Der G-8-Gipfel hat nicht nur dazu beigetragen, dass sich eine breite Oeffentlichkeit der Groesse und des Potenzials der globalisierungskritischen Bewegung bewusst geworden ist. Heiligendamm war – frei nach Tocotronics >Wir sind viele< - vor allem auch fuer die Binnenstruktur des Protests wichtig: Zuvor meist vereinzelte Kritiker, Gruppen und Organisationen sind sich in einer Art kollektivem Selbstfindungsprozess ihrer Wirkungsmacht bewusst geworden.
Ihr Votum fuer eine gerechtere Weltordnung konnte und kann fortan weder politisch noch medial ignoriert werden. Gleichzeitig aber haben die Ausschreitungen bei der Auftaktveranstaltung in Rostock den Protest seiner Unschuld beraubt und seine weitere Wahrnehmung negativ beeinflusst.
Damit waere auch ein erster Ansatz fuer zukuenftige Diskussionen innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung genannt. Will die globalisierungskritische Bewegung nicht ihre Legitimation und damit auch den Erfolg ihres Protests aufs Spiel setzen, dann bedarf es einer grundlegenden Verstaendigung darueber, wie den Demonstranten zu begegnen ist, die mit massiver Gewalt gegen Dinge und Menschen vorgehen. Auf der externen Agenda werden nach wie vor die Themen stehen, die ueber die zukuenftige Existenz von Millionen von Menschen entscheiden, also vor allem Klima/Umwelt, Energie und Armut/soziale Gerechtigkeit.
Die grosse Schwierigkeit besteht in der Verstetigung des Protests von Heiligendamm. Sollte es nicht gelingen, die Kritik zu perpetuieren, wuerde sie selbst Opfer des von ihr gegenueber dem G-8-Gipfel geaeusserten Vorwurfs die Kritik wuerde zum saisonalen Spektakel. Um den Anschein einer nur punktuellen Befassung zu vermeiden, muesste sie selbst Anlaesse mit Bezug zu den genannten Themen ins Leben rufen. Vorstellbar waeren regelmaessige aufwaendigere Veranstaltungen, in denen unter anderem darueber informiert wird, wie die G-8-Staaten ihren Zusagen nachkommen. Gerade in Deutschland waere derzeit sicherlich noch eine kritische Masse fuer etwaige Verfehlungen empfaenglich.
Die Rolle der Neuen Medien ist dabei hoch einzuschaetzen, insbesondere da die Berichterstattung ueber Heiligendamm in den Print- und TV-Medien grundlegende Defizite aufweist. Allzu einseitig war die Konzentration auf prominente Persoenlichkeiten [z.B. BILD-Chefredakteur Bob Geldof oder Amnesty-International-Frontmann Bono] und spektakulaere beziehungsweise ungewoehnliche Protestformen, wie die Strassenschlachten, die Verfolgung der Greenpeace-Schlauchboote und die Clownsarmee. Dagegen bietet das Internet der globalisierungskritischen Bewegung gerade auch ueber das Event G-8-Gipfel hinaus die Moeglichkeit zu Information, Kommunikation und kontinuierlicher Vernetzung.
Nicht gering zu schaetzen ist dabei auch der Aspekt, dass das Netz immer wieder als Brutkasten fuer Diskurse fungiert, das heisst die klassischen Medien nehmen dortige Themenkarrieren auf und setzen sie in entsprechende Print- und TV-Formate um. [Anm. d. Red.: Der Autor ist Doktorand an der Uni Giessen]