt vor allem das magische Moment mit Verweisen zur Welt des uebernatuerlichen und uebersinnlichen immer wieder. Ein gutes Beispiel dafuer ist eine Anzeige des IT-Dienstleisters engage. Sie ist als vielschichtig-transparente, atmosphaerisch an die Science Fiction-Serie >X-Files< angelehnte Computerkollage gestaltet: Zahlen- und Buchstaben-Codes ueberlagern ein Gewirr von technisch-geometrischen Figuren, welche in freischwebenden Konstellationen ineinander greifen. Bei leicht zugekniffenen Augen wird ein Grundmotiv erkennbar: ein transparenter, lediglich mit Laengen- und Breitengraden umrissener Globus. Hinter dem Globus erhebt sich eine gruenlich-schimmernde Hand, so, als sei sie im Begriff nach ihm zu greifen. Ihren Fingerkuppen sind jeweils ueberdimensional grosse Fingerabdruecke vorgelagert. Dreieckig geformte Knoepfe sind jeweils links, rechts und unterhalb des Globus angebracht. All das erinnert an verglaste Multimedia-Armaturen, wie sie der Hollywoodfilm in den vergangenen Jahren immer wieder in den Hauptzentralen von Sicherheitsunternehmen, staatlichen Behoerden und anderen Niederlassungen der Macht zeigt. Ich denke da etwa an den War Room der Firma Precrime in Steven Spielbergs >Minority Report< [2002]. Post-industrielle Arbeit hat hier Bilder gefunden, die wie ganz nebenbei die gegenwaertigen Verhaeltnisse beschreiben, ohne ihre eigentliche Funktion zu unterschlagen. In jeder vernehmbaren Bild-aeusserung soufflieren sie >I want you<. Daran erinnert auch der als Imperativ gesetzte Firmenname: engage (in der deutschsprachigen Uebersetzung: Beteilige Dich!). All dies kann man auch direkter, schneller kommunizieren, wie in der Anzeige eines IT-Unternehmens aus Italien geschehen: Das Blue Marble-Ikon selbst stellt hier einen Fast Forward-Knopf dar. In der antiken Konzeption steht die Kugelform fuer das Hoechste in allen Disziplinen. Sie repraesentiert die Krone der Schoepfung, jenes Maximum, zu dem sich kein Gegensatz, kein Fremdes, kein Anderes denken laesst. Zu Beginn der Nuller Jahre, in den Hochzeiten der New Economy, wurde diese Logik modifiziert und ansatzweise ueberboten. Der Globus steht fuer keine hoehere Macht, sondern fuer Selbstermaechtigung. Nicht Herrscher, sondern Durchschnittsbuerger sind hier die Protagonisten. Jene haben die Kugel nicht nur unter Kontrolle, sondern erzeugen sie auch gottgleich. Auf der Anzeige einer kalifornischen Jobvermittlungsagentur etwa, schwebt sie in rosa-rote Farben getaucht von einem Leuchtkranz umgeben ueber der geoeffneten Handflaeche eines jungen, zuversichtlich dreinblickenden Jungunternehmers. Er fordert die Zielgruppe dieser Werbung heraus: >Power your future<. Und beruhigt sie gleichzeitig: >The power is in your hands<. Selbstsicher haelt er die Kugel, die er ohne sie anfassen zu muessen unter Kontrolle zu haben scheint, dem perspektivisch ueber ihm situierten Betrachter entgegen. In der Anzeige einer Telefongesellschaft aus Japan sitzen zwei Kinder in einem antiquierten Bibliothekszimmer vor einem grossen Buch, aus dem eine leuchtende Kugel hervorgeht. So sehr sind sie von der kreisrunden Erscheinung eingenommen, dass beide Augenpaare von dem Leuchtkoerper geradezu hypnotisiert sind. Die Haende umgeben ihn erfuerchtig-tastend, als wollten sie sich an ihm waermen, als haetten sie Angst ihn mit einer falschen Bewegung zu zerstoeren: Auf der Oberflaeche zeichnen sich zarte Strukturen ab, die an eine biologische Zelle erinnern. Eine Katze, die dieser Versuchsanordnung auf dem Studierpult neben den beiden beisitzt, schaut wie gebannt zu. Allerdings nicht auf die Erscheinung, sondern auf das vor ihnen liegende Buch, so als koenne sie nicht glauben, dass das nicht identifizierbare Flugobjekt, aus seiner ueberbelichteten Mitte getreten ist. Bildung und Schoepfung werden hier beziehungsreich miteinander ins Verhaeltnis gesetzt, ein Begriffspaar, das den klassischen Konnex von Wissen und Macht ueberlagert und im Zuge der Demokratisierung von Technik erweitert. Besonders an den transparent-leuchtenden Globen ist, dass sie sich dem unmittelbaren Koerperkontakt entziehen. Sie sind nicht fassbar, gewissermassen ein Abstraktum, so wie die immaterielle Arbeit unserer Zeit oder wie die Prozesse, welche die Globalisierung vorantreiben und sich der Repraesentation entziehen. So gesehen schlummert in dieser aesthetik ein leiser Widerspruch zu der Selbstermaechtigungslogik. Schliesslich kann etwas, dass uebersinnlich ist, sich also der haptisch-sinnlichen Erfahrung entzieht, nicht nach Belieben in die Hand genommen und geformt werden. Das Blue Marble-Ikon als Kristallkugel exemplifiziert wohl am besten, was ich damit sagen will: Als Schnittstelle zur Kontaktaufnahme mit Vergangenheit und Zukunft schreibt sie die Rhetorik der Selbstermaechtigung fort. Man wird ueblicherweise dazu aufgefordert, die Welt in die Hand zu nehmen. Gleichzeitig, und das ist die Kehrseite, erscheint das Subjekt in der Position des Wahrsagers und als zukuenftige, in Aussicht gestellte Erscheinung als projiziertes Idealbild innerhalb der Kristallkugel. Hier geht Selbstermaechtigung nicht auf konkrete Handlungen des Subjekts zurueck, sondern vielmehr auf dessen Faehigkeit an die Macht der Kugel zu glauben.
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