1950 veraenderte Richard Feynman schlagartig mit einem Vortrag unter dem Titel >there is plenty of room at the bottom< die Vorstellung von den Dimensionen, auf denen sich Leben abspielt, das fuer die Wissenschaft im Namen des menschlichen Fortschritts in den Dienst zu nehmen ist. Groesse ist ein Kernproblem der Evolution. Ein weiteres die vollstaendige Aufschluesselung der als mechanistisch vorgestellten Funktionen des Gehirns. Doch sicher haette selbst Feynman nicht gedacht, dass seine Idee so schnell durchschlagen wuerde, dass heute bereits Kinder wissen, was ein Nanobot ist.
Forschungsgeschichtlich verbirgt sich ein ganzer Zoo hinter den Abstrakta von Hirnforschung, von Nano- oder Gentechnologie, ein Tiergarten voller Exemplare aus der Evolutionsreihe biopolitischer Manipulationen:
Stier: unvergessen das Bild des Yale-Professors Jose Delgado, der 1969 einem ausgewachsen Stier, Symbol von Angriff mit gesenktem Schaedel, nur mit einer schwarzen Zigarren-Kiste bewaffnet, gegenuebersteht. Die Schachtel hat zwei Knoepfe: mit dem einen stimuliert der Doktor den Bullen ueber Niederfrequenzwellen anzugreifen. Der andere versorgt eine Elektrode im Hirn des Tiers mit Strom, die ihn augenblicklich zum Schosshund macht. Zu diesem Zeitpunkt lag der Doktor schon zwischen den Hufen.
Hund: viele werden sich noch an das CIA-Projekt >Artischoke< erinnern. Im Rahmen von Artischoke wurde in den 50iger Jahren ein Hund im Kampf gegen den Terror zur Bombe umgebaut. Ein Hirnwellenstimulator machte ihn erfolgreich fernlenkbar, er konnte ueber Kilometer zielgenau gefuehrt werden. Beim Feind angelangt, zuendete der Operator Plastiksprengstoff im Bauch des Tieres. Katze: schon etwas perfider war die MKULTRA-Katze, auch eine TradeMark des CIA. Durch Umbau ihres Innenohrs sendete sie mittels einer elektronischen Konvertierungseinheit elektrische Signale und konnte so als laufendes Mikrophon benutzt werden, jedenfalls solange das auszuspionierende Suspekt Tierliebhaber ist. Maus: Weltberuehmt auch die Osmomouse, der erste Cyborg. Die Psychiater und Drogenspezialisten Klines und Clyne hatten im Auftrag der NASA das Problem zu loesen, wie Astronauten die langen Flugzeiten im All in voelliger Bewegungslosigkeit physisch und psychisch ueberstehen koennten. Ihr Vorschlag passte erstmals nicht den Raum den Beduerfnissen des Lebewesens an, sondern ging den Weg andersherum. Probehalber montierten sie einer lebenden Maus eine osmotische Pumpe anstelle des Schwanzes an und liessen diese ueber lange Zeit niedrige Dosen Psychopharmaka abgeben. Kakerlake: einen Schritt weiter in der selben Richtung gingen Mitte der 90iger Jahre das international besetzte Forscherteam um Prof. Isao Shimoyama von der Tsukuba University in Tokio. Sie loesten ihr Batterie- und Gewichtsproblem fuer eine autonome Mikrorobotikeinheit mit fernsteuerbarer Spionagekamera, indem sie statt des Roboters die Kamera in das Rueckenschild einer Kakerlake pflanzten. Diese kafkaeske Biomaschine tut von Natur aus alles, was ein Roboter lange lernen muesste: schnell wegflitzen, wenn es hell wird, Ritzen zum Verstecken finden, sich an der Decke festhalten, und sie hat vielmehr Kraft und quasi vergleichsweise endlose Energiereserven. Der groesste Vorteil: sie kostet nichts und hat viele Brueder und Schwestern. Shimoyamas Kakerlaken sind per Sender fernlenkbar, stoppen auf Befehl und koennen so auch mit weiteren praeparierten Artgenossen gemeinsam als Schwarm eingesetzt werden, ein absurdes Ballett insektoider Roboter. Bakterien: im Mai 2002 ist in Amerika nun die Gesetzesaenderung verabschiedet worden, die erlaubt, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus Bakterien zu verwenden, die den Beton irakischer Fluglandebahnen zersetzen oder den Tankinhalt von Taliban-Jeeps leerfressen. Ohne die 50 Jahre Vorgeschichte in ABC Kriegsfuerhung klaenge das wie ein Nachtmar oder die Vison eines Freaks im Drogenkater. Das cell-gates Projekt am MIT in Boston beforscht schon seit gut einem Jahrzehnt einen Processor, der von genmanipulierten Escheri Choli >betrieben< wird. Die Wissenschaftler sehen sich dabei als Ingenieure, die den Produktionsplan einer kleinen Biochemiefabrik neu schreiben, eben von Darmbakterien, die ein lebendiges Computerherz bilden, Millionen von Ja- und Nein-Sagern, eingekapselt in Technikbausteine, in einem geschlossenen cyborgischen Mikrouniversum. Mensch: 1970 las sich das Thema wie ein Nazi-Schundroman. Zwei Forscher vom Kaliber eines Dr. Seltsam namens Rubenstein und Aldrich hatten einen Apparat entwickelt, der Schwitzgebel-Maschine heisst. Diese war in der Lage, auf der Basis sogenannter radiotelemetrischer Messungen saemtliche physischen und neurologischer Signale einer anvisierten Persons ueber eine Meile Distanz exakt aufzuzeichnen. Ebenfalls unvergessen: die Liebeserklaerung einer Patientin an ihren Psychiater, auf Video festgehalten und auf zahllosen Umwege in die OEffentlichkeit gelangt. Der Arzt hatte im Dienst der Leidensminimierung mit einer Elektrode das Hirn der Patientin punktgenau stimuliert und so ihren agressiven Dauerzustand in augenblickliche Froehlichkeit und Zuneigung verwandelt. Als 1977 die New York Times darueber berichtete, welche Experimente im canadischen Allan Memorial Institute mit den Patienten ausserdem noch angestellt wurden, kam es zu einer Kette von Publikationen, das CIA versuchte, saemtlicher Unterlagen habhaft zu werden, doch ein Dominoeffekt trat ein, Geheimprojekte aller Art platzten. Mengen von Unterlagen zur MK kamen unerwartet ans Tageslicht. Heute, keine dreissig Jahre spaeter haben zynische Poeten im Dienst der amerikanischen Defence Intelligence Agency eines der groessten laufenden Programme zum Thema Nonlethalitaet und Direkte Gehirn Kontrolle mit dem Titel >Sleeping Beauty< ueberschrieben.