In Zeiten der „Corona-Krise“ treten autokratische Tendenzen auf, die diejenigen treffen, die am verwundbarsten sind. Dieser dunkle Moment ist jedoch auch die Zeit für demokratisches Engagement, politischen Aktivismus und solidarische Aktionen, die Gesundheit und Pflege als gemeinsames Gut mobilisieren. Der Kritiker und Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki unternimmt eine Bestandsaufnahme.
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Mit Blick auf Covid-19 sehe ich mich veranlasst, auf die SARS-Krise 2002-2004 zurückzublicken. Die Epidemie wurde von den Massenmedien weltweit als die erste abstrakte Bedrohung des 21. Jahrhunderts stilisiert. Heute gilt sie als ein warnendes Beispiel für die Verwundbarkeit sozialer Systeme im Zeitalter der Globalisierung. Marshall McLuhan hat bereits 1962 mit seinem Konzept des globalen Dorfes in diese Richtung gedeutet und die Theorie entwickelt, dass eine solche Verwundbarkeit viele Aspekte habe. In Anlehnung an McLuhan ließe sich sagen: Die Verwundbarkeit der vernetzten, globalisierten Welt lässt sich nicht auf die rasche Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit reduzieren, sondern hat viel mit der immer schneller werdenden Verbreitung von Medieninformationen als Katalysator von Massenparanoia zu tun, die wiederum die Grundlage für autokratische Tendenzen schafft.
Es überrascht nicht, dass akademische Analysen der SARS-Krise in Hongkong wie die von Lu Yen Roloff und Claire Hooker und S. Harris Ali zeigen, wie diese “Krise” instrumentalisiert wurde, um eine illiberale Sicherheitspolitik voranzutreiben. Ihre Untersuchungen zeigen, wie das “Krisenmanagement” dabei eine Verschiebung der politischen Macht hin zum Autokratischen ermöglicht hat, verbunden mit der Beschneidung von Bürger- und Menschenrechten. Da diese Verschiebung in Zeiten der neoliberalen Umstrukturierung stattgefunden hat, stellt sich die Frage, wie sich solche Entwicklungen auf Demokratien auswirken – eine Frage, die sich auch unter den Bedingungen des Covid-19-Ausbruchs 2019-2020 unweigerlich stellt.
Instrumentalisierte Verwundbarkeit in China
Um sie zu beantworten, blickt man fast automatisch nach China. Im Kontext der aktuellen Pandemie wird das Land als ein funktionierendes System gefeiert, und die Weltgesundheitsorganisation hat einen offiziellen Bericht herausgegeben, der diese Ansicht unterstützt. Probleme werden in diesem Zusammenhang kaum untersucht. Dennoch gibt es viele Indikatoren für etwaige autokratische Tendenzen in China. Berichten zufolge hat das Management der “Coronavirus-Krise” die Menschenrechtsverletzungen verschlimmert, darunter “willkürliche Verhaftungen, hartes Vorgehen gegen die Meinungsfreiheit und das Versperren des Zugangs zu Informationen”. All dies wird symbolisch unterstrichen durch die Ernennung eines ehemaligen Polizeichefs zum neuen Sekretär der Kommunistischen Partei in Hubei – dem ersten Epizentrum des Covid-19-Ausbruchs – sowie das Ausnutzen der Krise zur Unterdrückung der pro-demokratischen Bewegung in Hongkong.
Der vielleicht am meisten wahrgenommene Indikator für autokratische Tendenzen ist jedoch die stark beachtete Einführung einer “Corona-Virus-Tracking-App”. Die App, die als “Nahkontakt-Detektor” bezeichnet wird, soll “die Menschen wissen lassen, ob sie Gefahr laufen, sich die Krankheit einzufangen, wenn sie in der Nähe von jemandem waren, der sie hat”. Darüber hinaus soll diese App die eigenen Bewegungen im sozialen Raum überwachen und regulieren, bis hin zum algorithmischen Diktat von Quarantänen. Die New York Times stellt mit Erstaunen fest, dass diese App “anscheinend persönliche Daten an die Polizei sendet, in einem beunruhigenden Präzedenzfall für eine automatisierte soziale Kontrolle”. Unterdessen stellt die MIT Technology Review fest, dass “das Aufspüren von Menschen, um ihnen zu sagen, ob sie in engem Kontakt mit einem Virenträger waren, eine ganze Reihe neuer komplizierter Probleme verursachen könnte”, und deutet damit nur implizit an, was CNBC explizit artikuliert, wenn es spekuliert, dass “das Coronavirus ein ‘Katalysator’ für China sein könnte, um seine Massenüberwachungsmaschine zu verstärken”.
