Menschen inspirieren, das möchten sie. Die Macher von transform sammelten mittels Crowdfunding 10.000 Euro ein, um die erste Ausgabe ihres Magazins zu drucken. Der Titel lautet “Wir schmeißen alles hin!”. Welche Motivation steckt hinter der Magazin-Idee? Können Texte Hebelwirkungen entstehen lassen, die zu großen Veränderungen führen? Umweltingenieurin und Berliner Gazette -Redakteurin Tatiana Abarzua sprach mit Herausgeber Richard Gasch. Ein Interview.
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Du bist Herausgeber des transform Magazins. Auf der Website wird transform als “das neue Magazin für’s Gute Leben” präsentiert. Gibt es nicht schon genug Magazine auf dem Markt? Welche Lücke habt ihr gesehen? Und wie habt ihr geglaubt, die Lücke füllen zu können? Kurz: Was hat Euch dazu bewogen, das Magazin zu gründen und was für eine Idee steckt dahinter?
In der Tat gibt es bereits unglaublich viele Magazine, aber vieles bei denen störte uns: Auf der einen Seite sind da all die feelgood-Heftchen, die den Rückzug in Garten und Küche propagieren. Auf der anderen Seite sind da Magazine, die voll sind mit ermüdender Kritik an den Verhältnissen und Schuldzuweisungen an Politik und Unternehmen. Also genau dem Kram, der uns alle so ohnmächtig fühlen lässt angesichts erdrückender Krisen und gesellschaftlicher Probleme ohne Lösung.
Was unterscheidet transform von vergleichbaren Zeitschriften, die den Fokus auf ökologische und gesellschaftspolitische oder Freizeit-Themen legen?
Aus unserer Sicht schaffen es die meisten Zeitschriften nicht, aus ihrem Milieu rauszukommen. Sie erreichen ein festes Publikum, das sich bereits von der Mitte der Gesellschaft entfernt hat. Das ist uns zu wenig.
Welche Zielgruppe möchtest Du mit diesem Magazin ansprechen?
Wir wollen versuchen, weniger stark zu polarisieren und möglichst viele Leute da abholen, wo sie sind. Wenn ein Banker in Frankfurt transform-Leser wird, haben wir es geschafft.
Welche besonderen Formate entwickelt transform, um diese Zielgruppe zu erreichen?
Mit ein wenig Theorie – ja leider gehts auch bei uns nicht ohne – versuchen wir uns den Problemen zunächst ein wenig zu nähern. Darauf folgen dann Menschen und Projekte, die genau darauf bezugnehmend handeln. Ohne Anspruch, das Problem ganz alleine lösen zu können, aber durchaus mit der Idee, dass so Hebelwirkungen entstehen können, die große Veränderungen nach sich ziehen.
Gibt es einen partizipatorischen Aspekt? Können die Leute, die ihr ansprecht auch mitmachen, das Magazin mitzugestalten?
Na klar! Wir bekommen ständig Mails von Leuten, die mitmachen wollen und genau so haben wir uns das auch vorgestellt. Unser Magazin folgt da ganz dem Open Source-Gedanken, nach dem wir das hier für die Gesellschaft produzieren – und die uns dabei auch hilft.
Bei der Beschreibung der Idee hinter transform schreibt ihr auf der Website, dass ihr “Anstöße für den gesellschaftlichen Wandel geben” wollt. Dabei möchtet ihr nicht “die Richtung vorschreiben”. Wie ist das genau gemeint?
Das ist ein Problem, was wir in Publikationen entdeckt haben die sich auf eine ganz bestimmte Zielgruppe eingeschossen haben. In kaum einer Öko-Zeitschrift wirst Du noch etwas von Ernährung lesen können, die nicht-vegan oder vegetarisch ist. Oder Probleme, die einen ganz normalen Angestellten halt so umtreiben. So wird nicht jeder alles stehen und liegen lassen und ein neues Leben in einer Lebensgemeinschaft oder im Social Entrepreneurship finden können.
Wir versuchen, da einen Schritt zurückzugehen und möglichst viele Ansätze zu vereinen, die sofort anwendbar sind, selbst wenn man noch nicht sicher ist, welche gesellschaftliche Vision dabei herauskommen soll. Es geht ganz einfach um das gute Leben außerhalb der Konsumwelten.
Was ist konkret mit dem Begriff “Zeitwohlstand” gemeint?
Wohlstand definieren wir trotz aller Beteuerungen immer noch viel zu oft als wirtschaftliche Sicherheit, die uns glücklich macht. Die Anhänger der Postwachstums-Theorie sind dagegen der Meinung, dass es eigentlich die Zeit ist, die uns glücklich macht.Die müssen wir uns erstmal freischaufeln.
