Der Ruf nach einer >anderen Welt< ist ein zwiespaeltiger Ruf, denn >anders< heisst ja nicht zwangslaeufig besser, sondern oftmals schlechter. Fuer letzteres gibt es historisch gesehen weit mehr Beispiele, deshalb stimmen mich Weltverbesserungsrufe zunaechst einmal misstrauisch. Wir haben nur eine Welt in der wir leben und die jeder von uns tagtaeglich gestaltet. Veraenderung kann also nur mittels aktiver Gestaltung statt finden, und der Begriff der Gestaltung erscheint mir hier besonders geeignet, da die Frage nach einer besseren oder gar der besten aller Welten, immer eine Frage nach deren Form im weitesten Sinne ist. Gestaltung ist immer ein prozesshaftes Agieren.
Zunaechst erfolgt ein Entwurf im Modell, dann einer konkretisierenden Planung mit dem Ziel der Verwirklichung und schliesslich die Umsetzung im Massstab 1:1. Jeder Gestaltungsprozess, sei es raeumlich oder gesellschaftlich, zeigt, dass spaetestens die Umsetzung die meisten Probleme bereitet und Visionen kaum ohne kreative, inhaltliche Verluste in Realitaet ueberfuehrt werden koennen: je groesser die Dimension eines Projektes, umso groesser diese Diskrepanz: es macht nun einmal einen Unterschied, ob man sich seinen privaten Lebensraum gestaltet oder etwa ein sozialistisches Gesellschaftsmodell bzw. eine globusumspannende Einheitsarchitektur fuer die gesamte Weltbevoelkerung entwirft.
Jeder Versuch eine Gemeinschaft zu bilden, basiert auf Ab und Ausgrenzung. Dies trifft fuer die ersten Stadtgruendungen ebenso zu wie die ersten utopischen Gesellschaftsmodelle. Die so genannten gated communities, fuehren das Prinzip der >Torsteuerung<, des kontrollierten Raumes, nicht von ungefaehr im Namen. Diese Abgrenzung dient immer einer Ausgrenzung des >Anderen< und der Abwehr. Der Entwicklung von Raeumen als Abwehrsysteme messe ich in meiner Arbeit besondere Bedeutung zu [siehe meine Publikationen]. Die Unterscheidung in lokale und globale Perspektiven besitzt m.E. grosse Relevanz und hat auch zu ihrem vermeintlichen >Scheitern< beigetragen. Das 20. Jahrhundert steht fuer den Entwurf und das Scheitern globaler Utopieprojekte, d.h. fuer Entwuerfe von gesellschaftlichen und architektonischen Konzepten und den Versuchen ihrer weltumspannenden Verwirklichung. Nicht die Utopien sind das Problem, sondern ihr Massstab. Utopien sind ein wichtiger Teil unserer Kultur. Seit der Antike bieten gesellschaftliche Fiktionen Raum und Schutz fuer die Kritik an den bestehenden Verhaeltnissen, sowie Raum fuer das Neue und Andere, fuer visionaere Kreativitaet. Allein der Versuch Utopien zwanghaft zu verorten ist immer wieder gescheitert. Anstelle einer globalen Loesung, anstelle der Verortung einer konstruierten monokulturellen Lebenswelt, muessen sich gesellschaftliche, das heisst sozialpolitische Utopien und Visionen heute in ganz anderen Massstaeben denken lassen: als Analyse von Zusammenhaengen, als flexibles Modell von Moeglichkeiten, als partielle evolutionaere Stationen anstelle von ganzheit-lichen Modellen. Wie und wo auch immer: Utopie koennte und sollte sich schlicht im Kleinen denken lassen statt im Grossen, in Zwischenraeumen des Gegenwaertigen statt in Gesamtdarstellungen des Zukuenftigen. Utopie sollte sich in einer unendlichen Vielfalt an moeglichen Prozessen denken lassen, deren Ausgang schlicht offen ist. [Anm.d.Red: Die Verfasserin dieses Beitrags ist Autorin des Buches Krieg + Stadt sowie Herausgeberin des Sammelbaenende Constructing Utopia und welt[stadt]raum]