Solche Nachrichten sind nicht überraschend. Schließlich ist China weithin bekannt als ein autokratischer Apparat, der zunehmend von intelligenten Maschinen angetrieben wird – von KI-gesteuerten Programmen wie dem Social Credit Score bis hin zu weitreichenden Initiativen zur Gesichtserkennung. Dieser Umstand scheint viele KommentatorInnen in die Irre zu führen. Wenn sie autokratische Tendenzen unter den Bedingungen von Covid-19 kritisch hinterfragen, dann beschränken sie sich auf China. Das liegt wohl daran, dass im westlichen massenmedialen Diskurs China ein autokratisches System repräsentiert, während der Westen eine liberale Demokratie verkörpert. Letztlich verschließt diese Art von Kritik die Augen vor dem, was in “unseren” Gesellschaften geschieht. Den internationalen Gesundheitsnotstand als schwere politische Krise in den USA zu diskutieren, reicht aber nicht aus. Man muss auch die Frage stellen: wie sieht es in Europa aus? Wie soll man autokratische Tendenzen bei der Bewältigung der so genannten ” Corona-Krise ” in der EU untersuchen? Werden demokratische Prinzipien korrumpiert, Menschen- und Bürgerrechte ausgesetzt? Wird die ungleiche Verteilung von Risiken durch das “Krisenmanagement” verstärkt?
Gesundheitssicherheit als europäische Waffe
Zunächst einmal muss man diskutieren, wie der Ausbruch von Covid-19 in Europa autokratische Tendenzen katalysiert, die sich über “unsere Rechte” hinwegsetzen, und wir müssen uns dabei ansehen, wie sich diese Tendenzen “nach unten” auswirken. Das bedeutet, dass der Maßstab für die Auswirkungen autokratischer Tendenzen weniger diejenigen sind, die (noch) mit Privilegien ausgestattet sind, sondern eher diejenigen, die keine oder nur sehr wenige Privilegien haben: Menschen, die unter prekären Bedingungen arbeiten, in gesundheitlich gefährdeten Verhältnissen oder sogar ganz illegalisiert sind; Obdachlose, Inhaftierte, Menschen, die in Haftanstalten und Lagern gestrandet sind, usw.
Diese Menschen leiden bereits unter “normalen” Bedingungen unter dem Mangel an Zugang zu Gesundheits- und Pflegeinfrastrukturen. Und die gegenwärtige Situation verschlimmert dies noch. Quarantänemaßnahmen sollen Menschen isolieren – man soll zu Hause bleiben und von zu Hause aus arbeiten. Aber “Isolation als Gesundheitsschutz” funktioniert nur für Privilegierte, für diejenigen, die es sich leisten können, alle Verbindungen zu kappen. Was macht man schließlich, wenn man weder ein Zuhause hat noch von zu Hause aus arbeiten kann? Was ist, wenn man trotz Krankheit zur Arbeit gezwungen wird? Was, wenn in der aktuellen “Krise” prekäre oder ausgesetzte Rechte noch weiter abgebaut werden?
“Im Laufe der Jahrhunderte haben Gesellschaften eine lange Geschichte der Verschlimmerung der Auswirkungen von Epidemien aufgezeigt”, wie Elise A. Mitchell schreibt. Das bedeutet ‘schlimmer’ insbesondere für diejenigen, die am wenigsten vorbereitet, am wenigsten geschützt und am wenigsten in der Lage sind, auf die Herausforderung zu reagieren. Wie Mitchell betont: “Als Historikerin der Sklaverei und der Medizin stoße ich oft auf düstere Berichte über Pockenausbrüche, die vor 200 bis 500 Jahren stattfanden. Damals wie heute waren die ärmsten und am wenigsten mächtigen Menschen in der Regel am stärksten von einer Ansteckung bedroht – und die damaligen öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen haben diese Menschen entweder vernachlässigt oder ihnen aktiv geschadet.”
