Fundraising 2010: Das moderne Spendensammeln hat überhaupt nichts mit Blechbüchsen und Klinkenputzen zu tun, sondern ist ein hoch professionalisierter Job. Wie sieht das Berufsbild aus? Was sind die Erfolgsrezepte? Die besten Fundraiser der Welt trafen sich vor einer Woche im Harvard-Club in New York um darüber zu diskutieren.
Die besten Geschäftsführer sind meistens auch die wichtigsten Fundraiser. Man war sich auf der Konferenz einig: Ein Geschäftsführer, der nicht gerne Spenden akquiriert, sollte kein Geschäftsführer sein. Beim Fundraising geht es um Beziehungen – vor allem darum, sie aufzubauen.
Das Spendenmodell muss Teil der Mission sein
Das ist der Unterschied zu Verkauf und Marketing in normalen, gewinnorientierten Unternehmen. Eine Non-Profit-Organisation verkauft keine Waren oder Dienstleistungen an einen Kunden. Stattdessen hilft sie ihren Spendern einen Traum zu verwirklichen oder ein Anliegen zu verfolgen. Um erfolgreich zu sein, muss man die Spender verstehen und Teil ihrer Weltanschauung werden.
Viele Non-Profit-Organisationen (NPO) sehen die Spender nur als Finanzierungsquelle. Tatsächlich aber sollten die Spender selbst Teil der “Mission” der Organisation sein. Gute NPOs integrieren das Spendenmodell jedenfalls direkt in ihre Mission.
Kirchen sind in der Regel viel besser darin, Geld zu aquirieren als das Naturkundemuseum: Das “Geben” ist schließlich ein integraler Teil des regelmäßigen Kirchenbesuchs. Das Naturkundemuseum versucht hingegen, Geld von Außenstehenden zu sammeln, um seine Mission dann intern durchzuführen.
Fundraising rund um die Uhr
Ein anderer Knackpunkt: Gute Fundraiser lieben ihre Arbeit. Und ihre Arbeit besteht darin, Leute kennenzulernen. Wie geht es ihren Kindern? Wie heißt ihr Hund? Haben sie Tickets für das Spiel übrig? Brauchen sie noch Tickets für das Spiel? Die Gefühle müssen echt und respektvoll sein, das Interesse muss ehrlich sein.
Man braucht Leute, die Menschen mögen. Man sollte nicht nach Geld fragen, wenn man sich das erste Mal trifft, aber etwas sollte man schon fragen. Und man sollte etwas anbieten. Am wichtigsten: Wenn man sich verabschiedet, muss man die Weltanschauung des anderen kennen. Die Zusammenarbeit mit Spendern ist eine Langzeitbeziehung, die viele Gespräche und Austausch einschließt. Das Spenden ist nur ein Teil davon.
Fundraiser machen zweimal Urlaub. Einmal mit ihren Familien und einmal mit ihren Familien und ihren Spendern. Arbeiten mit Spendern heißt Teil ihres Privatlebens zu werden. Kein Job, den man an einem Tag erledigt.
Während der Haiti-Krise schickte eine Organisation eine Nachricht an all ihre Geldgeber, um sie zu bitten, Geld an eine von ihnen geprüfte NGO zu geben. Sie fragten nicht nach Geld für sich selbst. Dies hat einen sehr positiven Effekt. Für Langzeitspender ist ihre Beziehung zur Organisation eine Partnerschaft. Dies stimmt für Einzelpersonen sowie Angestellte von Regierungsprogrammen und Stiftungen.
Aus Spendern eine Herde machen
Versteht man einmal die Weltanschauung eines Menschen, ist es auch einfacher zu verstehen, warum sie etwas geben. Jedoch: Die Weltanschauung der Organsiation kann sich von der der Spender unterscheiden. Man darf die eigene Geschichte in keine Richtung zwängen, sollte aber auch nicht auf den eigenen Bedürfnissen verharren. Stattdessen sollte man sich fragen: Was sind die Bedürfnisse des Spender und wie passen wir dazu?
Ein Schlüsselwort: “Herden”. Als guter Fundraiser muss man versuchen, aus Spendern und Unterstützern eine Herde zu machen. Alle müssen sich fühlen, als seien sie Teilnehmer und nicht nur Geldgeber für eine Gruppe von Menschen, die dann alleine losgehen und ihre Sache durchziehen. Trotzdem: Analysen sind auch wichtig.
Ein Beispiel: Eine NPO ist irgendwie an alle Namen und jährlichen Einkommen von gezielten High net worth Individuen gekommen. Im nächsten Schritt wird dann die Strategie festgelegt: Wer ist wem am nächsten? Wie können wir uns den Leuten nähern?
Die Botschaft ist sehr wichtig. Sie muss eine emotionale und konkrete Idee entstehen lassen davon, was man eigentlich will. Das Bild im Rahmen ist wichtig und nicht, was auf dem Schild darunter steht!
Ich find den Gedanken irgendwie gruselig, mit Geldgebern UND der Familie in den Urlaub zu fahren. Ist das wörtlich gemeint?
Wow, danke für diesen Insider-Bericht aus NYC!
@Madison: Ich denke, das ist durchaus ernst gemeint. Wie Ito ja beschreibt: Die Beziehung zu den Geldgebern ähnelt der einer Freundschaft. Da ist auch gemeinsames in den Urlaub fahren nicht unüblich;)
klingt fast so, als hätte diese beziehung keine grenzen — ehrlich gesagt, da bin ich skeptisch…
Mich würden noch ein paar Worte zu Flattr (http://flattr.com/) interessieren…
Dank für diese wichtige (Insider)Information in so knapper Form. Danach funktioniert heute das meiste – auch Korruption. Trotzdem: wir müssen uns damit auseinandersetzen. Ist wirklich sehr spannend. Ich wünschte mir mehr Beiträge in der BG darüber.
Das moderene Fundraising ist sehr vielseitig: Sicher sind Mailings noch immer sehr wichtig, aber das Internet holt immer mehr auf. Das E-Mailing wird über kurz oder lang zum wichtigsten Fundraisinginstrument werden, ist meine Einschätzung.