Ich glaube, die G-8-Proteste sind, wie erwartet, wieder verebbt, und mir kam das ohnehin so vor, als ginge es dabei mehr um so eine Art Festspielcharakter, der da von allen Seiten ausgelebt wurde. Ich bin, was die Wirkungen dieser Protestform betrifft, ehrlich gesagt skeptisch, ohne dass ich das jetzt als Haeme oder klammheimliche Freude des weltverhaeltnissefrustrierten Altlinken gelesen wissen moechte. Die Anti-Globalisierungs-Bewegung hat sich halt bewiesen, dass es ihr um gesellschaftliche Verantwortung zu tun ist – so als Haltung und Identitaetsmoment und als Verantwortung.
Und dafuer gibt es natuerlich die erhofften Paradiespunkte und eine Handvoll Extrajungfrauen/-maenner im Jenseits. Reale Veraenderungen vielleicht so gar noch in den grossen politischen Dimensionen standen da fuer mich aber nie im Horizont. Zumindest nicht in einer greifbaren, falsifizierbaren Form. Was nicht den Leuten und ihren Aeusserungsformen im Einzelnen und im Besonderen angelastet werden soll, eher schon dem, was frueher mal >das System< genannt wurde aber auf mich hat das [allerdings zugegeben: aus der Ferne] gewirkt wie Protestroutine. Irgendwie traurig in seiner selbstgenuegsamen Ohnmacht mit gelegentlichen kalkulierbaren Ausbruechen [Schwarzer Block]. Eventuell koennte dabei aber herausgekommen sein, dass sich fuer Einzelne die Frage gestellt hat, am anderen Ende des zu durchlaufenden Prozesses, worin der Grund fuer diese Handlungsunfaehgikeit besteht zumindest bei denen, die nicht eh bloss ein bisschen saekularisierten Kirchentag spielen wollten und dafuer ein gutes Gefuehl eintauschen: naemlich auf der richtigen Seite zu stehen [das alte Problem der Li[e]beralen...] Aber die gelten eh nicht! Generell waere es wohl sinnvoll, erstmal ein brauchbares theoretisches Framing/Setting/Ruestzeug auszuarbeiten, innerhalb dessen und mit dem agiert werden kann, oder eben auch: gefragt, denn dann wuerde es vielleicht moeglich, im globalisierungskritischen Rahmen auch strategische und politische Forderung zu stellen und nicht bloss Michael Moore in Hunderttausender-Potenz zu sein. Von einem theroetischen Hintergrund aus lassen sich auch die hinlaenglich bekannten Probleme von Kollektivformen politischer Empoerung fassen, begreifen und vielleicht sogar warum nicht das auch mal zur Abwechslung: ueberwinden ... Gehoeren wuerde dazu natuerlich auch, sich mit den eigenen antiimperalistischen Klischees auseinanderzusetzen, die da oft wie tote Muecken auf der Windschutzscheibe der Globalisierungskritik kleben. Oder ihr zumindest einsichtlich zu machen, dass sie die laengst mit einem Grossteil des sich neu erfunden habenden Deustchlands teilen muss, das auch ein Stueck vom tollen Antiamerikanismus- und Antikapitalismusklischee-Kuchen abhaben will [Stichwort: Heuschrecken usw., Heiner Geisler, CSU-Sozialpolitik] abhaben wollen. Weiters: der verkappte Antisemitismus der Globalisierungskritik, ihre heissgeliebten Verschwoerungstheoreme und und und das alles koennte in einem anders geframten Blickfeld auch mal erfasst werden und nicht immer nur so mitzockeln. Wie die Kritik langfristig im Mittelpunkt des Interesses bleiben kann? Da bleibt nur eins: Mehr Kirchentage ...! Nein, im Ernst: Das wird ihr nur dann gelingen, wenn sie sich therotisches Werkzeug zulegt, mit dem es ihr moeglich waere, Vorgaenge in der Welt jenseits von Stammtisch-Behauptungslogik zu verstehen, zu erklaeren und also auch anzugreifen und dabei zu treffen [und nicht immer meilenweit vorbei zu schiessen]. Alles andere ist im Interesse der Gegenseite, wer auch immer das eigentlich genau sein soll. Ich glaube, dass der Glaube an die Medien als Agens von Veraenderung von vorneherein ein Teil des Problems und nicht der Loesung ist. Medien haben in der buergerlichen Gesellschaft die Tendenz, sich an die Stelle politischen Handelns zu schmuggeln und dieses zu ueberschreiben mit ihren Medienproblemchen [also ihren Luxus-Problemchen mit sich selbst], was sich ja schon allein an der Existenz der Frage bezeigt, ob Web 2.0 etwas zu veraendern vermag. Es geht dann eigentlich nur noch um Web 2.0... Was geaendert werden soll, wird aber kaum noch gesagt, hoechstens noch mal kurz verschlagwortet. Der schwarze Block verstanden als Arikulationsort und -art eines nicht schon liberalistisch befriedeten Protestes spielt seit jeher in den Medien eigentlich eine konstante wichtige Rolle, die hoechstens mal zu- und mal abnimmt [in dem Masse wie der Schwarze Block und seine konkreten Formierungsanlaesse zu- und abnehmen]. Er steht zwar fuer eine radikale Kritik der Verhaeltnis [jenseits von Reform], die er dann irgendwie meist eher ungluecklich in reale Aktion zu transformieren versucht, aber gerade dadurch spielt er eigentlich das Spiel der Medien mit, und das nicht nur, weil die ja auf ihn angewiesen sind, um titelseitenfaehige Demokriegszustandsbilder zu kriegen. In diesem Spiel laesst sich der Schwarze Block die Logik der buergerlichen Medien aufzwingen und agiert in einem Setting, das von der Gegenseite definiert wurde. Seine Subversion ist als willfaehrige Repraesentation medialer Subversionsklischees vielleicht nicht harmlos, aber angepasst. Der Schwarze Block, zumal solange er eher die Spielwiese von geschichtlich verhinderten StrassenkaempferInnen ist anstelle eines wirklichen Organes von Intervention, wird also weiterhin medial bedeutsam sein fuer die massenmediale Verwaltung/-mittlung des Demo-Guten und des Demo-Boesen. Der Schwarze Block haette aber aus seiner faktischen Nichtpartizipation am buergerlichen Diskurs und angesichts der radikalen Veroedung der buergerlichen Intellligenz in Deutschland durchaus die Chance, sich in subversiver Weise zu intellektualisieren. Damit waere er dann auch nicht mehr medial erfassbar, weil er sich in einer Weise artikulieren koennte, die gar nicht in deren Aufnahmegeraete passt. Wird aber nicht passieren, zuviel Strassenkampfsport, zuviel Wut und Empoerung und zuviel Identitaetsscheisse, da wird man/frau nichts machen koennen... Bzw.: wollen. [Anm. d. Red: Der Autor ist Mitglied des Kuenstlerkollektivs monochrom]