Ein Verbrechen zu verhindern, bevor es geschieht: Klingt gut! Potentielle Kriminelle zu bestrafen, bevor sie eine Untat begehen: Klingt eigentlich auch gut! Prophylaxe hat sich schon immer bewaehrt. Jemanden zu verurteilen fuer etwas, dass er noch gar nicht getan hat, aber ganz sicher tun wird: Ist verstaendlich. Aber die Tat wird dann gar nicht stattfinden, er wird also bestraft fuer etwas, das in der zukuenftigen Gegenwart ueberhaupt nicht geschieht ? Berliner Gazette-Lesern duerften solche Gedanken bekannt vorkommen: In seinem juengsten Beitrag erzaehlt David Rice, US-amerikanischer Si-Fi-Satiriker, die Geschichte vom zweijaehrigen Jake Fritter, der dank neuer Technologien eines in der Zukunft stattfindenden Mordes schon jetzt ueberfuehrt werden konnte.
Das Ganze funktioniert ungefaehr so: Ein PC der Gegenwart wird mit einem zukunftsbasierenden PC verknuepft – das so genannte >Zeitverknuepfungsnetzwerk< ist aktiviert. Dort wird die Anfrage aus dem Hier und Jetzt bearbeitet und die entsprechende Information zurueck in unsere Zeit geschickt. So konnte man beweisen, dass Jake Fritter in 30 Jahren ein verbrecherisches Leben fuehren und, sollte dem nicht sofort Einhalt geboten werden, sich vor Gericht des Mordes verantworten wird muessen. Ergebnis: Das Opfer eines potentiellen Moerders wurde gerettet. Die Idee der Zeitverknuepfung liegt auch Rice Projekt Future Feed Forward zugrunde. Nur geht es hier nicht um praeventive Verbrechensbekaempfung, sondern um ueberraschende Perspektiven auf die Gegenwart. Entsprechend spielt sich bei FFF alles in der Zukunft ab: >The future is our product. We sell tomorrows information today.< Unter diesem Motto bieten sich dem Besucher Nachrichten im Zeitungsstil an. Im Artikel >Bush II Never President< aus dem Jahr 2081 erfaehrt man beispielsweise, dass Bush laut einer langjaehrigen Studie niemals der 43. Praesident der USA gewesen ist. Einen groesseren Ueberblick ueber die kuenftigen Ereignisse bis zum April 2202 bietet die Timeline. Das alles ist nun aber nicht einfach nur dazu da, um bestaunt zu werden. Vielmehr wirkt es bisweilen so, als wollten diese Informationen, die quasi unsere Kinder und Kindeskinder uns liefern, den Leser aufruetteln sollen: Wenn wir wissen, was geschehen wird, taeten wir doch gut daran, dieses oder jenes zu verhindern, bzw. zu foerdern? Doch was ist, wenn es gar nicht die Zukunft ist, die da zu uns spricht? Sondern unsere eigene Gegenwart, ad absurdum? [Anmerk. d. Red.: Geben Sie mal >David Rice< als Stichwort in der Volltextsuche ein; dort finden Sie einige Texte von ihm, die bei uns bereits auf Deutsch erschienen sind und sich noch immer so frisch lesen wie gestern.]