In Europa erhalten diese Fragen im Rahmen der Asylpolitik eine besonders dramatische Dimension. Auch wenn das Asylrecht in der EU-Grundrechtecharta – und vor allem im Selbstverständnis Europas als Kontinent der Menschenwürde – eine zentrale Rolle spielt, so erscheint es in den letzten Jahren zunehmend ausgehöhlt. Die so genannte “Flüchtlingskrise in Europa” (2015ff) und ihre politischen Nachwirkungen haben dies deutlich gemacht. Als gelte es diese beunruhigende Tendenz endlich deutlich zu unterstreichen, wurden so genannte Push-backs durch ein Gerichtsurteil vom 13. Februar 2020 in Straßburg praktisch legalisiert. Dies gibt grünes Licht für Grenzkontrollpraktiken, die das Prinzip der Nicht-Zurückweisung ignorieren, das Teil des Völkergewohnheitsrechts und wesentlich für die Ausgestaltung des Asylrechts ist.
Dieses Gerichtsurteil ist fast vollständig durch den Nachrichtenstrom über Covid-19 verdrängt worden. Gerade deshalb sollte es im gegenwärtigen Kontext betrachtet und angefochten werden, da es den scheinbar unanfechtbaren Charakter der (strukturellen) Gewalt gegen diejenigen, die während der Corona-Krise “ganz unten” stehen, maßgeblich untermauert. Wenn man autokratische Tendenzen erkundet, die sich derzeit in Europa ausbreiten, muss man also nach Ländern Ausschau halten, die sich auf die eine oder andere Weise an der Aufrechterhaltung des EU-Grenzregimes mit seinem post-demokratischen Schengen-System beteiligt sind. Es handelt sich dabei um 27 Länder. Dabei sind Spanien, Italien und Griechenland von besonderer Relevanz, da diese Länder gleichzeitig mit dem Schutz der EU-Außengrenzen beauftragt sind und gleichsam europäische Epizentren der “Corona-Krise” darstellen.
Krisenmanagement an den Außengrenzen der EU
Als erstes Land, das eine “nationale Abschottung” veranlasst hat, liefert Italien in diesem Zusammenhang vermutlich ein umfangreiches Fallbeispiel. Anknüpfend an seine unverarbeitete faschistische Geschichte und seine neofaschistischen und neonationalistischen Bewegungen wirkt sich Italiens “nationale Abriegelung” auf MigrantInnenprojekte in weitreichender Weise aus, nicht zuletzt, weil die Rechtsextremen Staatsoberhaupt Giuseppe Conte zum Rücktritt bewegen wollen, “wenn er die Grenzen nicht verteidigen kann”. Spanien ist dem Beispiel Italiens gefolgt und hat den Ausnahmezustand ausgerufen. Dies ermöglicht den Einsatz einer extra-legalen Politik. Dies deutet sich durch die Schließung der Grenzen an, einschließlich der Grenze zu Gibraltar. Alles unter dem Vorwand, um “die Ansteckung mit dem Coronavirus zu verringern”.
In Spanien und Italien beruhen die Handhabung der “nationalen Abschottung” und die mehr oder weniger stille Aussetzung der Flüchtlingsrechte auf einem deklarierten Ausnahmezustand. In Griechenland ist die Situation anders. Der Ausnahmezustand war in den vergangenen Jahren ein eher nicht-deklarierter Umstand. Während die “Corona-Krise” dort noch nicht als nationaler Notstand eingestuft wird, wie in Italien und Spanien, hat man die Aussetzung des Asylrechts für mindestens zwei Monate lauthals verkündet. Dies hängt mit dem Wiederaufleben der “Flüchtlingskrise” an der griechisch-türkischen Grenze zusammen. Letztere ist eingetreten, nachdem Recep Tayyip Erdoğan am 29. Februar erklärt hat, dass “die Grenzen [zu Griechenland] offen sind”. Offensichtlich versucht Erdoğan erneut, Geflüchtete im geopolitischen Kampf der Türkei mit Europa, Rojava, Syrien, Russland und anderen zu instrumentalisieren. Zu diesem Zweck hat Erdoğan die Erinnerung an das Jahr 2015 wachgerufen – und einen erneuten Kontrollverlust heraufbeschworen.
