Vom 6. bis zum 8. Juni 2007 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der fuehrenden acht Industrienationen im Seebad Heiligendamm. Das internationale Netzwerk der Gruppe der Acht [G8] vereint weniger als 15 Prozent der Weltbevoelkerung, verfuegt jedoch ueber circa zwei Drittel des Weltbruttosozialeinkommens [BNE]. Unter dem Slogan >Wachstum und Verantwortung< redete man unter deutscher Praesidentschaft dieses Jahr ueber Energieverbrauch, Klimawandel, Raketenabwehrsysteme und Hilfe fuer Afrika. Medial war der diesjaehrige Gipfel vor allem von der Omnipraesenz des Zauns gepraegt. Dieser stellte Dreh- und Angelpunkt der Berichterstattung dar.
Der Zaun symbolisierte die Grenze zwischen Waehlern und Gewaehlten und bezeugte die Unnahbarkeit derer, die nahbar sein sollten. Wie auch bei den vorherigen Gipfeltreffen in St. Petersburg und Gleneagles markierte der G-8-Gipfel in Heiligendamm keinen deutlichen Wendepunkt fuer die Wahrnehmung der globalisierungskritischen Bewegung auf die Allgemeinheit. Weder der Einfluss auf die >Volksvertreter< noch der auf das Volk nahm fundamental zu. Thematisch reichte die Aufmerksamkeit kaum ueber die Grenzen des Zauns hinaus. Lediglich der lokale Bezug verstaerkte das Interesse der hiesigen Bevoelkerung am diesjaehrigen Treffen. Getrennt vom Zaun standen so auf einer Seite die Vertreter und auf der anderen die Vertretenen. Globalisierungskritiker und Globalisierungsgegner gegen Zaun und Polizisten, so das Medienecho von Heiligendamm. Genau hier liegt eines der Probleme: Im Vorfeld von Heiligendamm haben sowohl Politiker als auch Globalisierungskritiker in ihren Kommunikationsstrategien versagt und allein den Medien die Information der Bevoelkerung ueberlassen. Von Aufklaerung ueber die Globalisierung als Diskussionsthema fuer die breite Masse abseits von populistischen Schlagworten konnte dabei keine Rede sein, von >Wachstum und Verantwortung< noch viel weniger. Stattdessen wurde nur gegeneinander geschossen. Der >normale< Buerger blieb aussen vor und durfte sich im Fernseher den Zaun von beiden Seiten anschauen, mehr nicht. Die Globalisierungsdebatte hat aber weitaus mehr Potential, fuer beide Seiten. Richtig gefuehrt, kann sie dem Buerger die Thematik nahe bringen und Moeglichkeiten aufzeigen, durch das eigene Verhalten etwas zu aendern. Entscheidend ist es, die Globalisierung aus der daemonisierten Ecke hervorzuholen und nicht als naturgegebene Katastrophe darzustellen, sondern als einen beeinflussbaren politischen Prozess. Kurz: nicht nur das >Problem Globalisierung< sondern auch die >Chance Globalisierung< muss vermittelt werden. Stattdessen lehnen die Gegner die Globalisierung gaenzlich ab, die Kritiker verharren meist auf einem unkonstruktiven Niveau und die Staats- und Regierungschefs schotten sich gaenzlich ab. Um das weit verbreitete Desinteresse und Unwissen am Thema Globalisierung zu durchbrechen, ist es deshalb wichtig, im Kontext der Globalisierungskritik darueber nachzudenken, wie ein internationales Thema auf nationaler Ebene vermittelt werden. Primaere Aufgabe der Globalisierungskritiker sollte es daher sein, objektiv und vielschichtig zu informieren und zu integrieren. Der Graben aus Ignoranz und Ablehnung ist nur zu ueberbruecken, wenn dem Unwissen ein Wissen entgegen gestellt wird, das mehr Respekt vor dem Menschen hat und letzteren in den Wandel einbezieht. Eine demokratische Gesellschaft ist nur dann stabil, wenn die Waehler wissen, dass die Rechte und Interessen eines jeden zaehlen, nicht nur die, der intellektuellen und wirtschaftlichen Elite. Die Staats- und Regierungschefs der fuehrenden acht Industrienationen sind dabei auch >nur< gewaehlte Volksvertreter und keine Gegner. Es gibt in fast allen Laendern Westeuropas genuegend soziale Energie, um fuer sozialvertraegliche Entwicklungen und gegen die Diktatur der Maerkte aufzutreten. Aufgabe der Globalisierungskritiker sollte es daher ebenfalls sein, diese Energie auf nationalem und internationalem Level zu buendeln. Je mehr der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft bedroht ist, desto wichtiger ist es, dass sich die breite Masse ihrer demokratischen Rechte bewusst ist und diese wahrnimmt. Neben der Information ist also auch der Zusammenhalt und die Vernetzung aller Interessengruppen ein wichtiges Ziel der Globalisierungskritiker. Die Moeglichkeit dies zu tun haette eine Opposition innerhalb der Opposition zur neoliberalen Globalisierung. Sie koennte ihren Fokus darauf legen, die Prozesse der Globalisierung in einer moeglichst objektiven Weise deutlich und allgemeinverstaendlich zu erklaeren, eine Vermittlerrolle zwischen Chancen und Problemen zu uebernehmen. Wichtig ist es, sich nicht nur, wie bisher, an die gewaehlten Politiker zu richten, sondern den Durchschnittsbuerger zu integrieren. Ziel sollte es sein, die Globalisierung langfristig in den Mittelpunkt der oeffentlichen Debatte zu ruecken und nicht nur auf einzelne Veranstaltungen zu fokussieren. Das Internet bietet dafuer die besten Vorraussetzungen. Von einfachen Infoseiten bis hin zu multimedialen Kampagnenplattformen gibt es viele Moeglichkeiten, Interesse zu wecken und das Thema spannend zu vermitteln. Die Multikanalfaehigkeit des Netzes ermoeglicht dazu neue Wege fuer ein Miteinander und der Teilhabe am Globalisierungsprozess. Kritik an der Globalisierung ist gerechtfertigt, solang sie konstruktiv ist und auf Grundlagen aufbaut, die fuer die Allgemeinheit verstaendlich sind. Die Globalisierung kann nur dann positiv gestaltet werden, wenn alle sie verstehen. [Anm. d. Red.: Der Autor ist Chefredakteur von /e-politik.de/]