>Was ist eigentlich ein Volkspark und wer ist der Held?< fragt Carol Lu, Kunstkritikerin und Kuratorin aus Beijing. >People’s Park< ist der Titel eines Konzeptes, das Transformations- prozesse in China mehrdimensional und interdisziplinaer am Beispiel des >Volksparks< und seiner Geschichte aufzeigt. Carol Lu kuratiert >People’s Park< und beschaeftigt sich seit 2005 mit diesem Thema in Ausstellungen, Vortraegen und Publikationen. Ein Plastikboot in Form eines Schwanes schippert romantisch mit einem jungen Paerchen ueber einen grossen Teich inmitten eines grossen Parks in einer x-beliebigen chinesischen Grossstadt.
Diejenigen, die kein Boot fahren, turnen vielleicht an den fest installierten Geraeten fuer Alt und Jung, spielen Schach oder picknicken an Steintischen. Einige Menschen durchlaufen die Wege des Parks rueckwaerts, bleiben stehen und klopfen sich die Extremitaeten ab. Einige tanzen, spielen Federball oder singen. Mehrere aeltere Maenner haben ihre Vogelkaefige an Aesten aufgehangen, um den Vogelstimmen zu lauschen. Zwei kleine Kinder knabbern an kandierten Fruechten, die es an vielen Staenden zu kaufen gibt. Ein Tai-Chi-Meister bewegt sich lautlos und mit geschlossenen Augen in weissem Seidengewand. Eine Idylle? Truegt sie?
Ein >Volkspark< ist fuer Carol Lu im heutigen China >a gray public space< eine Grauzone. Waehrend ein Park in China die einzige Gruenflaeche in Grossstaedten wie Shanghai darstellt oder als Nacherholungszone gelten koennte, wo Chinesen trotz Wirtschaftwunder im wahrsten Sinne des Wortes >mal aufatmen< koennen, sieht Carol Lu neben der kontemplativen Dimension eher die politische. Gaerten waren frueher nur hohen Beamten, Gelehrten und Priviligierten zugaenglich, und die chinesische Gartenkunst mit seiner Detailliebe gilt bis heute als grosse Kunst.
>Volksparks< sind im heutigen China nach Carol Lu vielmehr Produkte und Ueberreste der kommunistischen Partei fuer Land und Leute als Ablenkungsmanoever mit Suchtpotential. Vergnuegungssucht und Sehnsucht nach Leben gegen Rast- und Trostlosigkeit im taeglichen Mitrennen um das Wirtschaftswachstum von Land und Leuten. Entspannung fuer die angespannten Mitlaeufer am Abend oder Raum fuer marginalisierte Stehenbleiber, die schon vormittags den Park bevoelkern auf der Suche nach Gemeinschaft fuer ein paar Stunden, um der Anonymitaet zu entfliehen. Ein >Volkspark< ist nach Carol Lu ebenso Auffanglager fuer Abermillionen in der Globalisierung Gestrandeten als auch fuer in der Globalisierung Erfolgreichen vielleicht der kleinste gemeinsame Nenner einer hochkomplexen Gesellschaft, die nur schwer auf einen Nenner zu bringen ist. Carol Lu hat viele namhafte chinesische Kuenstler dazu Stellung beziehen lassen und diese ausgestellt. Sie entwerfen ein mehrdimensionales, ambivalentes und problematisches Bild vom >Volkspark< und fragen, ob dort Helden oder Marionetten spazieren geht? Oder ob Helden Marionetten sind? Oder ob alle >a faceless mass< eine gesichtlose Masse sind?