Mein groesstes Interesse gilt den Netzwerken der transnationalen Migration. Internationale Migrationsbewegungen hat es in allen gesellschaftlichen Schichten immer gegeben und es wird sie immer geben. Aber die neue Globalisierung seit Ende der 1970er Jahre hat auch eine neue globale Arbeitsteilung und damit eine, wenn man sie so nennen moechte, transnationale Klasse von ArbeiterInnen hervorgebracht: Die so genannten Pendel- oder TransmigrantInnen – hochmobil, schlecht bezahlt und zumeist mit prekaerem rechtlichen Status. Dahinter steht, dass es sich eine wachsende Anzahl von Menschen nicht mehr leisten kann, ihre soziale, kulturelle und oekonomische Reproduktion an einem Ort stattfinden zu lassen.
Sie wandern also permanent und organisieren ihren Alltag und den ihrer Familien und Freunde in verschiedenen Laendern und sogar Kontinenten. Die zentrale Frage ist fuer mich, wie auf Dauer mit dem hier entstehenden Widerspruch zwischen der formalen Rechtlosigkeit von irregulaeren MigrantInnen bzw. ihren eigenschraenkten Rechten und der oekonomischen oder politischen Macht, die sie und ihre Netzwerke ueber nationalstaatliche Grenzen hinweg ausueben [koennten] politisch umgegangen wird. So sind im Fall von Laendern wie El Salvador die finanziellen Ruecktransfers der MigrantInnen aus den USA an ihre Familien im Herkunftsland inzwischen das wichtigste Exportgut bzw. die wichtigste Devisenquelle.
Die Netzwerke der [irregulaeren] transnationalen Migration fordern auch den nationalen bias unserer Vorstellungen von Staatsbuergerschaft und politischer Partizipation, Familie, Geschlechterrollen und sozialer Organisation heraus. Daher gehen von transnationalen Migrationsnetzwerken, obgleich sie oft kriminalisiert werden, wichtige Impulse fuer die Forderungen der globalisierungskritischen Bewegungen nach globalen Rechten in den Bereichen Arbeit, Gesundheit, Bildung, Bewegungsfreiheit, Transport und politischer Partizipation aus. Derzeit beschaeftige ich mich vorwiegend mit den Themen Migration und Grenzen in Zentralamerika.
Ich untersuche zum einen den Form- und Funktionswandel politischer Grenzen durch Globalisierungsprozesse und insbesondere durch den Anstieg der transnationalen Migration. Zum anderen beschaeftige ich mich mit den sozialen und kulturellen Rueckwirkungen der drastisch ansteigenden USA-Migration auf die Herkunftsorte in Zentralamerika. Was da passiert, koennte man die Transnationalisierung des Lokalen nennen, d.h. traditionell laendliche, periphere und arme Orte in Zentralamerika, die nicht oder kaum in das Projekt der betreffenden Nationalstaaten integriert wurden und deren Menschen oft noch nie in der Hauptstadt ihres Landes waren, unterhalten durch die USA-Migration ihrer BewohnerInnen und moderne Kommuniktionstechnologien nun engste Beziehungen beispielsweise nach Los Angeles. Auf diese Weise entstehen Identitaeten oder Formen der sozialen Organisation und Partizipation, die man translokal, transkulturell oder transnational nennen kann, aber bei denen das Nationale kaum eine Rolle spielt.
Das G-8-Gipfeltreffen ist fuer mich kein Grossereignis der Weltgesellschaft. Es ist anders als beispielsweise die UN eine hoechst undemokratische und elitaere Einrichtung. Niemand hat diese Institution, die dort Tagenden und ihre Entscheidungen mittels demokratischer Verfahren legitimiert. Ich interessiere mich mehr fuer die Proteste gegen G8-Gipfel, denn sie repraesentieren eher die Anliegen einer wenn Sie so wollen Weltgesellschaft, die aber leider draussen stehen muss. Reibungspunkte zu meiner Arbeit sehe ich da nicht.
Neben den feministischen- und genderfokussierten Ansaetzen, koennte die Kritik am methodologischen Nationalismus, also die Kritik daran, jedes Subjekt, jede soziale Bewegung, Form der sozialen Organisation, politischen Artikulation und Partizipation erst einmal durch die nationale Brille zu betrachten und zu kategorisieren, einen Beitrag zur Globalisierungskritik leisten. Anders herum war die Migration aber in zumeist pessimistischen Auslegungen des historischen Strukturalismus auch schon immer ein Thema der globalisierungskritischen Bewegungen. MigrantInnen und Fluechtlinge als politische Subjekte dieser Bewegungen sind hingegen leider kaum vertreten.
[Die Verfasserin dieses Beitrags ist Dozentin am Lateinamerika Institut der Freien Universitaet Berlin]