Das erste Aquarium, mit dem ich etwas anfangen konnte, war wahrscheinlich der Bauch meiner Mutter, in dem ich an der Leine schwamm. Spaeter habe ich Aquarien im Zoo gesehen und in Restaurants. Ein Schulfreund hatte eins. So mit 18. Punk. Oder wollte er gern sein. Letzte Woche war ich mit meinem Sohn bei Karstadt in der Tierabteilung, wo Aquarienkaesten uebereinander stehen. Man kann den Fischen zugucken [ihre Farben leuchten] und weggehen. Zurueck in meiner Wohnung haben wir aus Matratze, Pappkarton und Rollkoffer ein Schiff gebaut, das auch mal Flugzeug und Eisenbahn war, und abends in der Badewanne kleine Plastikboote und Trichter fahren lassen.
Anders als die Badewanne ist der Ozean eine instabile Lebensgrundlage, auf der ich nur mit Hilfsmitteln stehen kann. Ebenso wie die ganze Existenz eine Aneinandereihung fluider Situationen ist, fuer die immer was beschafft werden muss, um sich zu orientieren. Mal Dinge, mal Menschen. In der Schifffahrt gibt es den Begriff des >Dead Reckoning<, eine Navigationsmethode, die ohne feste geographische Anhaltspunkte nur mit der Meeresoberflaeche klarkommen muss. Wie im echten Leben und in der Kunst. Als Kuenstler im Web agiere ich auf aehnliche Weise. Ich halte mich am Rechner fest und guck rum. Viel laesst sich unternehmen und im Namen der Kunst geht alles. Aber in welchem Verhaeltnis steht meine Kunst zur Welt, zum ganzen Drumherum des Webs - wie grenze ich sie von Erwartungshaltungen ab, die alles irgendwie interaktiv und Open Source wuenschen; oder facebookernt und second-lifernt kapitalistischen Strukturen zur Hand gehen? Vieles im Internet ist zielgerichtet, und ohne quantifizierbaren Nutzen ist es in diesem Umfeld schwer. Da reizt es mich, Kunstwerke zu bauen, die sich diesen Erwartungen verschliessen. Natuerlich soll meine Kunst sich nicht wie die Fische im Wassertank verhalten. Huebsch anzugucken, ohne Widerspruch. [Voegel sind interessanter, sie tragen visuell und klanglich zu raeumlicher Erfahrung bei.] Als ich um 2000 begann, mit Internettechnologien zu arbeiten, bot sich eine perfekte Umgebung, in der ich meine bisherige kuenstlerische Rolle [als Performer abstrakter Objekte] an BetrachterInnen abgeben konnte. Gaengige Haltungen aber, dass Netzkunst interaktiv und selbstprogrammiert sein muesse, und dass bildhaftes >Eye Candy< abzulehnen sei, fand ich so oede, dass ich mich sukzessive von offensichtlicher Interaktion abgewandt habe. Ich sehe meinen Beitrag zur Kunst als ein Agieren im oeffentlichen Raum: >Lee Marvin Toolbox<, meine zweite Internetarbeit, sollte den Fluss des Surfens unterbrechen: Das Browserfenster verschwindet, ein kleines Fenster ist da, Musik beginnt. Man muss reagieren: und sei es nur, um wieder zum >Normalen< zurueckzukehren. Fuer meine neueren Arbeiten wie >sans FEMME< sind die Voraussetzungen andere: Wenn jeder erwartet, dass man irgendwo mitmachen kann, dann unterbricht eine Internetarbeit, die zu Kontemplation und Nichtstun zwingt, den Aktionsstress vorm Bildschirm. Das Leben ist niemals gleich. Wenn ich einen Tag lang geheult habe, dann brennen die Augen, der Koerper ist muede und sehnt sich nach Veraenderung. >Lee Marvin Toolbox< enthaelt neun Objekte, die bei Orientierungslosigkeit weiterhelfen sollen und >Leonardo Log< weitere, die bei fluiden Situationen dienlich sind. Heute Morgen wuenschte ich mir: Ein Kissen, auf das ich meinen Frust ablegen koennte und einen Flugkreisel, der jeder Unabwendbarkeit ihre Plausibilitaet wegnimmt, um wieder Hoffnung zu schoepfen. Gegen den Sturz ins Gewisse dient eine leicht gekruemmte, weiche Auffangplattform, mit der man auch auf Wasser schwimmen kann. Die ist aufblasbar.