Das Klima braucht Sozial-Hilfe

Jugendfreundschaften koennen auf ganz unterschiedlichen Interessen begruendet sein. Viele Freundschaften basieren auf gemeinsam ausgeuebten Hobbys wie sportlicher oder musikalischer Betaetigung. Wenngleich gemeinsame Hobbys auch bei meinen Freundschaften eine Rolle spielten, so waren und sind diese staerker davon gepraegt, wie ich etwas mit einem anderen Menschen mache als was wir machen. Ein Mensch, mit dem ich gut gemeinsam wandern koennte, wuerde mir dennoch bald langweilig werden, wenn ich mich mit ihm nicht auch interessant unterhalten koennte.

In der Schulzeit war ich vor allem von mathematisch-technischen Themen fasziniert. Der erste bezahlbare Heimcomputer fand recht bald den Weg in mein Zimmer und ich habe ihn bis an die Grenzen seiner Leistungsfaehigkeit hin genutzt. Interessant fand ich damals vor allem solche Menschen, die meine Begeisterung fuer technische Themen teilten und gleichzeitig bereit waren, ihr Wissen offen mit mir auszutauschen.

Spaeter wuchs mein Interesse an philosophischen Fragestellungen. Gibt es Gut und Boese? Wer definiert es? Sind wir Menschen Geschoepfe Gottes oder die Goetter Geschoepfe der Menschen? Macht das ueberhaupt einen Unterschied fuer mich? In dieser Zeit fuehlte ich mich vor allem hingezogen zu Menschen, die selber auf der Suche waren, denen meine Fragen wichtiger waren als fertige Antworten, die ebenso gerne mit der Logik spielten wie ich und die die Wahrheit nicht fuer sich gepachtet hatten. Aehnliche Vorlieben hege ich auch heute noch, wenn es darum geht, Kollegen fuer die Zusammenarbeit in einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt zu waehlen.

Meine erste aussereuropaeische Reise fuehrte mich als Student nach Israel und Palaestina. Das war 1990, inmitten der ersten Intifada. Waehrend dieser Reise arbeitete ich zunaechst in einem israelischen Kibbuz, lebte dann bei einer verschwaegerten arabisch-christlichen Familie in der Westbank und schliesslich bei der Familie einer juedischen Bekannten in Jerusalem. Die angespannte politische Lage der Region und die besondere Rolle Deutschlands an deren Entstehung waren mir natuerlich bewusst. Dennoch empfand ich es als grosse Herausforderung, die unterschiedlichen Eindruecke und Bewertungen meiner Gastgeber und anderen Gespraechspartner zu einem fuer mich konsistenten Bild zu formen.

Wie verhalten sich vermeintlich objektive Wahrheit und subjektive Wahrnehmung gesellschaftlicher Prozesse zueinander? Was heisst es, im Recht zu sein, wenn ich das Recht als ungerecht empfinde? Teile ich meine Gedanken anders oder gar nicht mit, je nach dem, mit wem ich spreche? Wuerde ich sie anders mitteilen, wenn ich nicht Deutscher waere? Am bereicherndsten empfand ich die seltenen Begegnungen, in denen mein Gespraechspartner seine Erfahrungen und Empfindungen offen mitgeteilt hat, ohne jedoch die Alleinvertretung fuer deren Bewertung fuer sich in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig musste ich lernen, dass meine vermeintlich reflektierten Argumente angesichts von Wut und Schmerz ueber historisches oder aktuelles Leid zuweilen an ihre Grenzen stiessen.

Meine Reisen haben mich zum einen gelehrt, dass Wahrheit haeufig nicht absolut ist, zum anderen, dass das Finden einer vermeintlich objektiven Wahrheit oder das Beharren darauf nicht immer gluecklich macht. Diese Erkenntnisse sind auch fuer meine Arbeit in der Klimawirkungsforschung immer wichtiger geworden. Wie bewerte ich sicher eintretende, aber handhabbare Folgen des Klimawandels im Vergleich zu weniger gut vorhersehbaren, aber moeglicherweise katastrophalen Auswirkungen? Wie gewichte ich die moralische oder rechtliche Verantwortung gegenueber heute armen Laendern und Bevoelkerungsgruppen im Vergleich zu denen, die zukuenftig durch den Klimawandel besonders bedroht sind? Ist es gerechter, zumutbarer oder aussichtsreicher, Vielflieger vom Fliegen abzubringen oder arme Bewohner in vom Meeresspiegel bedrohten Kuestenstaedten zur Umsiedlung in hoehere Regionen zu bewegen? Die Einsicht, dass viele dieser Fragen sich nicht eindeutig beantworten lassen, ist fuer einen naturwissenschaftlich gepraegten Menschen wie mich eine grosse Herausforderung, die von manchen Kollegen immer noch geleugnet wird.

Neben dem reinen Erkenntnisgewinn hat die Klimawirkungsforschung das Ziel, Handlungswissen fuer gesellschaftliche Entscheidungstraeger bereitzustellen. Der anthropogene Klimawandel erfordert wie kaum ein anderes Menschheitsproblem das gemeinsame Handeln aller Voelker. Durch die globale Vermischung der Treibhausgase bietet egoistisches Handeln wenig Anreiz, den Ausstoss von Treibhausgasen zu vermindern, denn alle anderen wuerden davon genauso profitieren. In der Konsequenz wuerde kaum Klimaschutz betrieben, die reichen Voelker wuerden sich so gut wie moeglich an den Klimawandel anpassen, waehrend die armen Voelker den Folgen des Klimawandels nahezu ungeschuetzt ausgeliefert waeren. Dies waere sicherlich die schlechteste aller moeglichen Strategien!

Eine effektive Begrenzung der Risiken des Klimawandels erfordert daher eine weltweite Uebereinkunft darueber, welche Risiken als noch tragbar angesehen werden, wie die Kosten des Klimaschutzes gerecht verteilt werden und wie arme Laender bei der Bewaeltigung der unvermeidbaren Klimaschaeden unterstuetzt werden koennen. Ein solches gemeinsames Handeln ist zum einen effizienter und zum anderen gerechter als eine Strategie, in der jeder versucht, nur seine eigene Haut zu retten. In meiner Forschungstaetigkeit war ich unter anderem an der Entwicklung von Computermodellen beteiligt, welche den Zusammenhang zwischen den Kosten des Klimaschutzes und den Folgen des nicht vermiedenen Klimawandels in verschiedenen Weltregionen beziffern, um diejenigen Strategien zu identifizieren, die unter Zugrundelegung bestimmter Gerechtigkeitsprinzipien von allen Beteiligten akzeptiert werden koennten.

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