Als Einwohner von Wolfshagen und erst recht als Baumfreund entschied ich mich vor kurzem, einen Aufruf an die Oeffentlichkeit zu starten. Es geht um die alte Esche am Schloss in Wolfshagen, sie verweilt dort unuebersehbar an der Strasse zwischen Schloss und Muehle. Dem genauen Betrachter wird sofort ins Auge fallen, dass dies eine sehr starke Esche ist, wie sie in unserer Gegend ihres Gleichen sucht.
Anhand eines Fotos, das aus dem Jahr 1898 stammt, im Vergleich zu ihrer heutigen Staerke, schaetze ich das Alter dieses Baumes auf 170- 200 Jahre, womit sie nicht nur die aelteste Esche waere, die ich in der Westprignitz kenne, sondern auch einer der letzten Zeugnisse des alten Schlossparks, dessen urspruengliche Schoenheiten groesstenteils in der DDR der Saege zum Opfer fielen.
Der wunderschoene Baum hat eine aeusserst ansehnliche Wuchsform; schnurgerade bahnt er sich den Weg gen Himmel. Im letztem Jahr jedoch litt der Baum an einem starkem Blattverlust, was natuerlich den Eindruck erweckte, er wuerde kraenkeln, bei seinem Alter waere das durchaus kein Wunder. Es dauerte nicht lange und ich bekam die Information, dass auf einer Versammlung des Ortsvorstandes das kraenkliche Erscheinen dieser alten Dame thematisiert werden wuerde. Dort war allerdings keinem so recht klar, was das ueberhaupt fuer ein Baum ist, durch einen Anruf, der eigentlich meinen Vater, einem Foerster, erreichen sollte, gab ich die Auskunft, dass dies eine Esche sei. Ich war sofort mit dem Gedanken beschaeftigt, das man sich nach einer >Baumschau<, wie die Begutachtung von Baeumen genannt wird, vielleicht vornahm, diesen Baum abzusaegen, denn damit ist man hier sehr fix. Um jedoch einer nicht unwahrscheinlichen >Baumfaellaktion< entgegenzuwirken, entschloss ich mich, einige Informationen ueber den Blattverlust der Esche zu sammeln. Beim Recherchieren im Internet und in Fachbuechern ueber das Thema Waldschaedlinge wurde ich schliesslich fuendig. Blattarme Eschen sind in weiten Teilen Europas zu finden. Ab 2005 fanden deshalb Untersuchungen statt, bei denen festgestellt wurde, dass dieses Problem mehrheitlich mit dem Befall von Eschenmehltau und anderen Blattpilzen zusammenhaengt, es ist definitiv keine Folge von Trieb- oder Aststerben. Die Ausbreitung wird durch feucht- kuehle Sommerwitterung beguenstigt und genau das brachten die Sommer der letzten beiden Jahre mit sich. Im Jahr 2007 wurde ein Projekt ins Leben gerufen, das nach Erklaerungen fuer dieses komplexe Problem suchte. Die biotischen Faktoren sind demnach im Zusammenhang mit den ueberregionalen Witterungsextremen der vergangenen Jahre zu analysieren. Es waere aus diesem Grund hoechstwahrscheinlich nicht nur ueberstuerzt, sondern ein grundsaetzlicher Fehler, dieses alte Naturdenkmal zu zerstoeren. In dieser Hinsicht muss in unserer Region und ueberhaupt ein Umdenken stattfinden, da viele gesunde Baeume der Voreiligkeit von Menschen zum Opfer fallen, die sich mit dieser Thematik ganz einfach nicht intensiv genug befassen. Wir leben doch in einer Welt, in der das Erbe unserer Kultur wieder neuen Schaetzungswert finden soll, man sieht es an vielen Schloessern oder alten Gutsanlagen, die durch das Engagement von gewissenhaften Menschen wieder die Beachtung finden, die ihnen auch zusteht. Auch im Bezug auf Baeume, die oft genauso wertvolle, historische Hintergruende haben, oder, wie die alte Esche am Schloss Wolfshagen, in direkter Verbindung mit einem Gebaeude stehen, sollte etwas mehr in Betracht gezogen werden, als die einfachste Problemloesung durch das Anlegen einer Motorsaege. So sollte die Geduld dieser jahrhundertealten Baumwunder nicht belohnt werden. Es gibt viele Massnahmen, wie die Baumrestauration, die zwar mehr Aufwand kosten, im Endeffekt aber der Achtung von Natur und Kultur zu Gute kommen. Ich appeliere noch einmal an den Ortsvorstand von Wolfshagen, einen vielleicht etwas zu voreiligen Schritt zu ueberdenken, der Schoenheit unseres Dorfes ist damit mehr geholfen. Die groessten Bedenken sind sicherlich die unmittelbare Naehe des Baumes zur Strasse. Es ragt jedoch vom Stamm nur ein Starkast ueber die Fahrbahn, es waere schon verstaendlich, wenn zumindest dieser aus Gruenden der Strassensicherung entfernt werden muesste, doch einer Massnahme aus verkehrstechnischen Gruenden muss ja nicht unbedingt der ganze Baum zum Opfer fallen. Ob die alte Esche in Wolfshagen noch eine Chance bekommt, liegt wohl kaum in meiner Hand, doch ihr Schicksal soll repraesentativ fuer viele andere Aktionen stehen, die von Seiten derer, die Verantwortung haben, zu nachlaessig behandelt werden.