In Papierform gepresste Sahnetortenstücke mit dem Namen Cupcakes sind das neue Schmuckstück Friedrichshains. Und so wie sie das Image der verstaubten Sahneschnitte aus Omas Kaffeekränzchen aufpolieren, so wird auch Berlin wieder cool – sagt Berliner Gazette-Autor Sebastian Wein.
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Berlin ist wieder cool. Extrem. Oder vielmehr: Berlin macht Cooles. In Berlin werden Trends gesetzt. Seit Neuestem ist das die Sahnetorte. Kennen wir doch! Gab’s bei Omi frueher immer! Alles schon mal da gewesen? Fehlanzeige. Und zugleich doch nicht. Fuer einen Trend ist klar: Es muss irgendwas Neues da sein.
Das alte Image mit Kaffeehausatmosphaere, Omas mit Hueten oder Opas mit Schlips und Scheitel beim Leichenschmaus geht also schon mal gar nicht. Ist einfach nur uncool. Schliesslich sind Trends vornehmlich der Jugend vorbehalten. Und die braucht immer Sex, Drugs, Rock n Roll, Fitness, BioBio, Wellness und ein ueberbordendes Mass an individueller Schoepferkraft. Obwohl man Letzteres gerne anderen ueberlaesst.
Das laesst sich unmoeglich alles miteinander vereinbaren? Schon wieder Fehlanzeige. Unter einem einzigen Kaffeehaus- oder korrekter: Cupcakestoredach. Natuerlich nur in Berlin. Und bitte: Hierbei keinen Gedanken an das uncoole Cafe Kranzler in Mitte verschwenden! Das ist mindestens tausend Jahre alt und wird eh nur von Touris besucht, die in ihrem Fremdenfuehrer von den >goldenen Zeiten< des Cafes in Zeiten des Wirtschaftswunders gelesen haben und zwanghaft ein Stueck authentisches Berlin sich naeher zu bringen ersuchen. Der neue Trendtortenkabuff steht in Friedrichshain.
Was hier geboten wird, ist einfach nur hip: Kreative Koepfe haben das unhandliche Sahnetortenstueck, das eh nie heil auf den Teller gebracht werden kann, einfach in ein kleines Papierfoermchen gebracht! Nicht zu fassen. Kennt man auch schon? Richtig, aber nicht als ganz bewusste Suende, die sich als subversiv zum Gesundheitstrend erweist und in Rappern, Rockern, Bikern, Punks und Alternativen eine absolut unspiessige Gefolgschaft hat. Cupcakes sind leicht, fluffig und ihr Teig wird nach der traditionellen Ruehrkuchen-Methode hergestellt. Ihr appetitanregendes Aeusseres bekommen Cupcakes durch die suesse Frostinghaube aus aromatisierter Butter- oder Frischkaesecreme.
Aromatisierte Frischkaesecreme? DAS ist cool. Da der Zucker mit der zunehmenden Kriminalisierung von Alkohol und Nikotin das Potential zur Modedroge der Zukunft hat, waere neben Wellness und der Schoepferkraft der TTK-Besitzer auch schon der Bereich >Drugs< erfuellt. Den BioBio-Effekt bekommt man, wenn man sich statt fuer die suendige >oh-so-pretty pink vanilla buttercream-Variante< fuer die vegane Ausfuehrung der cremegekroenten Schnabulierstuecke entscheidet. Und der Sex, der Rock ‘n’ Roll: >Um viel Sex und Drogen machen zu koennen, muss man ab und zu mal Kuchen essen.< Sagt Hardcore Rapper Volkan, der als einer der regelmaessigen Liveacts aus der Berliner Szene fuer den letzten Coolnesskick und die endgueltige Abgrenzung von Kranzlerkaffeehaus- atmosphaere sorgt. Er muss es wissen. So gesehen ist der neue Trend aus abstrahierter Sichtweise Folgendes: die Renaissance und Zweckentfremdung der lange vor sich hin duempelnden Spiesserkultur der Sahneschnitte zwecks der im Gegensatz dazu stehenden Foerderung absolut unspiessiger, trendiger Drogen-, Rock- und Jugendszenen.
Anm.d.Red.: Das Motiv oben basiert auf einem Foto von Clare&Dave und steht unter einer Creative Commons-Lizenz.