Als Reaktion auf den Schritt Erdoğans setzte Victor Orban unter dem Vorwand des “Coronavirus-Schutz” das Asylrecht in Ungarn aus; Ursula von der Leyen feierte Griechenland als “Schild Europas”; Sebastian Kurz und andere forderten, “den Kontrollverlust von 2015 um jeden Preis zu verhindern”. Mit anderen Worten: Populisten in Europa schaffen die fantasmagorische Bedrohung, dass Flüchtlinge “das Coronavirus” in die EU einführen. Darüber hinaus mobilisieren sie die Idee der Grenzkontrolle als Immunitätsapparat, und vor allem sanktionieren sie jede notwendige Maßnahme gegen “Eindringlinge” (“um jeden Preis”).
Es versteht sich von selbst, dass diese Vertreter der europäischen Demokratien an der Entstehung von Hashtags wie #Europeunderattack und #Greeceunderattack beteiligt sind. Darüber hinaus legitimieren sie die pogromartige Atmosphäre von Postings unter solchen Hashtags. Nicht zuletzt sanktionieren sie (teils bewaffnete) neofaschistische Gruppen, die sich freiwillig für den offiziell von Frontex & Co. betriebenen “Grenzschutz” melden. Leider ist die Gewalt an den Grenzen gegen sich bewegende Körper keine Neuheit, aber jetzt – unter dem Motto #Europeunderattack – stellt sich heraus, dass die Ränder der EU ein Kriegsgebiet sind, oder genauer gesagt ein asymmetrisches Schlachtfeld, auf dem diejenigen, die Schutz suchen, nicht nur in einem geopolitischen Spiel missbraucht werden, sondern sogar zu Kanonenfutter verkommen, das ‘Grenzschützern’ zum Abschuss freigegeben worden ist.
Die griechisch-türkische Grenze, ein Kriegsgebiet
Die griechisch-türkischen Grenzzonen werden einerseits von lokalen Solidaritätsgruppen, NGOs und JournalistInnen und andererseits von einer Vielzahl von Gruppen, die die Grenzkontrollen verstärken, bevölkert. Zu letzteren gehören, wie der Migrationsforscher Vassilis Tsianos berichtet, “selbstorganisierte Gruppen von lokalen Bauern, die mit Schrotflinten herumlaufen. Es gibt auch eine so genannte nationale Bürgerwehr, in deren Reihen sich Rechtsextremisten und Anti-Immigranten-Aktivisten mischen. Dann gibt es Gruppen von Männern mit Skimasken und Tarnkleidung, die die Flüchtlinge abfangen und einsammeln und sie in kleinen Schlauchbooten auf die türkische Seite des Evros-Flusses zurückbringen. Obwohl sie keine Abzeichen tragen, fahren sie die gleichen Autos wie die Grenzpolizei – dies wird durch Fotos dokumentiert, die wir gesammelt haben. Die Polizisten haben mir bestätigt, dass sie manchmal ohne Abzeichen an der Grenze fahren. Außerdem patrouilliert jetzt auch das Militär an der so genannten grünen Grenze”.
In diesem komplexen Geflecht von AkteurInnen werden die Bemühungen von Widerstandsbewegungen an der Basis gegen die Regierungspolitik, Siedlungen wie das Moria-Lager durch noch unmenschlichere Haftanstalten zu ersetzen, von Kampagnen wie #Greeceunderattack und #Europeunderattack überschattet. Werden sie untergraben und gelegentlich gegen ihre eigenen Anliegen aufgewiegelt, wie KommentatorInnen meinen? Bedeutet das, dass der Kampf gegen unmenschliche Lager in einen Kampf gegen Schutzräume im Allgemeinen umgemünzt wird? Wie dem auch sei, es ist entscheidend, zwischen den beiden Bewegungen zu unterscheiden. Schließlich gibt es Kommentatoren wie Nikolaos Xypolitas, Professor an der Universität der Ägäis, der sich auf Migration und Arbeit spezialisiert hat und in der Süddeutschen Zeitung zitiert wird, dass es sich in Wirklichkeit um ein und dieselben Menschen handelt: Diejenigen, die gegen unmenschliche Lager waren, sind angeblich “in einen faschistischen Modus übergegangen” und zu Gegnern von Notunterkünften im Allgemeinen geworden.
