Das Tao der Stadt

Staedte sind >Marktorte<. In ihnen werden mit Kuehen, Atomkraftwerken, Boersenkursen und spirituellen Erfahrungen gehandelt: Learning by trading!

Ich arbeite seit ueber 40 Jahren fuer Staedte. Da die Staedte voneinander lernen, reden sie auch miteinander; u.a. ueber Leute, die sie bei ihrer Transformation unterstuetzen koennten.

Nach dem Architekturstudium arbeitete ich zuerst als >Stadtarchaeologe< in Aegypten und entdeckte dabei die Stadt Gourna, geplant und gebaut vom aegyptischen Architekten Hassan Fathy. Meine Grundausbildung in der Arbeit mit Staedten erfolgte dann in der Schweiz: Damals ging es um den Umgang mit einem chaotischem Wachstum der Staedte. Dann kamen Erfahrungen mit touristischen Staedten im Vorarlberg, in Spanien und den franzoesischen Alpen. Das naechste grosse Abenteuer war die Planung und die Begleitung des Baus von Owerri der neuen Hauptstadt von Imo State, einer damals neu gebildeten Provinz von Nigeria. Waehrend 14 Jahren betreute ich dann als Kantonsbaumeister die bauliche Entwicklung der Stadt Basel. Jetzt bin ich seit 14 Jahren wieder unterwegs: In Osteuropa, in Italien, Frankreich, Luxemburg, Deutschland, Liechtenstein, Oesterreich und China. Der Besuch von Gourna auf der Heimreise von Nubien stellte alles in Frage, was ich an der Schule gelernt hatte. Der globale und ideologische Anspruch der Stadt der Moderne wurde auf eine von vielen moeglichen Auspraegungen der Stadt reduziert. Aehnlich eindrucksvoll war ein rezentes Erlebnis, als mich die Stadt Zuerich im Rahmen ihrer Stadtpartnerschaft mit Kunming nach China einlud. Ich antwortete mit >Learning von China<. Ein Buch, das als Multipaket angelegt ist. Der Titel >Learning von China< ist zuerst einmal eine Referenz an Robert Charles Venturi. Der amerikanische Architekt hat mit seinem Buch >Learning from Las Vegas< meine Erfahrung von Gourna am Beispiel einer anderen Stadt veroeffentlicht. Ich will daran anknuepfen und zeigen, dass die Gestalt der Stadt in ihrer Struktur und Form immer eine physische Auspraegung von aktuellen Beduerfnissen, Zielen und Traeumen der Gesellschaft ist. Wenn sich diese aendern, muss nach einer neuen, diesen Werten entsprechenden Gestalt gesucht werden. Dies ist die zentrale kulturelle Aufgabe der Architekten, Staedtebauern und Stadtplanern. Sie sind in diesem Verstaendnis die >Transformatoren< und >Treuhaender< der Gesellschaft. Ich meine, dass heute eine gewaltige Veraenderung der gesellschaftlichen Werte sichtbar wird. Die Fachwelt der Architekten, Staedtebauer und Stadtplaner ist aber nur sehr zoegerlich bereit, sich dieser neuen Aufgabe zu stellen. Der zweite Titel meines Buches heisst >Tao der Stadt< und weist daraufhin, dass im ersten Titel >CHINA< in Grossbuchstaben geschrieben ist. Es geht folglich nicht um die aktuelle dramatische Transformation der chinesischen Gesellschaft und ihrer Stadt, sondern um die Entdeckung des Taoismus als Haltung fuer den Umgang mit der Stadt jenseits der Moderne. Laotse hat in Vers 60 des Tao Te King von der Stadt geschrieben: >Du sollst sie regieren, wie Du kleine Fische braetst.< Ich versuche zu zeigen, was dies fuer die Praxis bei der Betreuung der Transformation der Stadt bedeuten koennte. Wo sich dabei Uebersetzungschwierigkeiten beziehungsweise schier unueberwindbare Kulturbarrieren auftun? Ueberall und immer wieder; aber die Staedte mit ihren Netzen sind dafuer da, sie abzubauen.

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