Kambodscha – haben Sie diesen Namen nicht schon irgendwo einmal gehoert? Ja, richtig, in der letzten Zeit haben einige deutsche Fernsehsender mal wieder ueber dieses kleine Land in Suedostasien berichtet.
Kambodscha, ungefaehr halb so gross wie Deutschland, liegt mit nur rund 13 Millionen Einwohnern zwischen den zwei Riesen: Thailand an der westlichen Grenze und Vietnam an der oestlichen Grenze. Im Norden grenzt es an das kleine Land Laos, von dem letzten Monat berichtet wurde. Die Menschen in Kambodscha ernaehren sich zu 80 Prozent von der Landwirtschaft. Der ewig lang anmutende Mekong fliesst hindurch, um dann in Suedvietnam ins Meer zu muenden. Der Tonle Sap, ein riesiger See im Westen des Landes in der Naehe von Siem Reap gibt den Menschen rund 200 Sorten Fisch, ist Heimat schwimmender Haeuser, flutet die Reisfelder und macht den Boden fruchtbar. Phnom Penh, die Hauptstadt des Landes, begeistert mit ihrer Aufbruchsstimmung, mit bunten Maerkten, scheinbarer Anarchie im Strassenverkehr, und einem unbeschreiblichen Gefuehl der Freude, Sorge, Bekuemmertheit und Zuneigung.
Was wissen wir hier in Deutschland ueber dieses Land? Kambodscha war einst vor vielen hundert Jahren ein grosses Koenigreich. Das Khmer-Reich zog sich weit ueber die heutigen Grenzen, Richtung Thailand hinaus und schuf eindrucksvolle hinduistische Tempel, wie die Tempel von Angkor, die heute in der westlich gelegenen Provinz Siem Reap liegen. Diese Tempel haben auch dem Terrorregime der Roten Khmer widerstanden. Die Roten Khmer kamen Anfang der 1970er Jahre an die Macht und fingen dann an, vor allem Intellektuelle und gebildete Menschen systematisch auszurotten – ein Holocaust an dem eigenen Volk. Bis heute weiss man nicht genau wie viele Menschen auf diese bestialische Weise ihr Leben verloren, man schaetzt die Zahl auf ein bis zwei Millionen. Die Khmer selber sprechen von rund drei Millionen. In dieser Zeit hatte die BRD keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Kambodscha gehabt. Der Grund war nicht in erster Linie der Buergerkrieg gewesen, sondern die Anerkennung der DDR durch Koenig Norodom Sihanouk im Jahre 1969. Seitdem gibt es in Berlin / Pankow eine kambodschanische Botschaft.
Aufgrund der diplomatischen Beziehungen zwischen der ehemaligen DDR und Kambodscha, wurde einigen jungen Kambodschanern die Moeglichkeit gegeben in der ehemaligen DDR zu studieren. Die ersten Studenten kamen 1970, noch bevor der Buergerkrieg diese Moeglichkeit unmoeglich machte und studierten in Staedten wie Rostock, Leipzig, Dresden, und auch in Berlin an der Fachhochschule Karlshorst. Auch Anfang der nachfolgenden Dekade kamen wieder Studenten in die ehemalige DDR und studierten unter anderem an der Humboldt-Universitaet zu Berlin. Einige kambodschanische Studenten sind nach dem Studium nach Westberlin gegangen.
Als Mitte bis Ende der 1980er Jahre einige Kambodschaner in die Ex-DDR kamen, absolvierten sie dort meistens eine Ausbildung bzw. Lehre. Sie waren grossenteils in kleinen Staedten oder Doerfern untergebracht und haben technische Berufe erlernt. Viele von ihnen haben jedoch ihre Lehre nicht abgeschlossen, weil sie nach der Wende gleich in die BRD, oft nach Westberlin gegangen sind. Heute arbeiten diese Leute oft in der Gastronomie, einige von ihnen haben immer noch Probleme einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erlangen. Ein Asylantrag wird nicht anerkannt, weil sie zu lange schon im Ausland waren und die politische Situation in Kambodscha heute relativ stabil ist. Einige Kambodschaner haben einen deutschen Ehepartner, viele sind jedoch wieder geschieden.
Gegen Ende des Pol Pot-Regimes [Pol Pot war der Anfuehrer der Roten Khmer] kam eine dritte Gruppe Kambodschaner nach Deutschland. Diese Menschen waren Kinder und Jugendliche aus den Fluechtlingslagern entlang der Grenze von Kambodscha und Thailand. Sie kamen mit dem Deutschen Roten Kreuz aus Thailand in die BRD zu Pflegefamilien. Sie bekamen die deutsche Staatsbuergerschaft, besuchten die Schule und absolvierten eine Ausbildung oder Studium. Heute leben sie oft mit einem kambodschanischen Ehepartner und ihren Kindern in Deutschland. Nur wenige Erwachsene sind als Fluechtlinge nach Deutschland gekommen.
Kambodschaner und befreundete Deutsche haben vor 20 Jahren in Westberlin einen Verein >Studiengemeinschaft Kambodschanische Kultur< gegruendet. In der ehemaligen DDR konnten sich Studenten an der Humboldt-Universitaet zu Berlin dem Fach Khmeristik widmen und bis vor ungefaehr zwei Jahren konnte man auch noch die Sprache der Kambodschaner - Khmer an der Humboldt-Universitaet erlernen. Die Staatsbibliothek zu Berlin hat ein Sondersammelgebiet zu Kambodscha und auch in der Bibliothek des Instituts fuer Asien- und Afrikawissenschaften kann man sich mit Basisinformationen ueber dieses Land ausstatten. Ausserdem gibt es ein Brillenhilfsprojekt von Augenoptik- und Optometriestudierenden der TFH-Berlin in Zusammenarbeit mit dem kambodschanischen Verein >Kambodschahilfe e.V.<. In dem diesjaehrigen Projekt >Eye Care Mission 2005< sind im Februar diesen Jahres 13 Studenten fuer zwei Wochen nach Kambodscha gefahren, um ca. 3000 Brillen unter der kambodschanischen Bevoelkerung zu verteilen. Von Oktober 2004 bis Januar 2005 gab es im Ethnologischen Museum in Berlin / Dahlem eine Ausstellung zum Thema >Identitaet versus Globalisierung? Positionen zeitgenoessischer Kunst aus Suedostasien<. Unter vielen Kuenstlern aus Thailand, Vietnam und Indonesien konnten auch zwei kambodschanische Kuenstler ihre Werke in Berlin ausstellen: Marine Ky und Som Sophon. So konnten Museumsbesucher einen kleinen Ueberblick ueber den derzeitigen Stand der Kunst in Kambodscha bekommen. Und auch fuer das leibliche Wohl ist in Berlin mit kambodschanischen Speisen gesorgt. Leckere ausgewaehlte Speisen aus dem Land der Khmer, kambodschanische Musik und netter Service laden ein zu verweilen, eingehuellt in Angkorbilder und Apsarastatuen. Nur rund 80 gebuertige Kambodschaner leben und arbeiten in Berlin. Doch die Moeglichkeiten, ihre Kultur kennen zu lernen sind gross, man muss nur ein bisschen schauen und offen fuer laechelnde Gesichter, offene Menschen und Geschichten sein. Ich moechte an dieser Stelle allen danken, die offen mit mir ueber ihr Leben gesprochen haben und mir etwas von ihrer Kultur vermittelt haben.
Ein Kommentar zu “Fremdgehen im Programm”