Das Potenzial der Globalisierung

Kathmandu und Nizza, Philosophie und Hitchcock, Oper und Heavy Metal, Nord- und Suedpol – Sie ahnen worauf ich bei dieser Aufzaehlung hinaus will: Die kulturellen und geografischen Entfernungen sind im Verschwinden begriffen. Das vernetzende Wesen der Globalisierung hat diesen Prozess in Gang gebracht. Ein Ende ist allerdings nicht in Sicht! Denn das Entfernte, es rueckt nur potentiell naeher. Der Blick auf die kulturelle und geo-politische Praxis zeigt: Entfernungen, etwa zwischen Hoch- und Popkultur, werden heute nach Belieben kultiviert; Grenzen, da wo es einem passt, markiert und hochgezogen, Stichwort: Festung Europa.

Das Verschwinden der Entfernungen ist also nicht das fertige Produkt der Globalisierung, wie so viele glauben machen wollen, sondern das Potenzial der Globalisierung. Eine Kraft, ein Ereignis, eine Gewalt – etwas durchaus Bewegendes, das dem Vermoegen nach moeglich ist. Nun ist die Globalisierung kein Subjekt, das entscheidet, wann es von seiner Potenz Gebrauch macht, wann es sein Potenzial zum Vorschein kommen laesst und aktualisiert. Was der Globalisierung zu Grunde liegt, was durch sie moeglich gemacht wird, muss viel mehr von uns, den Akteuren und Kritikern der Globalisierung ertastet, offen gelegt und in die Tat umgesetzt werden.

Slavoj Zizeks Projekt waere vor diesem Hintergrund ebenfalls als Globalisierungskritik lesbar: Es denkt etwa Philosophie und Hitchcock zusammen und fuehrt im Zuge dessen kulturelle sowie psycho-geografische Entfernungen auf jenen Nullpunkt zurueck, auf dem derzeit potenziell die Kultur der Zukunft entsteht. Was aber sind die Bedingungen des Marktes dafuer? Entfernungen annullieren ist sexy und sells in a blockbuster way. Gemaess der Marktlogik – kreiere erst Nachfrage, produziere dann Angebot – muessen solche Projekte Entfernungen erst kreieren, um sie dann zu ueberwinden. Ein Moment, in dem das Potenzial der Globalisierung kuenstlich aufgeblasen und somit verschleiert wird. Oder?

2 Kommentare zu “Das Potenzial der Globalisierung

  1. so so zizek ein globalisierungskritiker? das koennte ich ja noch schlucken sogar in dem hier vorgeschlagenen sinne (ich meine der mann versteht sich ja als politische stimme und kritiker des neoliberalismus und hans dampf in allen gassen, ist also auch defintiv auch globalisierungskritiker so wie alles andere moegliche auch), aber die sache mit der marktlogischen herstellung von entfernung zwecks nachfragevergrößerung? hmm…

  2. die Anmerkungen im letzten Absatz ruehren von der Beobachtung, dass es in den letzten Jahren immer mehr Leute gibt, die vermeintliche Entfernungen, also vermeintlich Unzusammenhaengendes, scheinbar muehelos zusammenlegen, zusammendenken, zusammenbringen und das dabei vor allem die Entfernungen zwischen den einzelnen Punkten das Schillernde, Attraktive, Anziehende sind. Also: Wenn mir jemand sagt Hitchock und Lacan, dann spuere ich die Aura der Entfernung staerker zum Tragen kommen, als die mutmassliche Nahe zwischen den beiden Eckpunkten. Ich vermute: Erwartungen sind hier ausschlaggebend – nicht das Potenzial der Globalisierung hat man vor Augen, sondern die Ordnung von gestern, in der solche Punkte weit auseinanderlagen – und die schiere Faszination der Entfernung. Und damit kann man marktgerecht spielen heutzutage, offenbar.

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