Viel zu frueh fuer achtzehnjaehrige Schueler machen wir uns an einem Sonntag auf den Weg an die Ostsee. Meine Klasse, die 12b, besteht zu fuenfundsiebzig Prozent aus Maedchen, ich bin leider auch ein Maedchen, und so sind die Jungs fuer uns echt Mangelware. Hinzu kommt, dass auch noch einer von unseren beiden Schwulen mit auf die Exkursion kommt. Man [oder Frau] kann sich also gleich alles abschminken. Macht mich nicht allzu traurig. Surfen sollen wir lernen, eine ganze Woche lang, doch wir muessen erst einmal die Abfahrt meistern, denn zwei Minuten vor der Abfahrtszeit unseres Zuges bemerkt Frau Dr. A., dass wir auf dem falschen Bahnsteig stehen.
Verpennt und verpeilt erreichen wir den Zug dann doch noch. Pepelow an der wunderschoenen Ostsee soll das Ziel der Reisegruppe aus Pritzwalk [eine Provinzstadt auf halbem Weg zwischen Hamburg und Berlin] sein. Irgendwie kommen wir auch an. Drei wunderschoene, junge Surflehrer entschaedigten uns Maedels ein bisschen, wegen der erwaehnten Jungsknappheit. Ich habe nicht viel im Gepaeck, das neue Buch von John Irving, ein U2- Greatest Hits-Album, eine Paranoia- CD, die mein Freund Andy mir mal gebrannt hat und einen Notizblock, den mein Freund Florian irgendwann mal in seinem Copy-Shop gefertigt hat. Um die Zimmeraufteilung wurde sich schon vor der Exkursion gestritten, genau wie damals in der dritten Klasse.
Nach der Einfuehrung im Surfcamp gehts auch gleich auf die Bretter. Mir gelingt im Gleichgewichtsspiel ein besonders grosser Coup, ich schaffe es, Herrn H., unseren grossartigen Sportlehrer und Tutor, der auf eine sympathische Art und Weise aeusserst frauenfeindlich ist, vom Brett zu stossen. Darueber wird noch die ganze Woche philosophiert. Mitten in der Nacht fuehren wir auch sehr anspruchsvolle Gespraeche. Die Zwillinge A. und
B. sind sauer, dass sie geweckt werden, sorgen dann aber fuer Stimmung [neben dem Tequila]. Es werden alle Themen besprochen, von Frauenkrankheiten bis hin zum versautesten, was sie je gemacht haben [A. hat ganz unspektakulaer mal ein Kartenspiel mit pornografischen Motiven gespielt]. B. freut sich am naechsten Tag, dass unser Surflehrer einen so knappen Neoprenanzug traegt, denn dadurch kommen all seine koerperlichen Vorteile gut zur Geltung.
Unsere Lehrer verlieren sich immer mehr in ihren eigenen Verhaspelungen und irgendwann macht es keinen Spass mehr, die ganzen Sprueche ueber Herrn H.s Brett usw. aufzu-schreiben. Neben dem Tequila ist >Smirnoff Ice< das absolute Lieblingsgetraenk an den Abenden. P. findet heraus, dass wir viel Geld sparen, wenn wir einfach Wodka mit Limettenbrause mischen. Das spannendste Gespraechsthema bleibt der heisse Flirt zwischen C. und R.. Mit ein bisschen Gras und seinem herzerweichenden Laecheln gelingt es R. die C. rumzukriegen. Ein heisser Diskussionsstoff, weil sich alle einig sind, dass R. ein viel zu netter Junge fuer C. ist. Naja. Ich habe dann noch einen handfesten Streit mit T., einem Jungen aus der Parallelklasse, der sich darueber aufregt, dass ich nicht auf Klo gehe und einfach anfange zu pinkeln. Das ist zu viel fuer ihn, denn er ist ein wenig verklemmt und ich ein wenig angetrunken. T. und ich gehen uns seitdem aus dem Weg. Am letzen Abend gibt es dann eine Disko fuer uns Jugendliche. Sie wird im Surfcamp Zappelbunker genannt, denn sie findet in einem echten Bunker statt. Dort sind es ungefaehr achtzig Grad, man kommt um vor Hitze. Wir versuchen trotzdem zu tanzen, doch der durchgeknallte DJ singt lauthals bei jedem Lied mit. Es ist ein schoener Anblick, den etwas aelteren Herrn H. zu Hip Hop tanzen zu sehen, er hat diese Bewegung mit der Hand echt drauf. Irgendwann wird es zu heiss...