Gib mir ‘n kleines bisschen Sicherheit

Wenn man Menschen nach langer Zeit wieder sieht, ist ein solches Ereignis auch immer ein Spiegel fuer einen selbst. Erinnerungen haben sich manifestiert und deren Echtheit wird dann neu verhandelt. Wie haben sich die anderen veraendert und bin ich immer noch der alte? Was ist geblieben von damaligen Gefuehlen? Man lebt in verschiedenen Universen und kommt irgendwann wieder zusammen. Fast so, als wuerde man die Vergangenheit umschreiben und sich neu erinnern. Oder vielleicht eine Vermischung von alten und neuen Eindruecken, woraus etwas anderes wird – weder alt noch neu.

Anstoss fuer Reflexionen darueber gab mir mein USA-Besuch zum Jahreswechsel. Dort habe ich vor sechs Jahren fuer ein Jahr in einer Familie gelebt. Anlass der Reise dieses Mal, war die Hochzeit des aelteren Sohnes der Familie. Auf einmal habe ich die Religiositaet und die konservative Lebenshaltung ganz anders, viel bewusster wahrgenommen. Es hat mich ein wenig in Schock versetzt zu sehen, dass diese Menschen mich massgeblich beeinflusst haben. Auf der anderen Seite will ich diese Zeit nicht missen und erinnere mich gerne an kontroverse Diskussionen mit meinen schraegen Gasteltern, die mir nichts desto trotz ans Herz gewachsen waren.

Bei solchen Begebenheiten, Zusammenkuenften nach Jahren des Nichtsehens, schwingt auch immer Nostalgie mit, die eigentlich ganz schoen ist und die man gar nicht kaputt machen moechte. Trotz dem Schwelgen in gemeinsamen Erlebnissen laesst sich das nicht ganz vermeiden. Genau die Emotionen wieder hervorzurufen, an die man sich gerne erinnert, ist unmoeglich, weil sie eben Vergangenheit sind und situations- und ortsbedingt sind und zeitlich fixiert, ja eingefroren sind. Auch Eigenschaften von Personen werden neu bewertet, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.

Dabei ist es bei all dem Verlust an Vergangenheitswahrnehmung umso schoener, wenn man die Dinge betrachtet, die geblieben sind, die, die sich nicht veraendern. Bestimmte Verruecktheiten und Seinsarten. Eigenheiten die den Menschen ausmachen, egal wie viel Zeit verstreicht. Dieses Verlangen nach Stetigkeit, des Wiederentdeckens von Bekanntem, ist wohl konservativer Natur, aber gerade das macht wahrscheinlich Menschlichkeit aus. Kontinua geben Sicherheit! Und so kitschig es ist, muss an dieser Stelle Silbermond zitiert werden: >Gib mir ‘n kleines bisschen Sicherheit,gib mir was, irgendwas, das bleibt.<

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