Bei den Lobeshymnen auf das Internet wird eines häufig vergessen: Nicht alle haben Zugang. Dieser Zustand wird als digitale Kluft bezeichnet. Wie sich diese in Eigeninitiave überwinden lässt und was der Zugang zum Internet speziell im Hinblick auf Bildung verändern kann, zeigt Macha, ein kleiner Ort in Sambia. Dort hat der Sonnenblumenbauer Fred Mweetwa gerade einen Online-Studiengang in Journalismus belegt und seine eigene Radiostation gegründet.
Aarons Geschichte hat mich am meisten fasziniert. Noch vor ein paar Jahren war seine Ernte an Sonnenblumenkernen gerade erträglich. Die Kerne verkaufte er, das Öl zum Kochen kaufte er wieder ein. Viel mehr als das täglich Brot sprang nicht heraus für Aaron und seine Familie. Subsistenzwirtschaft wie sie fast überall herrscht, wo afrikanische Bauern ihre kleinen Felder bestellen. Aber dann kam das Internet nach.
Aarons Heimatort liegt nur 200 Kilometer Luftlinie von Sambias Hauptstadt Lusaka entfernt. Aber die Gemeinde mit ihren 30.000 Einwohnern ist doch weit abgeschnitten von jeglicher Infrastruktur. Hierher führen nur schlechte Straßen und wenig Stromleitungen.
Technische Aufbruchstimmung in Macha
Wie das Internet das Leben in dem Dorf ändern kann, merkte Aaron, als auf dem Feld seines Nachbarn Fred die Sonnenblumen plötzlich besser wuchsen. Was war geschehen? Nun, Fred hatte sich informiert. Auf der Internetseite der sambischen Landwirtschaftsbehörde hatte er gelesen, wie man Sonnenblumen effektiver anbaut.
Dass Aaron wenig später selbst zum Internet-User wird, ist typisch für den technischen Aufbruchsgeist in Macha. Heute hat Aaron seine eigene Ölpresse und verkauft das überschüssige Sonnenblumenöl im Dorf. Was er von den Einkünften abzwacken kann, spart er: Für eine größere Presse – made in Germany –, die er im Internet gesehen hat, um bald ein richtiges Unternehmen gründen zu können.
Macha hat nicht nur das Internet. Macha hat auch Leute, die es nutzen und ihre eigenen Visionen entwickeln. Allen voran Aarons Nachbar Fred Mweetwa, ehemaliger Sonnenblumenbauer, heute Manager der Organisation Macha Works. Unter diesem Dach finden sich alle Visionen und Projekte zusammen, die das Dorf – mit Unterstützung des Internets – aufgebaut hat und aufbaut.
Visionen für Macha
Mit seinem Blackberry steht Fred auf dem Feldweg, während ich Aaron das Deutsche-Welle-Mikrophon unter die Nase halte und ausfrage. Kann sein, dass Fred gerade seine letzten Klausur- ergebnisse abruft – er studiert nebenbei Journalistik in einem E-Learning-Programm an einer südafrikanischen Universität – oder einfach nur seiner Frau sagt, dass es heute später wird, weil die Gäste aus Deutschland noch die neue Radiostation sehen müssen.
Radio Vision Macha ist Freds ganzer Stolz, sein Traum. Mit dem Wunsch, Journalist zu werden, klopfte er vor sechs Jahren an die Tür von Geertjan van Stam. Der holländische Ingenieur war mit seiner Frau nach Macha gekommen, um am hiesigen Krankenhaus das Malariaforschungsinstitut zu unterstützen. Er war es, der die große Satellitenschüssel neben dem Malariainstitut aufbaute für eine Internet-Verbindung zur Sponsor-Uni in den USA. Und van Stam war es auch, der meinte, das Internet könne doch für alle in Macha zugänglich sein.
“Lokale Talente fördern” lautet van Stams Motto. Und: Nichts ist unmöglich. So baute er gemeinsam mit On-the-Job-trainierten Machianern Internetverbindungen für mittlerweile 200 Computer in der Gemeinde. Nun sind vernetzt: das Krankenhaus, wo der Klinikmanager eine Onlinekurs für Ultraschall-Untersuchungen macht, Schulen, die sich mit Schülern in Europa verlinken, oder das Internetcafé für Leute wie Aaron. Für alles, was Geld kostet, wie Computer, Studiengebühren oder Krankenhausausstattung findet van Stam Geldgeber in Sambia und Europa.
Mit den Ohren lernen
Auch die komplette Technik für Radio Macha ist von Niederländern finanziert. Seine Crew will Bald-Journalist Fred allerdings selbst anlernen. So wie er sein Wissen über Sonnenblumen weitergegeben hat, will er den Austausch unter den Nachbarn fördern und Input geben für tägliches Lernen. Dazu passt auch das Angebot von den Afrika-Programmen der Deutschen Welle: Hörspiele mit Lerneffekt, geschrieben von afrikanischen Autoren, eingesprochen von Schauspielern aus Kenia, zugeschnitten auf afrikanische Jugendliche.
Aber die Themen interessieren auch Erwachsene: Malaria, Politische Partizipation, Familienplanung oder Unternehmensgründung. Learning by Ear nennen wir das – genau, was Fred mit seinem Radio erreichen will.
Wie viele Menschen können dem Vorbild des portraitierten Bauern in Sambia tatsächlich folgen? Ich finde diesen Beitrag sehr spannend, aber diese Frage geht mir nicht aus dem Kopf. Ein ungutes Gefühl, es handele sich bei ihm um einen Repräsentanten der Benachteiligten-Elite.
Sehr interessant, vor allem die Tatsache, dass es hier eine Geschichte gibt, die vor Ort recherchiert wurde und einen so starken Bezug zur Praxis hat. Weiter so!