Das Lager am Flughafen

Ich stelle mir dort am Flughafen, also an der schnellsten Verbindung zwischen zwei Punkten, zumindest, wenn es um die Fortbewegung von Koerpern geht, kurz: am Wahrzeichen der Mobilitaet, dort also stelle ich mir ein Auffanglager vor, in dem alle Gestrandeten warten: auf die Deportation, ein Visum, ein Taxi, einen Anschlussflug, einen Arbeitsplatz, einen Sexual- oder Lebenspartner, einen Messias oder auf die kommende Demokratie. Denn: Wo der Fluss so schnell, reibungslos und unaufhaltsam seinen Lauf zu nehmen scheint wie an einem Flughafen, dort ist die erstarrte Bewegung nicht wegzudenken, weil sie als komplementaeres Anderes die Ordnung der Dinge konstituiert.

Hier am Flufhafen Tegel gibt es einen See, den so genannten >Flughafensee<. Ein huebsches gruen-blaues Areal auf der Karte von Berlin, welches dort ausladend gruen ist, wo der Uebergang vom Flughafensee zum Tegeler See durch Waelder verzoegert wird. Ersterer liegt direkt am Lufthafen [Air-Port], meistens liegend saeumen ihn Menschentrauben, die sich auf den drei, vier Strandeinlagen ausgezogen haben. Junge Paare [Maenner mit dicken Fitnessstudio-Armen, Frauen mit makellosen Beinen im Strichformat], wenige Kinder, meistens Menschen ueber vierzig mit viel Zeit und wenig Arbeit. Einige haben Zelte mitgebracht, um sich vor der Sonne zu schuetzen, die nach ihnen zu greifen scheint.

Zwei Maenner [Wampe, oben ohne, Gummi-Sandalen-tragend, stark alkoholisiert] wollen nach Hause, als wir an der aeussersten Sandstelle ankommen: >Moensch, also mit Frauen war heute nix, wa.< Dann geben sie dem Harndruck nach - nicht mit dem Ruecken, sondern mit dem Bauch zum Wegesrand. Andere Maenner warten noch. Sind in der Ueberzahl. Und die Frauen? Sind zu zweit gekommen. Aber auch alleine. Eine, rasiert zwischen den Beinen, hat sich in fernoestliche Meditationsstellung begeben. Eine andere greift zur Dose. Indes steigt ein phallischer Flieger nach dem anderen in die Luft. Periodisch zittert die Wasseroberflaeche. Die Spannung steigt. Einige werden in den Zelten uebernachten.

Ein Kommentar zu “Das Lager am Flughafen

  1. “Flughafensee” – das ist ja fast so gut wie der “Kühlcontainersee” hier in meiner Heimat. Wo das Wasser für den See herkommt, möchte ich an dieser Stelle nicht preisgeben!

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