Hat in Deutschland wirklich jeder Abiturient, ungeachtet seinem sozialen Hintergrund und den Einkommensverhältnissen seiner Eltern, das Recht und die Möglichkeit auf eine weiterführende Bildung an Hochschulen und Universitäten? Berliner Gazette-Autor Fabian Wolff hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt und auch eventuelle Hilfen gefunden, die den Zugang erleichtern sollten.
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Dinge, die ich während der Veranstaltung Bringst du mich zur Uni, Papa? gelernt habe: 1. Manche Leute sind gewillt, für (treife!) Bagels unanständig viel Geld zu bezahlen. 2. Sonnenschein und Grünflächen sind besser als Podiumsdiskussion. 3. Wenn Podiumsdiskussion, dann bitte wenigstens mit einem unsympathischen Buhmann als Lastenausgleich.
In der Diskussion über Hochschulzugang und soziale Selektion hat Frank Steudner vom Stifterverband für die deutsche Wirtschaft diese Rolle übernommen, und das auf ganz famose Weise. Berichte von Studentinnen beispielsweise, die auf Grund ihrer ausländischen Herkunft oder ihrer Mutterschaft von Prüfungen und Studiengängen ausgeschlossen wurden, kommentierte er mit einem scheinbar entrüsteten “Kann ich mir schon vorstellen, dass es noch so verstockte Professoren gibt”.
Wie hier ein Problem scheinbar anerkannt und gleichzeitig verharmlost wird, das ist ein wahrer Lehrgang in Perfidie. Das eigentlich debattierte Problem aber war ein sehr viel allgemeineres. Denn: Wie Elke Middendorf vom Hochschul-Information-System anhand von Zahlen aus der letzten Sozialerhebung darlegte, kommen die meisten Studenten selbst aus Akademikerfamilien, während nur die wenigsten Kinder aus unteren Einkommens- schichten den Weg an die Universität wagen.
Wer kein Geld hat, hat kein Geld
Vivian Hinz, selbst betroffen, sah den Grund dafür vor allem in der Unwissenheit über Förderungsmöglichkeiten und finanzielle Unterstützung über das Bafög hinaus. Dort setzt die Initiative Arbeiterkind an, für die sie neben dem Studium ehrenamtlich tätig ist: Als Mentorin berät Hinz Schüler aus Arbeiterfamilien. Es sei ein Kampf gegen die Angst vor der finanziellen Belastung, den sie selten gewinne. Die Untragbarkeit eines Studentendarlehens verhindere, dass viele qualifizierte Schüler ein Studium überhaupt in Erwägung ziehen.
Es ist das alte Problem: Kein Geld ist kein Geld ist kein Geld, und Bacherlorpunkte, Regelstudienzeit und Nebenjob lassen sich auch nur schwer vereinen. Da kann Steudner nur “Sicher, sicher, nicht gut” erwidern, um dann noch von freier Bildungswirtschaft zu schwadronieren, die das schon alles richten werde. Das Publikum wird unruhiger, es gibt vereinzelte Zwischenrufe und höhnisches Gelächter.
Steudner sagt mit dünkelhaftem Grinsen etwas vage neoliberales und Studentenschmähendes und lehnt sich dann wieder zurück, zufrieden mit sich und einer Welt, in der der Markt das schon regeln wird. Und ich bin ganz dankbar, dass die Bagels zu teuer waren: Spätestens jetzt hätten sie, halbverdaut, den schönen Fußboden besudelt.
haha! habe herzlich gelacht bei dem letzten Absatz! aber das geschilderte problem ist tatsächlich vorhanden – und vor allem in Deutschland so extrem ausgeprägt. hier sieht man mal wieder, wie wenig das neoliberale modell tatsächlich taugt: es kämpfen sich eben nicht alle nach oben, die intellektuell gesehen, die chancen dazu hätten.
Danke, das musste mal gesagt werden!
Danke für den interessanten Hintergrundbericht zum tazLab. Ich konnte leider selbst nicht hingehen, aber mich würden noch ein paar Infos zur generellen Stimmung des tazlabs interessieren: Waren dort viele Studenten, gab es auch Auseinandersetzungen unter den Studenten oder waren alle Veranstaltungen eher als Podien organisiert?
Was ist denn Dein persönlicher Ausblick – Deine Perspektive zu diesem Thema?
@Magdalena: Ja, es gab viele Studenten, aber die Veranstaltungen, auf denen ich war, waren eher von Alt-tazlesern besucht.
@ccm: Steudner hat mich angewidert, verheuchelt, wie er war. Ansonsten ist diese Angst vor der finanziellen Belastung, von der Hinz spricht, durchaus vertraut – sei’s persönlich oder durch Erfahrungsberichte.