Die Bewusstseinsindustrie hat ein neues Sorgenkind – den Wechsel. Ob Wohnort-, Partner- oder Jobwechsel, Regime- oder Regierungswechsel, Jahreszeiten- oder Jahreswechsel, es wird im zunehmenden Masse schwieriger die Uebergaenge als Einschnitte zu markieren. Nicht zuletzt, weil die >Systeme< immer ununterscheidbarer und auswechselbarer werden. Symptomatisch in diesem Zusammenhang: der Irak. Hier sollte es ein dicker Crossmarketingdeal richten: >Regime- coupled with Jahreswechsel<. Ein geradezu praezedenzloses Doppelwechselpaket. Statt des ersehnten Multiplikatoren- effekts, zeigt sich jedoch: Nach dem 31.12. ist vor dem 31.12. Ob Jahresrueckblicke diesen Umstand verbuchen werden? Doch wer interessiert sich noch fuer Jahresrueckblicke? Ja, es kann durchaus amuesant sein, den einen oder anderen zu lesen. Aber der Aufwand, der getrieben wird, um das vergangene Jahr zu verpacken, steht in keinem Verhaeltnis zum Bedarf. Wer brauch schon die ganzen Listen, Buecher und Analysen im Zeichen der just verstrichenen Zeitspanne? Ueberfluessig auch die Vielzahl so genannter Polls - jene Auswertungen von Meinungsumfragen, die den Jahresrueckblick zur Parade der Demokratie werden lassen. Wir brauchen sowas nicht. Wir was anderes. Instrumente, die besser erfassen, was ein Jahr ausmacht. Schliesslich kann es nicht reduziert werden auf ein paar Dinge, die zwischen dem 1.1. und dem 31.12. passiert oder ein paar Produkte, die in diesem Zeitraum auf den Markt geworfen worden sind. Ein Beispiel: Die Musik der britischen Band Bloc Party taucht in keinem 06er Ranking auf. >Silent Alarm< erschien 2005. >A Weekend in the City< kommt dieses Jahr. Und doch haben beide Alben in 2006 die Hoergaenge von [Audio-Download-] Massen okkupiert beispielsweise meine. Problematisch auch, dass Jahresrueckblicke meistens schon fertig sind, bevor das Jahr zu Ende ist. Aus dem Gesichtsfeld rueckt nicht zuletzt der mit ihrer Hilfe besiegelte Jahreswechsel. Bei mir persoenlich war Silvester dieses Mal wieder nur im Rueckzugsmodus ertraeglich. Gerne blicke ich auf meine Zeit in Japan [1992-98] zurueck, wo dieser Modus fuer alle verbindlich ist. Silvester und der 1.1. werden dort ein wenig wie Weihnachten bei >uns< gefeiert: still, im Rahmen der Familie. Die Strassen sind leergefegt, es gibt keinen Verkehr. Totaler Stillstand herrscht. Allein der Fernseher laeuft.
Top of the Pops 2007
Ich bleibe trotzdem bei meiner Meinung, auch wenn Du hier eine gute theoretische Unterfütterung hast, der Jahresrückblick ist essentiell und er funktioniert (für mich). Heute habe ich im Radio sogar schon einen Jahresrückblick für 2007 gehört! Und Leserpolls sind überhaupt das Allerwichtigste denn da können die Leser einer Zeitung diese Zeitung zu ihrer liebsten Zeitung wählen. Ich habe vorsichtshalber schon mal meinen Rückblick für 2007 erstellt:
– Meine Lieblingszeitung 2007:
http://www.berlinergazette.de/
– der beste Film:
http://www.apple.com/trailers/wb/thedeparted/
– allerbestes Lied:
happy in 07 von den 2007s
– schönster Tag:
12.4.07
– bester Sex:
gestern
– bestes Essen:
Marionas Tortilla
– schönstes TV-Erlebnis
Simpsons-Folge in der Moe einmal glücklich ist
– schönster Ort:
unterm bett mit der Katze
– schönste Zeit
jetzt gerade
was kann 2007 noch kommen?
Ich schreibe am besten gleich noch den Rückblick für 2008. Habe mich da gerade schon mit einer Freundin verabredet. Das wird das absolute Highlight. Uff jetzt bin ich aus der Puste!
Angenehme Beobachtung. Passend dazu, der Rückblick aus dem Januar auf das vergangene Jahr interessiert kaum noch wen. Jahresübergangserscheinungen sind dann das nächste Problem.
An sich ist es aber sehr lustig, eine Willkür mit einer anderen zu toppen.
Und überhaupt: Man gebe dem Finanzamt, was des Finanazamtes ist, der Kirche das ihrige und sich selbst die Erinnerung an das Vergessene, Vergorene und Verblichene.
Das mit dem schönsten Tag, bei Magdalena Taube, hat was.