Charlotte Chronicles.22 [ghost city]

Wie unterscheidet sich das Leben in einer typisch amerikanischen Stadt wie Charlotte, vom Leben in Deutschland? Nun, beginnen wir beim Wohnen, das aufgrund der hohen Mobilitaet der Amerikaner einen sehr viel kurzfristigeren Zeithorizont hat. Ich erntete kurz nach meiner Ankunft entgeisterte Blicke, als ich beim Management einer Apartmentanlage nach einem unbefristeten Mietvertrag fragte. Man habe normalerweise 3- bis 12-Monats-Vertraege teilte mir Mandy, die damals zustaendige Managerin mit. Wenn ich jedoch so langfristig plane, koenne sie mir ein besonderes Angebot machen und so zog ich kurz nach Abschluss eines >rent 13 months – get 2 free<-Mietvertrags in das >Preserve at Ballantyne Commons< ein.

Das Apartment ist dabei nur einer unter vielen Aspekten der Wohnungssuche. Meine Wohnanlage bietet zusaetzlich einen >indoor basketball court<, Tennisplatz, Fitnessraum, Swimming Pool, Whirlpool, Business Center, Fahrrad- und Videoverleih sowie einen Autowaschplatz zur freien Verfuegung fuer die Mieter an – und das alles fuer unter 700 Dollar im Monat! Ich war beeindruckt. Mein Laecheln gefror etwas, als mir nach Auslaufen meines ersten Vertrags die Miete um 100 Dollar im Monat [!] erhoeht wurde, begleitet vom kuehlen Kommentar des mittlerweile ausgetauschten Managements, dass ich ja gerne ausziehen koenne, wenn mir das nicht passe.

Als ich mich das erste Mal am Wochenende auf den Weg in die Innenstadt machte, erwartete ich, ueberfuellte Strassen und pulsierendes Leben a la New York vorzufinden, da es bekanntermassen kein Ladenschlussgesetz gibt. Doch stattdessen kam ich mir vor, wie in einer Geisterstadt. Die Strassen waren wie ausgestorben und nur ein paar Obdachlose sowie einige zwielichtige Gestalten schlurften durch die Strassen. Mittlerweile weiss ich, wo die wie vom Erdboden verschluckten Menschen am Wochenende zu finden sind: Sonntag morgens gehen fast alle in die Kirche, ansonsten shoppen oder essen sie in einer der unzaehligen Malls, die ueber die gesamte Region verteilt sind, oder sitzen vor dem Fernseher. In den Strassen wird man keine Menschen finden.

Den Weg von einem Ort zum naechsten verbringen alle Leute hier im Auto, da es keine oeffentlichen Verkehrsmittel oder Fahrradwege gibt. Neben der Bequemlichkeit der Fortbewegung ist das Auto vor allem auch eine >kontrollierte Umgebung<, d.h. selbst bei schoenstem Wetter werden die Fenster geschlossen und die Temperatur ueber die Klimaanlage reguliert. Einzige Ausnahme sind ein paar Cabrio-Fahrer, die hier durch den vielen Kontakt mit der frischen Luft glatt als >Naturburschen< durchgehen koennten. Wenn ich nicht vorsaetzlich Strassen ohne Buergersteige entlang laufe und versuche, Kreuzungen ohne Fussgaengerampeln zu ueberqueren, betraegt meine durchschnittlich zu Fuss zurueck gelegte Strecke pro Tag nicht mehr als 150m. Sieht man jemanden durch die Strassen laufen, kann man sicher sein, dass es sich entweder um einen Hundebesitzer, Jogger oder Europaeer handelt.

Ein Kommentar zu “Charlotte Chronicles.22 [ghost city]

  1. Ich kann sehr gut nachvollziehen, was du da schreibst. Mir ging es auch so, als ich in den USA war. New York scheint fußängertechnisch die einzig “normale” Stadt in den USA zu sein – wenn man von europäischen Standards ausgeht. Verlässt man die Grenzen dieser Stadt ist man ohne Auto irgendwie kein Mensch. Aber es ist ja auch ein wahnsinnig großes Land ;)

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