Feurige Spuren im Schnee

Die zwei haben sich in Position gebracht: Der Greise weist den Jungen in die Geheimnisse der Maennlichkeit ein – mit angsteinfloessendem Pathos schamanistische Weisheiten von sich gebend. Der Junge steht mit nacktem Oberkoerper da, zittert. Sein knochiger Leib glaenzt.

Der ihn umgebende Raum ist vollkommen rot: Liebe und Tod signalisierend, aber auch Haut an intimer Stelle – warnend, verlockend, amorph, irrational. Dann eine Tanzszene, in elektronisch-perkussiver Pracht. Archaisch und futuristisch zugleich. Der erwachsene Taenzerkoerper windet sich, bewegt sich hektisch, zieht die Beine an die Brust, balanciert in Kranich-Pose.

Mit Kampfkunst-aehnlichen Schritten verschafft er sich Raum, zuckt in seiner weissen Hose, den Oberkoerper verziert mit asiatischen Tattoos. Der Raum ist dieses Mal vollkommen weiss: der visuelle Speicher fuer organische und anorganische Materie. Eis. Der Stoff, aus dem Erinnerungen sind. Spuren im Schnee, Spuren in der menschlichen Psyche. Was ist passiert? Was sollten wir wissen? Als der japanische Regisseur Takashi Miike in seinem Film >Big Bang Love, Juvenile A< anfaengt die Geschichte zu erzaehlen, hallen Initiationsritus und Tanzszene noch lange nach. Im Gefaengnis, wo alles spielt, wird es aehnlich rituell zugehen.

Die Inhaftierten zelebrieren kloesterliche Askese; routiniert sowie exakt getaktete Gewaltausbrueche muten an wie Zombie-Ballett. All dies ist in Gelb getaucht, die Farbe der Sonne. Die Protagonisten sind ihr zu Nahe gekommen, fangen nach und nach Feuer. Rakete, abschussbereit, Pyramide und Stacheldraht. Schritt fuer Schritt kommt nicht nur das Diesseits naeher. Schritt fuer Schritt nimmt auch die Vergangenheit Konturen an. Vergewaltigung und Verbrechen. Betrug und Mord. Das Gedaechtnis ist ein Schwamm – am Ende hat er sich mit Blut vollgesogen. Ein besseres Leben verspricht nur die gluehend heisse Sonne.

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