Stille Arbeit im Pflege- und Gesundheitswesen
Vor diesem Hintergrund stellt die “Hölle Europas”, wie der “Hot Spot” auf Lesbos an der griechisch-türkischen Grenze genannt wird, eine besondere Herausforderung dar. Inmitten des Covid-19-Ausbruchs scheinen diejenigen, die an Orten wie dem Lager von Moria gestrandet sind, völlig verlassen und vergessen worden zu sein. Aber das sind sie nicht. Es ist äußerst wichtig, sich daran zu erinnern, dass seit Jahren Pflege- und Gesundheitsarbeit auf einer täglichen, aber höchst prekären Basis improvisiert worden ist. Miriam Arentz, die aus dem Lager Moria auf Lesbos berichtet, macht die Anstrengungen bei der Bereitstellung der Versorgungsinfrastruktur sichtbar. In ähnlicher Weise ist das kürzlich erschienene Buch “For Health Autonomy” eine wichtige Quelle für Lehren aus der alltäglichen Gesundheits-Dystopie in Griechenland, die sich seit der Schulden- und Austeritätsskrise, die das Land 2008 und danach traf, entwickelt hat.
Das Buch wurde vom CareNotes Collective zusammengestellt und hebt die Solidaritätskliniken als eine grundlegende Bemühung hervor, auf eben diese Krise zu reagieren. Vor diesem Hintergrund “ist dies der richtige Zeitpunkt, um die Idee der Autonomie des Gesundheitswesens zu verbreiten, da wir gemeinsam und ungleichmäßig verteilt anfällig für die staatliche Reaktion auf das Coronavirus sind”, wie der Wissenschaftler und Aktivist Malav Kanuga sagt. Da den am stärksten Betroffenen sogar jegliche Menschenrechte verweigert werden, müssen Grasswurzel-Bemühungen um die Bereitstellung einer Infrastruktur für die Grundversorgung unterstützt werden – nicht zuletzt, weil sie ständig mit der Gefahr einer Vertreibung konfrontiert sind. So ist es beispielsweise notwendig, sich gegen den wiederholten Versuch zu organisieren, die Metropolitan Community Clinic Helliniko in Athen zu räumen.
In ihrer Erklärung gegen die Räumung schreiben die OrganisatorInnen: “Sie wollen uns vertreiben, ohne eine Alternativlösung anzubieten, sie wollen ein 200 Quadratmeter großes Gebäude und die darin untergebrachte Klinik abreißen, die die Ausgestoßenen der griechischen Gesellschaft unterstützt, die durch die von der griechischen Regierung von 2010 bis heute unterstützten wirtschaftlichen Anpassungsprogramme entstanden sind. […] [Dennoch] werden wir an unserem derzeitigen Standort weiterhin Medikamente, Hoffnung und Würde anbieten. In all diesen Jahren war die Metropolitan Community Clinic Helliniko ein ständiger Unterstützer aller Menschen, die unsere Hilfe brauchten, ohne Diskriminierung, und wir werden dies auch weiterhin sein”. In einem offenen Brief (auf Griechisch und Deutsch verfügbar), der zur Solidarität mit denjenigen aufruft, die vor Ort gegen die Räumung der Metropolitan Community Clinic Helliniko in Athen kämpfen, haben zahlreiche AkademikerInnen aus Griechenland, Deutschland und darüber hinaus ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht.
Letzteres zeigt, dass der Moment der “Corona-Krise”, in der autokratische Tendenzen aufkommen, die diejenigen treffen, die am wenigsten geschützt sind – dass dieser dunkle Moment auch die Zeit für demokratisches Engagement, politischen Aktivismus und solidarische Aktionen im Namen der Gesundheit und Pflege als “gemeinsames Gut” ist, wie Yanis Varoufakis ebenfalls argumentiert. Dies kann man übrigens auch erfahren, wenn man einen Blick auf China wirft, wo in Hongkong der Widerstand gegen die Zentralregierung trotz der verstärkten Repression stark bleibt. Und wo man sich in aller Stille darüber austauscht, “wie das demokratische Taiwan das autoritäre China überflügelt hat”.