Und was wir damit im einzelnen anfangen, das ist dann vielleicht eher eine individuelle Herausforderung. Soviel Fantasie gestehen wir unseren LeserInnen schon zu.
Das Kerteam von transform besteht aus 30 ehrenamtlichen Redakteuren. Schreibt jeder Redakteur / jede Redakteurin über das Thema was er / sie möchte? Oder wird es für jede Ausgabe von transform ein Hauptthema geben?
Das Hauptthema der Ausgabe entwickeln wir gemeinsam und versuchen dann systematisch abzuleiten, welche Inhalte auf der einen Seite progressiv genug aber eben auch anwendbar bleiben. Jeder von uns bringt dann Vorschläge ein und wenn wir das alle toll finden geht es los.
Wenn ein Text außerhalb vom inhaltlichen Schwerpunkt super passt – etwa individuelle Ansätze für stilvollen Zeitvertreib oder konkrete Ratschläge für eine sanftmütige Dissidenz im Alltag – dann kommt der natürlich auch mit rein. Das Verhältnis beträgt etwa 70 zu 30.
In einem Beitrag für transform beschreibst Du Journalisten als “der verlängerte Arm unserer Werbeindustrie.” Da argumentierst Du warum transform ohne Werbung finanziert wird, und Spendengelder über eine Crowdfunding-Kampagne gesammelt werden. Die Redakteure von transform haben bisher keine Honorare erhalten. Wie finanzieren sie sich?
Ich glaube, dass Journalisten sich unfreiwillig in den Dienst der Werbeindustrie stellen, wenn sie für Formate arbeiten die letztlich als Medium für Produktwerbung genutzt werden. Dabei ist mir das Dilemma natürlich bewußt, dass viele Publikationen Angst um ihre Finanzierung haben und aus existenziellen Gründen nicht ohne die Werbung arbeiten können.
In dem Beitrag kritisiere ich, dass wir diesen Zustand so akzeptieren und nicht die Haltung der Journalisten im Einzelnen. Die einzige Lösung, die ich sehen kann, ist die vollständige Finanzierung des Journalismus durch seine Leser’innen: und deswegen haben wir auch eine Crowdfunding-Kampagne bei startnext gestartet um den Anschub für unsere erste Ausgabe einsammeln zu können.
Aktuell arbeiten wir alle ehrenamtlich – ich hoffe aber, dass wir irgendwann aus den Verkaufserlösen kleine Honorare zahlen werden können. Das alles ist natürlich ein Experiment. Mal sehen, wie weit wir kommen!
Laut einer niederländischen Studie werden 2 bis 13 Liter Wasser für den Druck einer DINA4 Seite verbraucht. In Euren Beiträgen messt ihr dem Schutz der Natur und der Ressourcen einen großen Wert bei. Wieso möchtet ihr das transform Magazin nicht nur im digitales Format präsentieren, sondern auch als Print-Version?
Dass Texte in digitaler Form wirklich gelesen werden, glauben wir nicht. Wer hat schon Lust auf 120 Seiten PDF am Bildschirm? Uns ist klar, dass wir aus dem Dilema des Ressourcenverbrauchs nie ganz herauskommen werden. Aber wie lebensverneinend ist denn diese Einstellung überhaupt?
Wenn es danach geht, dürften wir auch nicht mehr zu Konzerten fahren, Lebensmittel einkaufen oder einen Computer besitzen. Genau diese Spirale des Verzichts wollen wir ja durchbrechen mit unserem Magazin. Wir wollen den Spaß doch! Aber wir wollen eben auch, dass unser Planet nicht den Bach runtergeht. Nicht zuletzt auch,sodass unsere Kinder auch noch mindestens genau soviel Spaß haben können.
Anm.d.Red.: Die Fotos stammen von Leo Hidalgo und stehen unter einer Creative Commons Lizenz (cc by 2.0).
danke, das ist bemerkenswert, dass es mit einer crowdfunding kampagne geklappt hat. wie soll das auf dauer funktionieren? immer weiter über spenden und so? oder klassisch über anzeigen und verkäufe? oder gibt es auch hier einen dritten weg?
Was ist die Forderung von Transform? Was für ein Commons braucht die Welt besonders dringend? Wofür wollt ihr Euch einsetzen?
@olaf: über anzeigen auf keinen fall. wir versuchen es über verkäufe der printausgabe.
@elsa: das magazin an sich hat garkeine forderungen. das magazin stellt eher eine plattform dar – für alltagstaugliche inspriration, sanftmütige dissidenz, gutes leben.