Brustwarzenpolizistin in Manchester

Die Nacht ist schon um zwei vorbei. Bullige Tuersteher schieben das stockbesoffene Volk wie eine traege, unwillige Viehherde zu den Ausgaengen der Clubs auf der Peter Street im Zentrum von Manchester. Manchmal tun sie das auch unsanfter als erwartet. Nach drei knappen, dafuer umso intensiveren Stunden alkoholisierten Suchens nach einem Bettgenossen fuer die Nacht, sind Taxis Mangelware, englisch angestanden wird trotz Pegel, bekleidete Frauen sind ebenso selten, ansehnliche Frauen sowieso, gebuegelte Haare umrahmen schlecht ueberschminkte Gesichter, die Maenner sind fast in Uniform: schwarze Anzughose, weisses Knopfhemd, Glatze.

Reden kann man mit ihnen allen nicht, dazu sind sie zu betrunken, verstroemen schalen Vodkageruch. Es regnet, niemand hat Jacken dabei, ich weiche verzweifelten, noch immer einsamen Maennerhaenden aus, die mir ueber den Arsch streichen wollen, aber sowieso ihr Ziel verfehlen. Nach anfaenglicher Reizueberflutung ob der unausweichlichen Sicht auf Frauenfleisch, das aus saemtlichen Kleidungsnaehten quillt, bin ich mittlerweile abgestumpft, nehme halbnackte Unfoermig- keiten kaum noch wahr, mache meine Mitbewohnerin nur durch einen gleichgueltigen Fingerzeig darauf aufmerksam, dass ihr Nippel ueber ihr zu enges, zu tief heruntergezogenes Unterhemdchen hervorlugt, feuchte Nachtluft schnuppernd.

Fast genauso unbeteiligt stopft sie ihn wieder zu ihrer ueppigen Oberweite und aeussert ihr gewoehnlich schnoedes >thanks, darlin’<. Im Gegenlicht der Abendlaterne kann ich jeden unrasierten Haarstoppel an der Gaensehaut ihrer sehr englischen X-Beine aufleuchten sehen, waehrend der bekiffte Juengling neben mir einen ganz warmen Gesichtsausdruck bekommt, als er mir, der Brustwarzenpolizei, sagt, was ich doch fuer ein netter Mensch sei. Ich raetsel noch, ob es blanke Ironie ist, weil ich ihm die Aussicht verdarb oder ob das Gras ihn mich lieben laesst.

Im Hintergrund staksen drei quietschende, knapp verkleidete Schrecklichkeiten vorbei – Fancy Dress, der eigentliche Nationalsport der Insel – die Preisschilder kleben noch unter ihren Pumps, auf denen sie nicht wirklich laufen koennen, Baeuche ueberlappen glitzernde Hot Pants. Aber es gibt doch diesen einen Spruch, der sagt: Eine Frau ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne! Oh, wie viele Sterne hat Manchester! Es wird gar nicht dunkel in dieser Stadt! Die Frauen leuchten mir den Weg nach Hause.

Doch mittlerweile kann ich ihn mir schon fast selbst leuchten, habe auch ein, zwei, vielleicht drei Sterne hinzugewonnen, mein neuer >English belt< aus Echtfleisch, dort landet suesses Cider, schlechtes Bier und chips ‘n’ cheese mit reichlich Essig uebergossen und in Mayonnaise ertraenkt. Ueber diese wochenendliche Belohnung gebeugt, hoere ich lautlallendes, langsam verhallendes Gegroele: >We are the drunk and disorderly and we don’t give a fuck wherever we may be ‘cos we are the drunk and disorderly…<. Dieser Strassengesang wird mich, im Bett angekommen, auch noch in den Schlaf singen und mich danach, getragen von lauten, rauen Frauenstimmen, auf meinem Wohnheimsgang, wieder aufwecken.

6 Kommentare zu “Brustwarzenpolizistin in Manchester

  1. Wow Aletta! Das hört sich ja an, als seist du in einem paradiesischen Höllenkreis gelandet!

  2. Ich finde die Kombination von dicken Frauen und Brustwarzen, Bett und Alkohol, bzw. Hölle und Paradies irgendwie attraktiv! Nur wusste ich nicht, dass man das in Manchester bekommt. Aber man untersschätzt England häufig zu sehr.

  3. Poor old England!
    I seem to miss it sometimes though…
    Enjoy the Strongbow, Aletta,
    Cheers!

  4. Hey Aletta!
    Bei dem Text kommen bei mir wehmütige Erinnerungen hoch an die Zeiten, als wir Dich als Chefkolumnistin für die Unauf gewinnen wollten. Vergeblich. Nun bist Du in England und ich bei Springer. Aber glücklicherweise kommen wir ja beide “zurück”. D.

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