Wasser ist das Element, oder sagen wir: Der Ort, an dem ich das erste mal schoene, junge, nackte Menschen gesehen habe. Das muss Ende der Siebziger gewesen sein. Man bewahrt sich da eine gewisse aberglaeubische Dankbarkeit. Ansonsten halte ich es nicht so sehr mit dem Elementaren und mehr mit dem Zusammengesetzten und Komplexen.
Als Kind dachte ich, Aquarien sind Gefangenschaft, wenn auch eine schoene. Man projiziert halt, denn Kindheit ist Gefangenschaft [in Naturdummheit und unter der Elternfuchtel]. Spaeter habe ich begriffen, dass Tiere, auch Fische und Wassersaeuger, natuerlich nicht Gefangenschaft, also Unrecht, empfinden, sondern bloss Leiden an der Bewegungseinschraenkung, also Unwohlsein. Leiden soll man natuerlich allen Geschoepfen ersparen, aber es waere falsch, zu sagen, die Menschen in den Grossraumbueros saessen in Aquarien. Man kann im Zoo ganz allgemein viel darueber lernen, wie der Unterschied zwischen Menschen und Tieren funktioniert.
Natuerlich sitzt kein Mensch im Aquarium, der im Grossraumbuero sitzt. Der Unterschied hoert auf den Namen >Arbeit<. Ausserdem steht es den Leuten frei, zu gehen. Sie kriegen dann halt Hartz IV oder gar nichts. Der Fisch wird nicht gefragt. >Informationsfluten< ist auch so ein Wort, das eine enorme Dynamik suggeriert, wo doch jeder Akt des Zurkenntnisnehmens von irgendwas in Wirklichkeit eine Leistung ist, kein Ueberspueltwerden. Die Naturalisierung von Sozialem ist etwas Fuerchterliches. Man darf sowas nur in absoluter Notwehr machen [gegen die Kirche z.B., wenn man sich drauf einlaesst, von dieser verbotene Liebespraktiken als >natuerlich< zu loben. Mir waers lieber, man sagte, sie sind halt schoen].
Wasser neu denken, neu gestalten, nun ja, ich glaube, bevor man etwas neu erfinden kann, muss man es verstehen. Das Leben vom Wasser her denken, da steckt viel Philosophie drin, die mir, weil sie die Dinge einfacher macht, als sie sind, nicht ganz geheuer ist. Das Leben hat sich im Wasser das erste Mal geregt, aber darueber sind wir raus. Es gibt neuere Fluessigkeiten. Was nicht heisst, dass man das gute alte Loesungsmittel nicht fuer vieles braucht; zum Beispiel gegen das Verdursten. Aber beim Streit darum, wer wen verdursten lassen kann, hoert die Elementenlehre schon auf und faengt die Politik an.
Wir verstehen die Politik nicht besser, wenn wir sie vom Wasser, von der Zahnpasta oder vom Schlumpf her denken. Rauschhafte Metaphern sind was zum Erzeugen von Stimmungen und Haltungen, beim Argumentieren sollte man sich bezaehmen.
Als ich in >Die Abschaffung der Arten< geschrieben habe, Licht sei Wasser, wollte ich sagen: So, wie sich Fische im Wasser bewegen, kann sich Information, Intelligenz, eigentlich in jedem Medium bewegen, das den Unterschied zwischen >eingeschaltet< und >nicht eingeschaltet<, also >0< und >1<, >ja< und >nein< zulaesst. Je weniger Reibungsverluste, desto anmutiger natuerlich die Bewegung. Deshalb will man Delphin sein. Jeder Wunsch, etwas anderes zu sein als das Vorgeschriebene oder Vorgesehene, ist revolutionaer.
Die Revolution, von der mein Artenbuch handelt, ist sozusagen eine defensive: Wer die Mittel zur Verbesserung der Verhaeltnisse bei der Hand hat, und das nicht tut, verschlechtert die Verhaeltnisse. Damit das nicht passiert, tun die HeldInnen in meinem Buch ihre Pflicht.
Ich wuerde die Welt nicht im Hinblick auf Wasser veraendern wollen, sondern im Hinblick auf die Welt. Die Welt, das heisst ja: Die Welt der Menschen. Die Gesellschaft. Alles, was Leute brauchen, also auch Wasser, sollen Leute auch kriegen, ohne Terror, ohne Berechtigungszettel, ohne erzwungenes Wohlverhalten, solange das technisch irgend zu machen geht.