Ein See, unter freiem Himmel, umgeben von Wald. Zwischen See und Wald ein Felsboden. Das ist die Anordnung fuer Jean-Luc Nancys juengsten Versuch das Ende der Philosophie als Anfang zu denken.
Jeder >Baustein< dieser Anordnung wird behutsam eingefuehrt. Was ist der See? Wasser, Ort, Anziehung der Verlassenheit. Am Rand der Verlassenheit steht das Ich des Philosophen und erfaehrt alles als Annaeherung. Erfaehrt Philo-sophie: das unmittelbare Bevorstehen als Enthuellung; und die Liebe zur Wahrheit, die diese Ankuendigung ist. >Diese Annaehrung ist endlos<. >Das unmittelbare Bevorstehen eines unmittelbaren Bevorstehens.< Der Ort dieses Ereignisses, der See, ist alsbald der Rand, das Ufer, eine Oeffnung und Begrenzung. Haeufiger noch als vor seiner Herztransplantation zu Beginn der 1990er bringt Nancy heute Texte hervor, die gebuendelt werden in monothematischen Baenden zu Christentum, Kunst oder Globalisierung, die aber auch als Essays erscheinen: Nicht Alben, sondern Single-Auskopplungen, ohne Bezug zu einer Album-Produktion, mit Bezug vielmehr zu der Produktion des in Strasbourg lebenden Denkers en gros. Eine solche Auskopplung ist >Die Annaehrung<. Auf 27 Seiten unternimmt Nancy eine Relektuere von Leibnitz >Monadologie< und Husserls >ekstatischer Zeiterfahrung<, um die grossen Themen seines Schaffens neu zu erkunden. Seit mehr als 30 Jahren ergruendet Nancy das Gewebe der Welt und spuert der Frage nach, wie >wir< miteinander in Verbindung stehen. All das rueckt in diesem schmalen Band ausgehend von einem >bloss zurueckhaltenden, zurueckgehaltenen Wasser< erneut ins Bild. Das ist woertlich zu nehmen. Denn erst das Foto dieser Situation vervollstaendigt die Versuchsanordnung. >Das Foto belaesst etwas, es beruehrt leicht und zieht sich zurueck.< Das Foto ist die Annaeherung als Beruehrung mit dem Intensivsten, das das Reale ist: insofern als es seine eigene Ankuendigung, sein eigenes Versprechen und Drohen ist. Das Subjekt geht daraus >bedeckt mit einem neuen Gel, einer neuen glaesernen Stimmung< hervor.
Also mir war die philosophische Dimension von “Gel” noch nicht bewusst. Es ist wie der Schleim, mit dem du nach der Geburt überzogen bist. Und ist danach nicht auch eine immer fortwährende Annäherung an die Mutter – ohne jemals wieder in sie hineinzugelangen. Liege ich mit diesem Gedankengang völlig daneben?