Flexibilisieren und festnageln

Am 14. Januar 1989 wurde die langlebigste Quizsendung im deutschen Fernsehen eingestellt: >Was bin ich?< Rund fuenfzig Jahre lang durfte ein vierkoepfiges Rateteam Fragen stellen wie: >Sind Sie mit der Herstellung oder Verteilung einer Ware beschaeftigt?<, >Koennte auch ich zu Ihnen kommen?<, >Machen Sie Menschen gluecklich/zufrieden?<. Kandidaten, deren Beruf am Ende unerraten blieb, gingen mit einem Schweinchen Geld nach Hause. Heute gehoert dieses Ritual der Vergangenheit an, die Fragestellung offenbar auch. So informiert das Wissensportal von Bertelsmann: Die Zeiten, als man sich ausschliesslich ueber den Beruf definierte, sind lange vorbei. Gefragt seien die so genannten Soft-Skills. Da sei es gut zu wissen, wer man ist, was man darstellt, wie man wirkt. Folglich laute die neue Fragestellung: Wer bin ich? Die Identitaetssuche wird von weniger introspektiven Appellen begleitet: Flexibilisiere Dich! Werde biegsam! Passe Dich sich staendig veraendernden Strukturen an! Erfinde Dich immer wieder neu! Kurz: Wer sich selbst kennenlernen will, legt sich besser nicht so genau fest. Gleichzeitig – und das ist wohl das zentrale Paradoxon dieser Zeit – wird allenthalben vehement das Gegenteil eingefordert: Man soll sich gefaelligst einordnen lassen, Farbe bekennen, ein Label tragen. Symptomatisch in diesem Zusammenhang: das Modell Multitalent. Welche Berufsoptionen hat jemand in >unserer< Gesellschaft, der vieles wirklich gut kann und auch wirklich gerne macht? Keine. Menschen mit diesem Profil sind nicht gefragt. Koennen nur schwer Fuss fassen. Selbst im Starkostuem haben sie ein schweres Leben. Da hilft auch kein Test weiter. Und die ganzen neumodischen Berufenamen lenken von dem Umstand nur ab, dass wir in einer merkwuerdigen Zeit leben: Identitaet, Berufung, Geldverdienen – Dinge, deren Zusammenhang besser nicht so genau hinterfragt werden sollte. Beschraenken sollte man sich lieber auf die Frage: Wer bin ich?

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