Machtlosigkeit – ein Gefühl, das viele kennen, besonders wenn es um den Ausbau Erneuerbarer Energien geht. Trotzdem lassen sich viele Bürger davon nicht unterkriegen und nehmen Projekte selbst in die Hand. Umweltingenieurin und Berliner Gazette-Autorin Tatiana Abarzúa hat sich einmal umgesehen.
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Der gesamtgesellschaftliche Wandel beginnt mit den Gedanken daran: Auch wenn wir uns hin und wieder machtlos fühlen, können wir Wandlungsprozesse direkt gestalten. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt es viele Projekte in Bürgerhand. Bundesweit wurden bereits über 800 Energiegenossenschaften gegründet. Parallel dazu, und auch dezentral, wurden in verschiedenen Regionen lokale Währungen eingeführt.
Angesichts des sich seit Jahrzehnten zuspitzenden Widerspruchs zwischen wirtschaftlicher Wachstumsparanoia und den Grenzen der Ressourcenverschwendung, wird die Zeit, die wir zum handeln haben, immer knapper. Viel zu sehr stecken wir noch im bisherigen konsumorientierten Denken drin. Wer hinterfragt schon Mobilität, Lebensmittel, Strombezug oder das eigene Sparbuch auf den ökologischen Fußabdruck? Und doch sind es gerade die Entscheidungen in unserem Alltag, mit denen wir konkret etwas verändern können.
Enthusiasmus und Ausdauer
Als ich das erste Mal von den “Stromrebellen” gehört habe, fühlte ich mich inspiriert und war beeindruckt von der Ausdauer der GründerInnen der Bürger-Initiative in Schönau. Konkrete UtopistInnen aus dem Schwarzwald. Die ersten, die es schafften, den Strombedarf ihrer Stadt ohne Atomstrom zu decken. Es gab mehrere Schönauer Energieinitiativen: Eltern für atomfreie Zukunft, Förderverein umweltfreundliche Stromerzeugung und Stromverteilung, Kraft-Wärme Schönau und Elektrizitätswerke Schönau. Sowie die Netzkauf GbR, die 1991 gegründet wurde um das Stromnetz in Schönau im Schwarzwald zu erwerben. Seit 1997 ist das Stromnetz in der Hand Schönauer BürgerInnen – die Bürgeriniative wurde EnergieversorgerIn.
Seit 2009 wurden die Gesellschaft in eine eingetragene Genossenschaft (eG) überführt (Netzkauf EWS eG überführt). In einem Interview erzählt Ursula Sladek, Mitbegründerin der Schönauer Energie-Initiativen, von den Visionen der Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Frau Sladeks Botschaft an Aktive weltweit ist: “Jeder kann die Welt verändern”.
Kollaborativ arbeiten in Stadt und Land
Es gibt mehrere Ansätze, wie auf lokaler Ebene die Erneuerbaren Energien ausgebaut werden können. Nach Ansicht von Andrea-Liane Spangenberg können “Bürger und Bürgerinnen Stadtwerke gründen (…) um weitere Ressourcen freizusetzen, die dann wiederum weiteren Projekten zur Verfügung gestellt werden könnten.” Eine andere Möglichkeit sei, “die Bürger-Initiativen, die es schon gibt, schließen sich zusammen und lassen daraus größeres, wertvolleres noch entstehen”.
Frau Spangenberg ist Vorsitzende des Vereins Bioenergiedorf-Coaching e.V., der 2011 gegründet wurde, und engagiert sich für eine nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum. Alle Mitglieder des Vereins arbeiten ehrenamtlich. Im Gespräch erläutert Frau Spangenberg wie die Wertschöpfungspotentiale des ländlichen Raumes genutzt werden können. Ziel sei eine regionalen Wertschöpfung zu erreichen, “die es uns ermöglicht unsere Ressourcen für uns zu nutzen – ohne dass unser teuer verdientes Geld abfließt.” Dadurch kann die Gesellschaft “widerstandsfähig werden” und “wirtschaftliche Krisen meistern”. Mittlerweile ist der Verein nicht nur in Brandenburg tätig.
Transparenz
Das Netzwerk der Energieblogger setzt sich bereits aus über 50 BloggerInnen zusammen. Sie gründeten die Initiative “um eine laute Stimme für die Energiewende von unten zu sein. Für die Energiewende aus Bürgerhand.” Ihr gemeinsames Ziel ist: “100 Prozent Erneuerbare bis 2050.” Mit Tina Ternus, einer Vertreterin der Energieblogger, habe ich mich über diese Initiative unterhalten. Ihrer Meinung nach ist “bei der Debatte um die Energiewende oder das EEG eine auffallend große Einseitigkeit zu beobachten”.
Die Energieblogger untersuchen “diese Einseitigkeit der Schlagzeilen”. Dabei stellen sie fest, dass die Kampagne “EEG-Stoppen sonst scheitert die Energiewende” von der Public-Affairs-Agentur “Service Plan Public Opinion” durchgeführt wurde “mit dem Ziel, das EEG möglichst abzuschaffen”. Das Selbstverständnis der Energieblogger sei auf derartige Widersprüchlichkeiten und Lobby-Kampagnen hinzuweisen. Sie möchten die Öffentlichkeit informieren und “die ganzen Zusammenhänge und Vernetzungen” aufdecken. Interessierte finden auf der Webseite Hintergrundwissen zu verschiedenen Kampagnen von Lobbyisten, wie der Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM), dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI), oder dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).
Politisch hoch brisant ist eine Kampagne der Düsseldorfer PR-Agentur Deekeling Arndt Advisors (DAA). Das Deutsche Atomforum erteilte der Agentur den Auftrag, bis zur Bundestagswahl 2009 „die politische-öffentliche Debatte um die Verlängerung der Restlaufzeiten deutscher Kernkraftwerke positiv zu beeinflussen“. In der Zeit galt der rot-grüne Atomkonsens über die Begrenzung der Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland. Bei der Bundestagswahl 2009 erhielt Schwarz-Gelb eine parlamentarische Mehrheit. 2010 beschloss der Bundestag die Laufzeitverlängerung.
Anm.d.Red.: Der Beitrag basiert auf Interviews, die Tatiana Abarzua bei SLOW POLITICS führte. Aufzeichnungen der Interviews sind auf Video archiviert. Die Fotos im Text stammen von Peter Nijenhuis und stehen unter einer Creative Commons Lizenz.
Böse Lobbyisten gibt es natürlich nur bei den anderen. Während eine stetig wachsende millardenschwere Öko-Industrie stets graswurzelrevolutionär und per se gaaanz lieb ist?