Ein Tag in Anzio

>Wittgenstein sagt!< singt Tilman Rossmy, und der Philosoph hinterliess viele bekannte Saetze. Mit seinem vielleicht bekanntesten benennt er das Verhaeltnis von Sprache, Grenze und Welt - meiner Sprache, meiner Grenze, meiner Welt. Denn fuer Wittgenstein ist Sprechen immer Teil der Lebensform, das Ausueben eines versprachlichten Spiels. Sprache faellt direkt auf den individuellen Sprecher zurueck, seine Sprech-Performance und auf erprobte und bewaehrte Regeln, die dieses Spiel anleiten. Sprechen heisst dann sich nicht bewusst fuer Worte, Namen, Saetze zu entscheiden, sondern Regeln zu befolgen, Bedeutung nicht herzustellen, sondern zu imitieren. Doch funktionieren die Sprach-Gewohnheiten nicht immer. Nur in normalen, verlaesslichen Situationen, in denen wir nicht zweifeln brauchen oder zweifeln koennen.

>Unsere Sprache kann man sehen als eine alte Stadt […], umgeben von einer Menge Vororten mit geraden und regelmaessigen Strassen und mit einfoermigen Haeusern.<, sagt Wittgenstein ebenfalls. Sind jene ueberschaubaren Vororte die befriedeten Quartiere unserer Sprache, unserer Kosmen, jene fluechtigen Augenblicke, in denen wir der Welt zweifellos sicher sind? Vielleicht fuehle ich mich deshalb in Kleinstaedten immer so wohl - fuer einen Moment, wenn ich ankomme. Laenger bin ich nie da. So wie neulich suedlich von Rom…Der helle Sonntagmorgen am beruhigten Wasserspiel bringt mich zurueck zum Frueher, als die Welt noch klein war, und ich auch. Grenzen spueren hiess sicher sein – der Spaziergang durch wenige Gassen, immer das Ganze gefuehlt, macht mich zum Teil aber nicht zum Puzzelstueck. Kann Enge frei machen, Ueberschaubarkeit? In Kleinstaedten ist alles geloest, aufgeloest – ausser dem fremden Gedanken. Hier war alles vertraut, auch ich mir. Klein bedeutete nicht gross, aber immer noch da. Mein Strassenhunger scheint fuer einen Moment gestillt, ruht wie der Blick des Kindes auf das einzelne Kuchenstueck im Grosse-Torten-Laden. Suess UND erreichbar. Doch bleibt es beim Blick. Kaufen tue ich nichts. Die Zeit will weiter. Ein Tag in Anzio, kleine italienische Kuestenstadt, ein Tag am Meer kleiner Erinnerungen und zufriedener Antworten. Ich muss gehen, neue/alte Zweifel rufen, weil >es nicht sicher ist, dass es die Welt ueberhaupt gibt.< [Tilman Rossmy]

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