Während in ganz Europa Mauern errichtet und Massenquarantänen durchgesetzt werden, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bekämpfen, sollte man nicht vergessen, dass die aktuelle Gesundheitspolitik in Solidarität mit den Schwächsten organisiert werden muss. Unter der gegenwärtigen Welle der Paranoia muss diese bereits bestehende, aber verborgene Arbeit als “silent work” freigelegt und anschlussfähig gemacht werden. Viele Menschen führen diese Arbeit zunehmend auch in digital vernetzter Form aus und vielleicht würden noch mehr Menschen sie ausüben, wenn ihnen die Tatsache bewusst würde, dass es Alternativen zur überwältigenden Massenpsychologie der Bedrohung gibt, auf der autokratische Tendenzen und ihre zunehmend automatisierten Kontrollsysteme gedeihen.
“35 000 Mal: So oft haben griechische Polizisten und Soldaten nach Angaben der Regierung in Athen Migranten an der Einreise in die EU gehindert, seitdem die Türkei Ende vergangener Woche die Landgrenze zu Griechenland für Flüchtlinge geöffnet hat. Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis hatte am Mittwoch angekündigt, dass alle, die es seither dennoch geschafft hätten, in einem Lager bei der Stadt Serres festgehalten und in ihre Heimatländer deportiert würden. SZ
[…] Besonders kritisch erscheint vielen die Lage, wenn Krisen vermischt werden. Nach der Sitzung der Unionsfraktion verteidigte Innenminister Horst Seehofer am Dienstag die Schließung der europäischen Außengrenze in Griechenland. Dann zählte er die Länder auf, aus denen besonders viele Flüchtlinge kämen, und ergänzte die Liste mit dem Hinweis, dass einige dieser Staaten von Corona besonders betroffen seien. Ein Profi wie Seehofer weiß, dass so ein Hinweis nicht ohne Wirkung bleibt.[…]” SZ vom 7.3.2020
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-merkel-coronavirus-1.4834773
wichtige Initiative: “Refugees Welcome! Don’t Shoot! Stop Europe’s Trend Towards Fascism!”
http://kritnet.org/2020/refugees-welcome-dont-shoot/?from=allgemein
gestern in der Tagesschau: das Moria-Camp in Griechenland steht in der Diskussion. “Soll es evakuiert werden? Soll Deutschland die Leute aufnehmen?”
“Nein”, lautet der Konsens der Großpolitiker aktuell. Man wolle ja “nicht noch eine zusätzliche ‘Risiko-Gruppe importieren.'”
Als wären die Menschen nicht bereits ‘da’.
Es handelt sich immerhin um Menschen, die bereits einen Asyl-Status bewilligt bekommen haben aber aus dem Camp nicht rauskommen, weil EU-Länder, die Asyl tatsächlich auch
gewähren könnten, keine Brücken bauen.
An der Türkisch-Griechischen Grenze soll nun wieder Normalität herrschen. Was darunter zu verstehen, deutet sich in diesem Artikel an: https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-irgendwo-in-der-tuerkei-1.4866140
In der Corona-Pandemie ist es für Seenotretter noch schwerer als zuvor, Flüchtlinge an Land zu bringen. Seenot-Schiffe wie die Alan Kurdi dürfen nicht in Italien anlegen – das Land hatte seine Häfen vor einigen Tagen mit einem eilig verfassten Dekret geschlossen. Derweil geht in den Lagern dort die Angst um. So berichtet jedenfalls die Zeitungen: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/italien-schliesst-haefen-kaum-moeglichkeiten-fuer-die-alan-kurdi-16718698.html
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/alan-kurdi-ohne-hafen-bordaerztin-berichtet-ueber-die-situation-16722025.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-die-eine-krise-verschaerft-die-andere-1.4873752
https://www.globalecho.org/92782/alan-kurdi-betroffencorona-krise-italien-schliest-hafen-fur-fluchtlingshilfsschiffe